Bootcamp

Bootcamp

Ein Bootcamp ist ein Trainingslager für Rekruten, die dort eine Grundausbildung erhalten. Umgangssprachlich bzw. in kritischer Auseinandersetzung werden auch bestimmte Einrichtungen zur (Um-)Erziehung von Delinquenten "Bootcamps" genannt.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Die Bezeichnung boot kommt von den neuen, schweren und harten Stiefeln, die in solchen Camps getragen werden müssen. Boot ist ugs. ein Tritt mit dem Stiefel. Boot ist außerdem eine ältere US-amerikanische Bezeichnung für Rekruten in der Grundausbildung. Über Boot Camps im engeren Sinn liegt kaum deutschsprachige Literatur vor. Glen Mills Schools sind kein Boot Camp, sondern eine Jugend-Justiz bezogene, offene Umerziehungs-Einrichtung mit einem streng strukturiertem gruppendynamischen Ansatz („Guided Group Interaction“[1]). In Deutschland und in den Niederlanden wurde und wird diese Einrichtung aber immer wieder als Muster herangezogen, weil hier entsprechende „Glen Mills“-Initiativen tätig sind.

Rehabilitation

Zweck ist grundsätzlich die Umerziehung der Schwierigsten. Neben Einrichtungen in den USA und einer in Hessen soll auch verwiesen werden auf die Auswüchse dieses Ansatzes, wie sie zum Beispiel im Jugendwerkhof Torgau stattgefunden haben. Ihnen soll der Wille genommen werden zu den Eltern nein zu sagen.

Seit etwa 1990 ist der Begriff Boot Camp als Bezeichnung für ein Lager zur Besserung und Rehabilitation von Straftätern bekannt geworden, insbesondere im Zusammenhang mit straffällig gewordenen Jugendlichen. Als Alternative zu einer zwei- bis dreijährigen Freiheitsstrafe in einem gewöhnlichen Gefängnis können straffällig Gewordene nach 120 Tagen extremer physischer und psychischer Beanspruchung in einem Boot Camp in die Freiheit gelangen. Boot Camps existieren unter diesem Namen nur in den Vereinigten Staaten und werden sowohl staatlich als auch privat betrieben. Das Konzept der Boot Camps wird besonders von konservativen Politikern favorisiert, vor allem weil die Kosten des Strafvollzugs für einen Delinquenten verringert werden. Für Boot Camps sind nur Straftäter zugelassen, die kein Verbrechen wie Mord oder Totschlag begangen haben. Das Boot Camp kommt zum Beispiel bei Diebstahl, Drogenhandel, Körperverletzung oder Mordversuch in Frage.

Boot Camps werden nach den disziplinarischen Grundregeln einer US-Militäreinheit der Marines geleitet. Die Philosophie dieser Camps ähnelt der der Marines: Willen brechen, um ihn später wieder aufzubauen.

Erziehung

Es gibt eine zweite Form von Boot Camps, in die Jugendliche allein auf Veranlassung der Eltern als Erziehungsmaßnahme (nicht: -angebot) eingewiesen werden. Je nach Status der Einrichtung zahlen die Eltern für diese Dienstleistung sehr hohe Gebühren. Jugendliche, die sich dieser Einweisung widersetzen, können, ebenfalls auf Veranlassung der Eltern, mit Gewalt dazu gezwungen werden. Zu diesem Zweck gibt es professionelle Einfänger, die sich selbst „Transporter“ nennen. Die Verweildauer in diesen Einrichtungen ist nicht auf 120 Tage beschränkt, sondern kann mehrere Jahre betragen. Lediglich das Erreichen der Volljährigkeit stellt eine Obergrenze dar.

Die Befürworter von Boot Camps gehen davon aus, dass diese Form der Umerziehung den Charakter der Verurteilten entsprechend einer Norm formen würde, die vor allem bei der Bevölkerung der USA als erstrebenswert erachtet würde: der eines disziplinierten Soldaten. Auf der anderen Seite ist man davon überzeugt, dass ein Gesetzesbrecher nach dieser Tortur nicht mehr straffällig werden wird.

Kritische Erfolgsberichte

Rekruten während der Ausbildung

Vielfach wird von großen Erfolgen der Boot Camps berichtet, die darin bestehen, dass die Rückfallquote im Vergleich zu anderen Einrichtungen niedriger sei. Dies ist jedoch nach neueren Studien von Camp zu Camp unterschiedlich. So meldet beispielsweise die Kommune Miami-Dade, dass nur 6,6 % aller Insassen rückfällig wurden, wobei das Camp der Kommune Pinella County mit knapp 90 % eine weit höhere Rückfallquote aufweist.[2]

Mindestens 30 Jugendliche sind seit 1980 in amerikanischen Boot Camps zu Tode gekommen, überwiegend durch eigene Hand. Hinzu kommen zahllose Fälle von schweren Verletzungen wie Knochenbrüchen bei den extrem belastenden täglichen Aktivitäten, die die Häftlinge bis an ihre Grenzen strapazieren. Derartige Verletzungen bedeuten den Abbruch des Bootcamps und Überführung in eine normale Haftanstalt, wo die ursprünglich verhängte Haftstrafe angetreten wird, da man damit nicht mehr am Tagesprogramm des Boot Camps teilnehmen kann.[3] In einem weiteren Fall, in dem ein 14-Jähriger vor laufender Kamera von sieben Wärtern zu Tode geprügelt wurde und die anwesende Krankenschwester nicht eingriff, haben die Angehörigen eine Klage gegen die Boot Camps eingereicht, bisher allerdings erfolglos, da die Staatsanwaltschaft zu dem Ergebnis kam, die Wärter hätten aus Notwehr gehandelt.[4]

Kritische Diskussion

Morton Rhue, Autor des Buches Boot Camp und bekannter Kritiker

Viele Psychologen und Sozialpädagogen stehen den Boot Camps äußerst kritisch gegenüber, weil es in der Regel darum gehe, den Willen eines Menschen zu brechen. Die Jugendlichen würden nur abgerichtet werden, was häufig zu Unterwerfungs- und Minderwertigkeitskomplexen führt. Die gleichen Methoden würden beispielsweise bei der Ausbildung von Elite-Kampftruppen eingesetzt, um den bedingungslosen Gehorsam zu trainieren; damit sei das Ergebnis einer solchen Erziehung eher für den Krieg als für ein Zivilleben geeignet.

Vor allem aber werden Boot Camps von Menschenrechtsschützern abgelehnt. In Boot Camps seien seelische Misshandlungen Teil des Programms. Auch körperliche Misshandlungen seien dokumentiert, obwohl in der Regel das Personal entsprechend den Vorgaben die Insassen nicht von sich aus berühren dürfe. Die ständigen Beleidigungen, Demütigungen und der Druck, in kürzester Zeit ohne Rücksicht auf Verletzungen Aufgaben erledigen zu müssen, die nie zur Zufriedenheit erfüllt werden können, verstießen gegen allgemein anerkannte Menschenrechte.

Einrichtungen in Deutschland

Es gibt wenige Einrichtungen in Deutschland; bekannt ist die Jugendhilfeeinrichtung Trainingscamp Lothar Kannenberg in Hessen. Das Camp befindet sich im früheren Versuchs- und Lehrbetrieb für Waldarbeit und Forsttechnik in Diemelstadt-Rhoden (Kreis Waldeck-Frankenberg). Kannenberg ist kein gelernter Pädagoge, sondern ein harter hessischer 'Praktiker': er war Fleischer, Übungsleiter Boxen (B) und Boxer. Immerhin erhielt er 2005 die Medaille des Verdienstordens der BRD und sprach als erster [5] auf dem SPD-Parteitag 2010. Sein Konzept unterscheidet sich deutlich von den einschlägigen US-Camps.[6][7]

Literatur

Berichte über Einrichtungen

Weblinks

Einzelnachweise

  1. [1] GGI, gesehen am 20. September 2010 auf www.springerlink.com
  2. http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,526461,00.html
  3. http://www.spiegel.de/sptv/themenabend/0,1518,159017,00.html
  4. Annette Langer: Tod im Boot-Camp – Freisprüche für Aufseher. In: Spiegel Online. 12. Oktober 2007, abgerufen am 27. August 2008.
  5. Gabriel/Kannenberg eröffnen den SPD-Bundesparteitag 2010
  6. http://www.sueddeutsche.de/politik/677/318550/text/
  7. Diana Zinkler: Letzte Chance für Jugend-Gangster. In: Hamburger Abendblatt. 22. Mai 2006, abgerufen am 27. August 2008.

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