- Kinder- und Jugendhilfe
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Unter Kinder- und Jugendhilfe (mitunter auch nur Jugendhilfe; ehemals „Jugendwohlfahrt“) werden in Deutschland alle Leistungen und Aufgaben öffentlicher und freier Träger zugunsten junger Menschen und deren Familien zusammengefasst. Diese wurden 1990/91 im SGB VIII, dem Art. 1 des KJHG, neu zusammengestellt und grundlegend überarbeitet. Das SGB VIII hat seitdem eine Reihe von Änderungen und Neufassungen erfahren.
Inhaltsverzeichnis
Adressaten der Kinder- und Jugendhilfe
Die Kinder- und Jugendhilfe richtet sich an alle jungen Menschen unter 27 Jahren. Das sind:
- Kinder (unter 14 Jahre alt)
- Jugendliche (zwischen 14 und unter 18 Jahren)
- Heranwachsende (zwischen 18 und 21 Jahren)
- Junge Volljährige (zwischen 18 und unter 27 Jahren)
Sowie an:
- Personensorgeberechtigte (in der Regel die Eltern, ggf. auch ein Vormund oder Pfleger)
Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe
Die Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe, als eine gesellschaftliche und sozialpädagogische Praxis, ergeben sich aus ihrer gesetzlichen Grundlage, dem Kinder- und Jugendhilfegesetz im SGB VIII. Die gesetzlichen Ziele und Wertvorstellungen werden in § 1 beschrieben.
Demnach hat Jugendhilfe zur Aufgabe, zur Verwirklichung des Rechts Kinder und Jugendlicher auf Förderung ihrer Entwicklung und auf Erziehung zu eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeiten beizutragen. Weiterhin soll sie den Abbau von Benachteiligungen und die Schaffung bzw. Erhaltung positiver Lebensbedingungen junger Menschen und ihrer Familien unterstützen. Als Grundlage gilt: Zentral haben die Eltern das Recht und die Pflicht zur Erziehung und Pflege ihrer Kinder. Die staatliche Gemeinschaft wacht darüber, dass das Recht der Kinder gewährleistet wird.
Nach Aufgabenschwerpunkten wird allgemein unterschieden in:
- allgemein fördernde Aufgaben, die sich generell auf alle Kinder, Jugendliche und Familien beziehen (z. B. Kindergärten, Jugendarbeit, einzelne Kinder/Jugendliche individuell fördern, z. B. Lernhilfen)
- direkt helfende Aufgaben, die eher an spezifischen Anforderungen, Problemlagen bzw. Zielgruppen ausgerichtet sind (z. B. Beratungen, Einzelbetreuung, Unterbringung, Jugendschutz, Inobhutnahme).
- politische Aufgaben (z. B. Planungsverpflichtung, Einmischung)
Das SGB VIII listet die Aufgaben (Oberbegriff) in § 2 und unterscheidet zwischen Leistungen (zweites Kapitel – §§ 11-41 SGB VIII) und anderen Aufgaben (drittes Kapitel – §§ 42-60 SGB VIII). Das zweite Kapitel beinhaltet die sozialpädagogischen Leistungen, während sich im dritten Kapitel der stärker ordnungsrechtlich ausgerichtete Teil, die sog. hoheitlichen Aufgaben befinden.
Leistungen
Leistungen der Jugendhilfe sind:
- Jugendarbeit (§ 11), Jugendsozialarbeit (§ 13) und erzieherischer Kinder- und Jugendschutz (§ 14)
- Förderung der Erziehung in der Familie (§ 16 SGB VIII) – (beispielsweise Beratung bei Trennung und Scheidung), Unterstützung bei der Entwicklung eines einvernehmlichen Konzepts für die Wahrnehmung der elterlichen Sorge bei Trennung und Scheidung (§ 17 SGB VIII); Beratung und Unterstützung bei der Ausübung der Personensorge und des Umgangsrechts (§ 18 SGB VIII)
- Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen und Tagespflege – Kindertagesbetreuung (Kindergärten, Schulhorte, Kinderläden, Kinderkrippen, Kindertagespflege),
- Hilfen zur Erziehung (u. a. Erziehungsberatung, Vollzeitpflege, Sozialpädagogische Familienhilfe, Heimerziehung) (§§ 27 ff. SGB VIII), Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche (§ 35a SGB VIII); Hilfe für Junge Volljährige (§ 41 SGB VIII)
Andere Aufgaben
Sogenannte andere Aufgaben der Jugendhilfe sind z. B.:
- Beratung und Unterstützung von Alleinerziehenden bei der Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen (§ 52a SGB VIII),
- Intensive sozialpädagogische Einzelbetreuung (§ 35 SGB VIII), (ebenfalls den Hilfen zur Erziehung zuzurechnen)
- Mitwirkung beim Familiengericht und Vormundschaftsgericht, (§§ 49 ff. SGB VIII)
- Jugendgerichtshilfe (§ 38 JGG),
- Inobhutnahme von Kindern und Jugendlichen (§ 42 SGB VIII) bei Kindeswohlgefährdung (§ 1666 BGB), z. B. Unterbringung in Heimeinrichtungen (§ 34 SGB VIII)
- Übernahme von Beistandschaften, Vormundschaften und Pflegschaften für Minderjährige (§§ 55 ff. SGB VIII)
- Beurkundung von Vaterschaftsanerkennungen, Unterhaltsverpflichtungen und Sorgeerklärungen (§ 59 SGB VIII)
Durchführung
Die Trägerschaften der Jugendhilfe unterteilen sich in öffentliche (Jugendämter, Landesjugendämter) und in freie Träger (Jugend- und Wohlfahrtsverbände).
Leistungen der Jugendhilfe werden überwiegend von freien Trägern erbracht. Die großen freien Träger haben als Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege einen besonderen, gesetzlich anerkannten Status und nehmen entsprechenden Einfluss auf die Sozialpolitik des Bundes. Zu ihnen gehören:
- das Diakonische Werk (DW) der evangelischen Kirche,
- der Deutsche Caritas-Verband der katholischen Kirche,
- das Deutsche Rote Kreuz (DRK),
- die Arbeiterwohlfahrt (AWO),
- der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband (DPWV) und
- die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland (ZWST)
Gemäß dem Prinzip der Subsidiarität wird bei der Wahrnehmung von Aufgaben der Jugendhilfe, freien Trägern generell Priorität vor Trägern der öffentlichen Jugendhilfe eingeräumt. Demnach sollen freie Träger Aufgaben übernehmen, wo sie in gleicher Weise die fachlichen Voraussetzungen für die jeweiligen Leistungen erbringen. Gewollt ist eine vielfältige Trägerlandschaft, in der unterschiedliche Wertorientierungen sowie vielfältige Inhalte, Methoden und Arbeitsformen angeboten werden (§ 3 SGB VIII).
Die Wahrnehmung der im dritten Kapitel des SGB VIII aufgeführten anderen Aufgaben obliegt fast ausschließlich der öffentlichen Jugendhilfe. Hierbei handelt es sich größtenteils um sog. hoheitliche Aufgaben, weil bestimmte gesetzlich vorgegebene Ordnungselemente realisiert werden sollen. Freie Träger haben hier, abgesehen von wenigen besonderen Ausnahmen, nach § 3 Abs. 3 SGB VIII regelmäßig kein Betätigungsfeld.
Der öffentlichen Jugendhilfe überkommt ferner die Verpflichtung zur Gesamtverantwortung für die Erfüllung der Aufgaben, wie sie das Kinder- und Jugendhilfegesetz vorsieht. Sie ist zumeist für hoheitliche, planende und lenkende Aufgaben zuständig. Außerdem gewährleistet sie durch die Finanzierung der freien Träger deren Angebote und Dienste.
Freie und öffentliche Träger sind verpflichtet partnerschaftlich und planvoll zusammenzuarbeiten.
Auf einige Leistungen der Jugendhilfe – wie zum Beispiel die Hilfen zur Erziehung oder die Kindertagesbetreuung – haben Berechtigte einen Rechtsanspruch. Rechtsansprüche und Leistungsverpflichtungen richten sich gegen die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe. Dies sind zumeist die Jugendämter der Kreise und kreisfreien Städte. Überörtliche Träger sind zumeist die Länder. Andere Leistungen (wie Jugendfreizeitangebote) sind zwar gesetzliche Pflichtaufgaben, ohne dass aber ein individuell einklagbarer Rechtsanspruch bestehen würde.
Ein besonderes Merkmal der Kinder- und Jugendhilfe – und in der Verwaltungsstruktur der Bundesrepublik in dieser Form einmalig – ist die Zweigliedrigkeit der Behörde Jugendamt. Sie besteht aus der Verwaltung des Jugendamtes und dem Jugendhilfeausschuss, der sich zu 2/5 aus Vertretern der freien Träger und zu 3/5 aus Vertretern des Kommunalparlaments zusammensetzt. Damit sind Bürgerinnen und Bürger theoretisch an den wesentlichen Entscheidungen der Kinder- und Jugendhilfe unmittelbar beteiligt.
Vernetzung und Zusammenarbeit
So wie die kommunalen Träger in Landes- und Bundesverbänden zusammengeschlossen sind (Landkreistag, Städtetag), gilt dies auch für die freien Träger; sie haben i. d. R. ihre Kreis-, Landes- und Bundesverbände. Die o.g. durch Gesetz anerkannten freien Träger sind auf Landes- und Bundesebene zusammengeschlossen in der Liga der Spitzenverbände der freien Wohlfahrtspflege. Ein Zusammenschluss auf Bundesebene, der die Liga der Spitzenverbände, die Jugendverbände und Landesjugendringe, die Fachorganisationen und die Landesjugendministerien und Landesjugendämter umfasst, ist die Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe. Ein Zusammenschluss von freien und öffentlichen Trägern ist der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge in Berlin.
Literatur
- Rätz-Heinisch/Schröer/Wolff: Lehrbuch Kinder- und Jugendhilfe. Grundlagen, Handlungsfelder, Strukturen und Perspektiven. Juventa Verlag, Weinheim und München 2009
- Jugendhilfe. WoltersKluwer Deutschland. Köln. Seit 1963. Zeitschrift. ISSN 0022-5940.
- Christian Sachse: Der letzte Schliff. Jugendhilfe der DDR im Dienst der Disziplinierung von Kindern und Jugendlichen (1949-1989); Hrsg.: Die Landesbeauftragte für Mecklenburg-Vorpommern für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen DDR, Schwerin 2011; ISBN 978-3-933255-35-8
Siehe auch
- Jugendamt
- Jugendhilferecht
- Jugendhilfestation
- Jugendfürsorge
- Jugendhilfeplanung
- Kommunale Familienpolitik
- Jugendhilfe in der DDR
- Kinder- und Jugendhilfe im Iran
- Interkulturelle Moderation
Weblinks
- Fachkräfteportal der Kinder- und Jugendhilfe
- Arbeitsgemeinschaft für Kinder- und Jugendhilfe
- Statistisches Bundesamt: Zahlenangaben zur Kinder- und Jugendhilfe
- „SGB VIII Online-Handbuch“ von Becker-Textor
- Anonyme Anlaufstelle für Jugendliche - JugendScouts.de
- Beschluss der Jugendministerkonferenz zu Virtuellen Beratungsstellen (PDF) (10 kB)
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