- Glen Mills Schools
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Glen Mills Schools (auch: Glenn Mills School) ist eine große, international bekannte US-amerikanische Einrichtung zur Unterbringung und Resozialisierung von delinquenten Jugendlichen im Umland von Philadelphia; die Ortschaft Glen Mills gehört zu Delaware County im Bundesstaat Pennsylvania.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Die Einrichtung wurde bereits 1826 unter dem Namen Philadelphia House of Refuge (Zufluchtshaus Philadelphia) auf einem 800 Acre großen Landstrich aufgebaut. Sie gehört zur Ortschaft Glen Mills, die eine Eisenbahnbedarfshaltestelle auf der Strecke von Philadelphia ins Umland besitzt.[1] Seit 1911 sind die Häuser (damals 14 große Wohn-und Arbeitseinrichtungen sowie eine Kapelle am Kopf des Ovals) unter dem Namen Glen Mills Schools bekannt. Damit ist sie die älteste Einrichtung dieser Art in den Vereinigten Staaten. Da die Justiz die Hauptunterbringungsbehörde war und ist, galt das Haus als geschlossen und wurde von hohen Zäunen umgeben.
1975 übernahm "Sam" Cosimo D. Ferrainola das geschlossene Heim, in dem sich vornehmlich straffällig Gewordene im Alter von 13 bis 18, überwiegend mit afroamerikanischer Herkunfsgeschichte, befanden. Er begründete ein völlig neues Konzept mit einer Fülle von entwickelten Programmen, die sowohl sozialpädagogische, psychologisch-gruppendynamische, arbeitsbezogene und sportliche Ansätze vorstellten. Die Einrichtung hatte zunächst 90 Delinquenten; Ferrainola baute aus, so dass am Ende seiner Arbeit in 2007 fast 1000 sogenannte Studenten von den Angeboten profitierten. Als erstes ließ er den begrenzenden Zaun entfernen, vertrat aber gegenüber der Jusitz die Position, dass es sich weiterhin um eine geschlossene Einrichtung handele. Die Wegläuferquote war extrem gering: Der Report 1979 zeigt z.B. einen Fall.
Seit 2007 werden die Schulen vom Geschäftsführenden Direktor Garry Ipock geleitet. Robert Glendenning ist der Präsident des Trägers.
Konzeption
Das innovative Programm basiert auf streng gruppendynamisch ausgerichteten Regeln. So beginnt der Tag morgens um 8:00 mit einer Gruppenbesprechung in einem der Häuser, die eigenständig auf dem Gelände arbeiteten uund eine Rolle in der Gesamthierarchie einnehmen. Eines der Häuser beherbergt die Battling Bulls, die Elite. Auch nach der Schule gegen 16:30 Uhr findet noch vor dem Abenessen eine weitere gruppendynamische Besprechung statt. Auf den Hausgruppen arbeiten Lehrer und Erzieher, die im Rahmen von "in-service trainings/trainings on the job" weitergebildet worden sind.
Das kognitive Lernen wird nicht zweitrangig, aber immer im Kontext Arbeit und Praxis vermittelt; einen Theorieunterricht an sich gibt es nicht. Projekte führen die Studierenden zu theoretischen Lernfragen.
Den Studenten werden feedbacks gegeben über monatliche individuelle Fall-Berichte, vierteljährliche Erfolgs-Zusammenfassungen und pro Abrechungsjahr über rechtsverbindliche Reportagen. Die Evaluation der Arbeit weist große, umfängliche Erfolgsquoten auf.
GGI, Group Guided Interaction, ist ein dort erfundenes und implementiertes Konzept, das Gruppendruck pädagogisch einsetzt. Glen Mills arbeitet mit vier weiteren Spezialprogrammen zur Reduzierung der Rückfallquote, sie heißen:
- Moral Reconation Therapy
- MRT companion programming
- Coping with Anger and Parenting
- Family Values and Botvin LifeSkills Training.
Kosten
Heute kostet ein Platz im Monat 3.800 $. Darin sind enthalten: stationäre Unterbringung von Kindern, Einrichtungen zur Behandlung am Tage und Vorbereitung auf jährliche Audits.
Berufskarrieren
In den Häusern arbeiten Berater (Counselors), die die GGI nach einem sozialpädagogischen, psychologischen oder Lehrerstudium erlernt haben. Es wird in einem 3-Schicht-System gearbeitet von 7:30 bis 15:30 Uhr, dann bis 23:30, danach folgt der Nachtdienst.In den Werkstätten bzw. in der Schule arbeiten zusatzausgebildete Berufsschullehrer.
Wissenschaftliche Begleitung
In den fünf Jahren nach 1977 begleitete der New York-Columbia-University Professor für Pädagogik Howard W. Polsky die Einrichtung, beeinflusste die Konzeption und arbeitete mit an der Wirkungs-Evaluation; er ist für seinen "Diamanten" bekannt, eine Beschreibung typischer Gang-Hierarchien.
Studenten-Union
Vieler der jungen Menschen arbeiten in Selbstverwaltungs- und Bewirtungsbereichen, betreuen die Freizeit der Kommilitonen und betreiben zwei Cafeterien.
Sport
Ganz wesentlich für Ferranoilas Konzeption ist der Sport ("Athletics"). Folgende Sportarten werden betrieben:
- Football, Cross Country, Golf, Soccer, Basketball
- Wrestling, Indoor Track, Powerlifting, Swimming, Bowling
- Baseball, Volleyball, Roller Hockey, Outdoor Track & Field
- Tennis und Powerlifting
Sport lässt die schwierigen Jugendlichen Erfolge erleben und macht sie stolz. Insbesondere im Football brachten sie große Leistungen und durften in regulären Ligen antreten. In den letzten 30 Jahren gewannen die Studenten 18 Mal bei nationalen Meisterschaften. Die jeweilige Mannschaft heißt "Battling Bulls", das ist ein Synonym für eine Elitegruppe von jenen jungen Menschen, die die Normen des Hauses schon ausreichend übernommen haben und bereit sind, diese an jüngere und neue Mitstudenten weiterzugeben. Sport bildet demzufolge den Charakter, die Persönlichkeit und ist integraler Bestandteil des Hauskonzepts.
Rezeption in Deutschland
Während Manfred Günther (1981) und Jens Weidner (1986) die positiven Aspekte der besonderen Programme herausstrichen und Weidner auch eine Reihe von Methoden der konfrontativen Pädagogik[2] wie "heißer Stuhl" für seine Arbeit als Pychologe in der Jugendhaftanstalt Hameln nutzte, spitzte sich die Debatte zu, als Glen Mills sachlich mit Boot Camps in Verbindung gebracht wurde und insbesondere die Technik des Gruppendrucks als für westeuropäische Verhältnisse zu inhuman und unpädagogisch[3] diskutiert wurde, wie zuletzt Rene Grummt (2010). Die Debatte wurde vom DJI u.a. über eine Bibliografie-gestützte Expertise zu "Glen Mills Schools"[4] dokumentiert.
Filialen in Europa
Nach der heftigen Kontorverse in der bundesdeutschen Jugendhilfszene etwa von 1986 bis 2003 wurde deutlich, dass vergleichbare Häuser in Deutschland nicht benötigt werden bzw. dass die überörtlichen Jugendhilfeträger nicht bereit sind, diesen Ansatz zu honorieren. Ein eingetragener Verein, geführt von Christain Scholz vom Amtsgericht Lüneburg sowie Petra Guder und Herbert Colla von der Universität Lüneburg, hatte sich stark gemacht für das Übertragen der Programme auf Europa und die BRD. Schließlich wurde in den Niederlanden eine U-Haft-vermeidende Einrichtung des Glen Mills-Vereins ("Academie") unter konzeptioneller Supervision des Stammhauses installiert. In wenigen Fällen haben deutsche Jugendämter ausgewählte delinquente Jugendliche (mit guten Englischkenntnissen) in Glen Mills (USA) untergebracht.
Literatur (deutschsprachig)
- Deutsches Jugendinstitut: Die Glen Mills Schools, Pennsylvania, USA. Ein Modell zwischen Schule, Kinder- und Jugendhilfe und Justiz? Eine Expertise Verlag DJI, München 2002. ISBN 3-935701-10-1
- C. D. Ferrainola: Zur Notwendigkeit einer effektiven Veränderung stationärer Behandlungsmodelle delinquenter Jugendlicher DVJJ-Journal 165, 1999
- Rene Grummt, Peter Schruth u. Titus Simon: Neue Fesseln der Jugendhilfe: Repressive Pädagogik Schneider Hohengehren, 2010. ISBN 978-3-8340-0677-6
- Petra Guder: Glen Mills - Amerikanicher Mythos oder reale Chance? in: DVJJ-Journal 165, 1999
- Manfred Günther: Alternative Konzepte für ‚nichtbeschulbare’ und delinquente Jugendliche in den USA in: Sozialpädagogik 23 1981
- Howard W. Polsky: Cottage Six, New York 1977;
- Claus Otto Ottmüller: Glen Mills Schools - En Modell der Jugendkriminalrechtspflege in den USA Centaurus, Pfaffenweiler 1988
- Dagmar Vieten-Groß: Glen Mills Schools - Eine Alternative zum Strafvollzug für straffällige Jugendliche in Amerika? DVJJ-Journal 156, 1997
- Jens Weidner: Analyse des Beahndlungskonzepts der Einrichtung Glen Mills Schools... (Diplomarbeit bei Colla, Lüneburg) unveröff., 1986
- Jens Weidner, Rainer Kilb, Dieter Kreft (Hrsg.): Gewalt im Griff, Weinheim 1997. ISBN 3-407-55799-X
Weblinks
- Offizielle Homepage der Einrichtung
- IFK Potsdam: Tagungsdokumention zu Glen Mills
- Internetseite der deutschen Glen Mills-Academie
- Internetseite der niederländischen Glen Mills School
Einzelnachweise
- ↑ vgl. "Literatur" Günther 1981
- ↑ Weidner-Bücher zur Konfrontativen Pädagogik
- ↑ DVJJ 2002: Glen Mills Schools
- ↑ Expertise des DJI online; gesehen am 05. November 2011
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