Bourrée

Bourrée
Bourrée zu zweit, Auvergne um 1906

Die Bourrée (franz.) ist ein Hoftanz des französischen Hofes des 16. Jahrhunderts, der im Laufe der nachfolgenden Jahrhunderte zu einem Volkstanz in Zentralfrankreich (Auvergne, Berry, Morvan-Nivernais, Bourbonnais, Limousin) wurde.

Anhand einer falschen Quellenauslegung in dem Standardwerk „Weltgeschichte des Tanzes“ von Curt Sachs (und nachfolgenden Autoren, die sich ohne erneute Prüfung der zitierten Quelle auf ihn berufen), wird in der deutschen Literatur zur Bourrée fälschlicherweise behauptet, sie sei ein aus der Auvergne stammender Volkstanz, der zu einem höfischen Tanz wurde. Die neuere Forschung belegt das Gegenteil – ein ursprünglich höfischer Tanz wurde vom Volk übernommen.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Die Bourrée wurde erstmals von Herorad, dem Leibarzt des jungen Königs Louis XIII., in einem Brief erwähnt. In der Folgezeit kann die Bourrée an verschiedenen Orten nur als höfischer Tanz belegt werden. Die Auvergne wird im Zusammenhang mit der Bourrée zum ersten Mal erst fünfzig Jahre später in Vichy erwähnt: Im Jahr 1665 (Clermont-Ferrand) von Fléchier als städtische Praxis und 1675 im Bourbonnais (Vichy) nach dem Bericht der Madame von Sévigné. Erst im 19. Jahrhundert lassen sich bäuerliche Beispiele von 3/8-Bourrées in der Auvergne belegen.

Musik und Tanz

Die ersten schriftlich überlieferten Bourrées stammen aus dem 17. Jahrhundert und sind in geradem Takt notiert.

Die höfische Bourrée und ihr Grundschritt „pas de bourrée“ findet im 17./18. Jahrhundert als bourrée française im meist auftaktigen und synkopierten, lebhaften 2/2- oder Allabreve-Takt (auch 4/4 und 2/4) Eingang in Ballett, Oper und Suite, wo sie häufig zwischen Sarabande und Gigue eingeschoben wird. Enge Beziehungen bestehen zu Rigaudon und Gavotte.

Johann Sebastian Bach koppelte sie mit einem Double (diminuierende Variation eines Suitensatzes), nach dem die Bourrée wiederholt wird.

Als Volkstanz fand die Bourrée im 19. Jahrhundert auch eine Verbreitung im dreiteiligen Takt.

Anfang der Bourrée aus Opus 1 Nr. 7 von Johann Mattheson

Die missdeutete deutsche Quelle

Der Quellentext, auf den Sachs sich stützt und auf dessen Interpretation des Textes sich andere Autoren berufen, vermutlich ohne den Text selbst gelesen zu haben, ist folgender:

„Alle Tische wurden bedient von Heerscharen von verschiedenen Schäferinnen in goldenen und satinen Tuch und verschiedenen, entsprechend den verschiedenen Trachten aller Provinzen Frankreichs. Diese Schäferinnen, jedesmal, wenn sie von ihren wunderbaren Schiffen herabstiegen (auf denen /den Schiffen/, die von Bayonne bis zu dieser Insel kamen, wurde man immer begleitet von Musik mehrerer Meergötter, die Verse sangen und rezitierten, die immer von den Schiffen ihrer Majestäten handelten) hatten sich jeweils als kleine Gruppe auf je einer separaten Wiese eingefunden, auf den beiden Seiten einer Rasenallee, verlängerte sich bis zum oben erwähnten Saal, und dabei tanzte jede Truppe in der Art ihrer Herkunftsprovinz. Die Poitevines /aus Poitou/ mit ihren Dudelsäcken, die Provenzalen tanzten die Volta zu den Klängen ihrer Zimbeln, Bourgunderinnen und /Frauen/ aus der Champagne mit einer kleinen Oboe, außerdem Geigen und Dorftrommeln; die Bretonen tanzten Passe-Pied und Branles gays [=lustige; aber auch als eine Stilart zu verstehen]; und so alle anderen Provinzen.“

Der Quellentext stammt aus den Memoiren Margaretes von Valois, die als zukünftige Ehefrau Heinrichs IV. von Frankreich und auch als La reine Margot bekannt ist. Sie war zu diesem Zeitpunkt sehr jung und beschreibt in dem Text tatsächlich eine Huldigung der Provinzen der Königin gegenüber. Hier wurde alsor eine Art „public relation“-Fest veranstaltet, mit dem der Hof seine Verbundenheit mit den Provinzen zeigen wollte. Solche Festkonzepte sind wesentlicher Bestandteil der höfischen Politik seit Englands Königin [Elisabeth I] (also der gleichen Epoche), die mit dieser „Politik des Tanzes“ Nachahmer fand.

Das Fest findet in Bayonne im Baskenland statt; weder die Bourrée noch die Auvergne wird erwähnt.

Auch handelt es sich zwar um Tänze und Musik der Provinzen, doch geht es gar nicht um eine volkstümliche Praxis; die „Bergères“ (Schäferinnen), von denen hier die Rede ist, sind keine wirklichen Schäferinnen, sondern – wie damals üblich – adelige Mädchen, die Schäferinnen darstellen, doch in goldenen wertvollen Kleidern. Eine übliche Praxis, nicht nur (aber gerade auch) am Hofe der Medicis.

Das Ganze weist auf die kulturelle Vielfalt in den oberen Schichten des damaligen Frankreich hin, jedoch ist dies kein Volkstanz – dies interessiert die Herrschenden zu dieser Zeit nicht, ebenso auch in keinem Fall die Bourrée, wenn sie tatsächlich ein Tanz der Bauern wäre.

Die Bourrée in der Populärmusik

Johann Sebastian Bachs Bourrée in e-Moll (aus der Lautensuite BWV 996) ist in der Popularmusikszene offenbar besonders beliebt. Nachdem die Progressive-Rock-Band Jethro Tull ein davon inspiriertes Instrumentalstück aufgenommen und 1969 auf dem Album Stand Up veröffentlichte, wurde der Satz mehrfach von anderen Gruppen aufgegriffen, darunter von Led Zeppelin (Live-Aufnahme von Heartbreaker); Paul McCartney nannte es als Inspiration für seinen Song Blackbird[1].

Literatur

  • Curt Sachs: „Eine Weltgeschichte des Tanzes“, Olms, Hildesheim, 3. Auflage 1992 von der Ausgabe 1933, S. 275
  • Marguerite de Valois: „Mémoires, rélation de la fête à Bayonne en 1565“, Verlag Le Mercure de France, 1971 und 1986, 75006 Paris, 26, rue de Condé. Originaltext übersetzt von Corina Oosterveen
  • Corina Oosterveen: „Bourrée, Bourrée, Bourrée“, Verlag der Spielleute, 1999, S. 7-18

Weblinks

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Einzelnachweise

  1. He Can Work It Out - Interview mit McCartney in der Zeitschrift Bass Player.

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