Bovine Virusdiarrhoe

Bovine Virusdiarrhoe
Zungenläsionen des Rindes bei Mucosal Disease, verursacht durch BVDV

Die Bovine Virusdiarrhoe/Mucosal Disease, kurz BVD/MD (ausgelöst durch das Bovine-Virusdiarrhoe-Virus, BVDV), ist ein recht häufiger viraler Krankheitskomplex der Rinder, welchem aufgrund seiner Epidemiologie (sowohl "hit and run" als auch "infect and persist") eine Sonderstellung zukommt. Die Infektion verläuft innerhalb eines Bestandes oft zyklisch. Die Virusdiarrhoe wurde erstmals 1946 beschrieben, die Mucosal disease findet erstmals 1953 in der Literatur Erwähnung. Die gemeinsame Ursache wurde 1959 nachgewiesen. Der Krankheitskomplex ist weltweit verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Formen

Das Virus kann mehrere Krankheitsbilder auslösen, die in Morbidität und Letalität stark voneinander abweichen. In der besonders gefährdeten Gruppe der PI-Tiere betragen beide 100 Prozent.

Bovine Virusdiarrhoe

Die Bovine Virusdiarrhoe, kurz BVD, ist eine Virusinfektion der Rinder, die durch ein Pestivirus aus der Familie der Flaviviridae verursacht wird. Die BVD kommt weltweit vor und zählt zu den wirtschaftlich bedeutendsten Erkrankungen des Rindes. Das Krankheitsbild ist äußerst vielfältig.

Mucosal Disease

Die Mucosal Disease, kurz MD, ist eine immer tödliche Erkrankung meist junger Rinder (3 bis 24 Monate), die durch Erosionen an allen Schleimhäuten charakterisiert ist (siehe Bild). Bemerkenswert ist dabei das Ausbleiben einer Immunreaktion trotz vorhandenem Virus der zytopathischen Form.

Fruchtbarkeitsstörungen

Erfolgt die Infektion bei einem Tier im ersten oder letzten Drittel der Trächtigkeit, kann es zu schweren Fehlbildungen bzw. zum Abort der Frucht kommen. Infektionen mit der zytopathischen Form im zweiten Drittel der Trächtigkeit führt meist zu Abort oder Mumifikation.

Epizootologie

Die Infektion erfolgt entweder horizontal (d.h. von einem anderen Tier) oder vertikal (d.h. intrauterin, schon während der Trächtigkeit vom Muttertier auf das ungeborene Kalb).

Bei einer horizontalen Infektion entwickelt das Tier nach der Ansteckung mit zytopathischem oder nicht zytopathischem BVDV Symptome der BVD, eliminiert das Virus in einer normalen Immunreaktion unter Bildung von Antikörpern und behält eine dauerhafte Immunität ("hit-and-run-Strategie").

Die vertikale Infektion kann erfolgen, wenn sich das Muttertier im zweiten Drittel der Trächtigkeit mit dem nicht zytopathischem BVDV infiziert. Das Virus geht in diesem Fall auf den Fetus über. Da dieser sich in der Phase der Immuntoleranz befindet, erkennt sein Immunsystem das Virus nicht als fremdes Antigen. Es bildet daher keine Antikörper und das Jungtier bleibt lebenslänglich mit dem Virus infiziert und scheidet dieses permanent aus, ohne aber selbst Symptome zu zeigen. Solche PI-Tiere (PI=persistent infiziert) bilden innerhalb der Population ein Virusreservoir ("infect-and-persist-Strategie").

Die Einschleppung in einen Rinderbestand kann auf unterschiedlichen Wegen erfolgen. Häufig erfolgt sie über die Einstellung persistent infizierter Tiere. Auch Infektionen beim Weidegang (gemeinsame Alpung erstträchtiger Rinder!), auf Ausstellungen und Tiermärkten kommen in Frage. Ein weiteres Risiko stellen mangelhafte hygienische Vorkehrungen dar. Hier kommen als Krankheitsvektoren kontaminierte Transportfahrzeuge, Geräte, Kleidung und Futtermittel in Frage. Das Risiko einer Übertragung durch Stechinsekten oder Schädlingen wie Ratten und Mäusen sowie eine Übertragung durch die Luft scheint hingegen gering zu sein.

Vom PI-Tier zum MD-Opfer

Das BVDV kommt wie schon erwähnt in einer zytopathischen und einer nicht zytopathischen Form vor, welche durch Mutation eines Virusgens entstanden sind. Mutiert in einem PI-Tier nun ein Virus von der nicht zytopathischen zur zytopathischen Form, vermehrt es sich in den Schleimhäuten und schädigt diese, was zu den typischen Erosionen der MD führt. Da das Immunsystem das Virus aber nicht als fremd erkennt, bleibt eine Immunreaktion aus, so dass die Krankheit immer tödlich verläuft.

Tests

Nachdem die PI-Tiere die Ansteckungsquelle bilden, müssen diese identifiziert und eliminiert werden. Zur klaren Identifikation des Status eines Tiers ist aber sowohl ein Virusnachweis als auch ein Antikörpernachweis nötig. Dabei sind folgende Ergebnisse möglich:

  • Antikörper und Virus negativ: Gesundes Tier; hatte nie Kontakt mit dem Virus. Kann nicht Mutter eines PI-Tieres sein.
  • Antikörper positiv, Virus negativ: Gesundes Tier; hat BVD durchgemacht. Kälber können PI-Tiere sein!
  • Antikörper positiv, Virus negativ: bei Kälbern: kann ein PI-Tier in der kollostralen Lücke (maternale Antikörper der Mutter maskieren das Virus, daher ist im Bluttest das Virus erst bei älteren Tieren nachweisbar!!) sein!
  • Antikörper und Virus positiv: An BVD erkranktes Tier, das gerade die akute Infektion durchmacht. Wird gesund werden; falls trächtig, besteht die Gefahr eines PI-Kalbs.
  • Antikörper negativ, Virus positiv: PI-Tier. Infektionsquelle für andere Tiere; wird wahrscheinlich irgendwann an MD erkranken oder ist bereits daran erkrankt. Sämtliche Nachkommen sind ebenfalls PI-Tiere.

Zur Erkennung von BVDV in einem Bestand ist neben der Blutuntersuchung auch eine serologische Untersuchung der Milch möglich.

Bekämpfung

Die Bekämpfung basiert auf zwei Säulen:

  • Identifikation und Elimination von PI-Tieren
  • Verhinderung der Neuansteckung von trächtigen Tieren

Es existiert eine Impfung gegen das Virus, die aber bei PI-Tieren natürlich keine Wirkung zeigt. Außerdem kann bei Anwendung der Impfung nicht mehr sicher zwischen infizierten und nicht infizierten Beständen unterschieden werden.

In der Schweiz läuft zur Zeit ein staatlich koordiniertes Ausrottungsprogramm, dass gemäss Plan im Oktober 2009 abgeschlossen sein sollte. [1]

Wirtschaftliche Bedeutung

BVD-MD ist ein wichtiger wirtschaftlicher Faktor, der die Produktivität einer Rinderherde wesentlich reduzieren kann. Insbesondere problematisch ist dabei die gemeinsame Alpung der trächigen Rinder, die dadurch mit hoher Wahrscheinlichkeit mit dem Virus in Kontakt kommen, angesteckt werden und in der Folge PI-Tiere gebären.

Literatur

  • Dirksen/Gründer/Stöber: Innere Medizin und Chirurgie des Rindes. Parey-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8263-3181-8
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