- Buddhastatuen von Bamiyan
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Die Buddha-Statuen von Bamiyan waren die größten stehenden Buddha-Statuen der Welt. Sie befanden sich bis zur Zerstörung durch die Taliban im März 2001 im 2500 Meter hoch gelegenen Tal von Bamiyan (Afghanistan), das den Gebirgszug des Hindukusch von den Koh-i-Baba Bergen trennt, etwa 130 Kilometer westnordwestlich von Kabul liegt und Siedlungsgebiet der Hazara ist.
Inhaltsverzeichnis
Gestaltung
Die Statuen wurden im 6. Jahrhundert aus dem roten Sandstein gemeißelt. Archäologen datieren die Entstehungszeit der kleineren Statue auf die Zeit um das Jahr 500, die große Statue wurde um 550 geschaffen. Die kleine Statue maß etwa 34,5 Meter, die große rund 55 Meter. In der Literatur sind auch davon abweichende Angaben zu finden, was auf die Verwendung unterschiedlicher Maßeinheiten (Fuß/Feet, Meter) und Messmethoden zurückzuführen ist.
Es wird vermutet, dass unter dem Erdboden eine noch größere Darstellung eines liegenden Buddha verborgen liegt, die aber, da sie im Gegensatz zu den in Felsnischen stehenden Statuen der Witterung ausgesetzt war, möglicherweise weitgehend verwittert ist. Der chinesische Mönch Xuanzang (auch Hsüan-Tsang), der das Tal von Bamiyan im Jahr 632 während seiner Reise nach Indien besuchte, erwähnte sie in seinem Bericht und gab ihre Größe mit 1000 Fuß an. Aus Angst vor ihrer Zerstörung sollen die Bewohner von Bamiyan sie nach dem Untergang der Sassaniden im 7. Jahrhundert versteckt haben.
Geschichte
Die Entstehung der Statuen ging zurück auf die Gandhara-Kultur, die sich unter wechselnder Herrschaft seit der Mitte des 1. Jahrtausends v. Chr. gebildet hatte und ein kulturelles Zentrum an der Schnittstelle der Kulturen Indiens im Süden, Chinas im Osten und der Völker im Westen und Nordwesten – nacheinander des Perserreiches der Achämeniden, Alexanders des Großen, Baktriens, Kushanas und der Hephthaliten (Weiße Hunnen) – war. Seit Gandhara Teil des Reiches des indischen Maurya-Königs Ashoka (regierte ca. 268 v. Chr. bis 232 v. Chr.) war, gewann der Buddhismus zunehmend Verbreitung.
Zur Entstehungszeit der Statuen stand das Land unter der Herrschaft der Weißen Hunnen. König Kanishka, der die Region von Bamiyan im 1. Jahrhundert regierte, war selbst zum Buddhismus konvertiert und legte den Grundstein dafür, dass Bamiyan in der Folge zu einem Ziel von Gelehrten und Pilgern wurde. Das Tal lag an der Straße von Baktrien hinab ins Kabul-Tal, am Kreuzungspunkt von Handels- und Pilgerrouten zwischen China und dem persischen und Mittelmeer-Raum – der südlichen Seidenstraße – sowie der wichtigsten Straßenverbindung zwischen Indien und den Handelszentren Zentralasiens wie Samarkand, Buchara und Taschkent. Dies trug sowohl zum kulturellen, wie auch zum materiellen Wohlstand der Region bei, der den Bau der riesigen Statuen erst ermöglichte. In Xuanzangs Reisebericht ist zu lesen, dass die Statuen ursprünglich mit Gold überzogen und Juwelen geschmückt waren.
Entlang der Seidenstraße waren in Zentralasien eine Reihe unterschiedlich großer Siedlungen und Reiche entstanden, die bis zum Vordringen des Islam ab dem 7. Jahrhundert meist buddhistisch geprägt waren. Bamiyan war eine der größeren und beherbergte im 6. Jahrhundert mehrere tausend buddhistische Mönche. In der Felswand, aus der die großen Statuen herausgearbeitet worden waren, befanden sich auch aus dem Fels gegrabene Höhlen in denen die Mönche wohnten und Gebetshallen mit reichhaltigen Fresken und Stuckarbeiten. Rund um die Figuren wurden Gänge und Galerien geschaffen. Ein japanisches Archäologen-Team schätzte die Zahl der Wohnhöhlen auf rund 900. Eine frühere Chronik gab ihre Zahl im gesamten Gebiet um Bamiyan mit 12.000 an.
Zerstörung
Mit der Verdrängung des Buddhismus durch den Islam verloren die Statuen an Bedeutung und wurden schon früh zum Ziel von Zerstörungen (siehe auch Ikonoklasmus), da die Darstellung menschlicher Figuren nicht erwünscht war. So verloren die Statuen zuerst ihren Schmuck, dann die Gesichter und Hände, unter anderem bei Zerstörungsversuchen im 17. Jahrhundert. Vor der Besetzung Afghanistans durch die Sowjetunion im Jahre 1979 war Bamiyan dennoch ein internationales Touristenziel. Während der folgenden Kriege war das Plateau oberhalb der bis zu 100 Meter hohen Felswand mit den Statuen ein immer wieder umkämpfter strategisch wichtiger Ort, von dem aus das südlich gelegene Tal kontrolliert werden konnte. So befanden sich dort nacheinander Stellungen der sowjetischen Truppen, der Mudschahedin und schließlich der Taliban. Die Höhlen wurden als Munitionsdepots verwendet. Im September 1998 zerstörten Taliban das Gesicht des kleineren Buddha. Am 12. März 2001 sprengten Taliban-Milizen auf Anordnung von Mullah Mohammed Omar die Statuen. Zuvor wurde bereits 26 Tage lang vergeblich versucht, die Buddhas durch Beschuss mit Panzern, Geschützen und Raketen zu zerstören. Die Zerstörung konnte trotz vielfältiger Interventionen der UNO und westlicher sowie islamischer Regierungen nicht verhindert werden. Neben den Statuen von Bamiyan wurden auch fast alle buddhistischen Ausstellungsstücke des Museums in Kabul zerstört, die einen unwiederbringlichen Schatz an früher buddhistischer Kunst der Region Gandhara seit dem 1. Jahrhundert v. Chr. darstellten.
Mahnmal oder Wiedererrichtung
Heute liegen die Reste der Statuen in und vor den Nischen, die zum Teil einsturzgefährdet sind. Ob die Statuen wieder aufgebaut werden, wird teils kontrovers diskutiert. Die Bewohner der Region sprechen sich für eine Wiedererrichtung aus. Eine Restaurierung könnte die Skulpturen auch als Kulturdenkmal erhalten oder den Tourismus fördern. Andere Überlegungen gehen dahin, den Ort als Mahnmal menschlicher Barbarei so zu belassen, wie er ist.
Eine Schweizer Gruppe um Peter Bucherer und Bernhard Weber plant, die Statuen wieder aufzubauen, sobald sich die politische Lage in Afghanistan stabilisiert hat. Als Basis sollen die Daten des Kartographen Robert Koska dienen, der die Statuen in den 1970er-Jahren für die Universität Graz vermessen hat.[1]
Seit März 2004 arbeitet ein Restauratorenteam der deutschen Abteilung des International Council on Monuments and Sites (ICOMOS), finanziert vom deutschen Auswärtigen Amt, an der Bergung und der Dokumentation der Felsfragmente. Bei diesen Arbeiten wurden organische Materialien (Stroh, Holzstücke, Stricke) aus dem originalen Lehmverputz der Buddhas dazu verwendet, eine Altersbestimmung mit der Radiokohlenstoffdatierung (C14-Datierung) vorzunehmen. Dabei wurde die Datierung des Entstehungszeitraumes zwischen 500 und 550 bestätigt. Die Felsstücke mit skulpierter Oberfläche werden in einer Lagerhalle vor der Nische des großen Buddha gelagert.[2]
Religiöse Bedeutung
Die größere Statue war ein Bildnis des Buddha Dipankara, also des Buddhas des dem unseren vorangegangenen Zeitalters. Die kleinere Statue stellte den Buddha unseres Zeitalters, den Buddha Shakyamuni (Siddhartha Gautama), dar. Im 11. Jahrhundert beschrieb ein iranischer Reisender die Statuen als Sorch But (auch Surkh But, deutsch „Roter Buddha“) und Khonok But (auch Khing But, deutsch „kalter Buddha“).
Gemäß einer persischen Legende sollen die Statuen den König Solsol und seine Gemahlin Schahmama (Mutterkönigin) darstellen. Unter diesen Namen waren die Buddhas auch in Afghanistan bekannt. Die altiranisch sprechenden Kuschanen und Sassaniden sollen Solsol in der Rolle von Rostam geehrt haben. Onsuri, ein Dichter des 11. Jahrhunderts in Ghazna, schrieb eine in Versform verfasste Liebesgeschichte über Sorch But und Khonok But und das Märchen von Rostam und Sorab.
Zahlensymbolik
Die große Statue misst 53 Einheiten, die kleine die Umkehrzahl davon, 35. Die dritte, liegende, Figur soll 323 Einheiten gemessen haben. Die Quersumme der Ziffern ergibt jeweils 8 – eine in der buddhistischen Symbolik bedeutsame Ziffer, die unter anderem für Vollkommenheit steht (siehe auch Achtfacher Pfad). Da die Quersumme aller Statuen jeweils acht beträgt, sind sie in dieser Weise alle gleichwertig.
Die Entfernung zwischen den beiden Statuen beträgt ca. 800 Einheiten. Weiterhin befinden sich zwischen den beiden großen noch kleinere, ca. acht Einheiten große Figuren. Die Skulpturen können auch als Darstellung der Familie betrachtet werden: der Mann (53), die Frau (35), Kinder (8) und Großeltern (323).
Touristische Bedeutung
Vor dem Bürgerkrieg und der sowjetischen Invasion besuchten jährlich bis zu 100.000 Touristen das Tal von Bamiyan, um die Buddha-Statuen von Bamiyan zu sehen. Damit waren sie die größte Touristenattraktion Afghanistans. Aufgrund der großen Resonanz der Medien auf die Zerstörung konnte der Ort kurz nach Beginn des Afghanistan-Krieges der Vereinigten Staaten und ihrer Verbündeten wieder eine gewisse Bedeutung erlangen.
Literatur
- Roland and Sabrina Michaud: Afghanistan, Karawanen, Basare, Reiterspiele im Lande der Tataren, DuMont Buchverlag, Köln 1979, ISBN 3-7701-1104-4
- Roland and Sabrina Michaud: Afghanistan, Thames and Hudson Inc., New York 10110, 1980, ISBN 0-500-27393-6
- Ghiyasuddin Wat: Afghanistan, Historical and Cultural Quaterly, published by the Historical and Literary Society of Afghanistan Acedemy, Ministry of Information and Culture, No. 4, Vol XXV Kabul March 1973
- Conrad J. Schetter, Almut Wieland-Karimi (Hrsg.): Afghanistan in Geschichte und Gegenwart, Beiträge zur Afghanistanforschung, IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, Frankfurt/M 1999, ISBN 3-88939-498-1
- Bérénice Geoffroy-Schneiter: Ghandara, Das kulturelle Erbe Afghanistans, deutsche Übersetzung Eliane Hagedorn, Knesebeck GmbH & Co. Verlags KG, München 2002, ISBN 3-89660-116-4
- Conrad J. Schetter, Almut Wieland-Karimi (Hrsg.): Afghanistan in Geschichte und Gegenwart, Beiträge zur Afghanistanforschung, IKO-Verlag für interkulturelle Kommunikation, Frankfurt/M 1999, ISBN 3-88939-498-1
Quellen
- ↑ Kay Sadrinna: „Schweizer wollen Buddha-Statuen in Afghanistan wiederaufbauen“, Netzeitung, 20. November 2001
- ↑ Heritage @ Risk 2004/05 – ICOMOS Actions in Afghanistan (PDF)
Weblinks
Eintrag in der Welterbeliste der UNESCO auf Englisch und auf Französisch
- UNESCO-Projekt zum Schutz des kulturellen Erbes in Afghanistan (englisch)
- Statusbericht 2006 des Welterbekomitees, S. 82ff. (englisch)
- „Afghan Cultural Heritage Crisis“ – UNESCO
- Materialsammlung zu den Buddhas von Bamiyan, James Santucci, California State University, Fullerton
Videos, Bilder
- Sprengung der Buddahs
- Panoramaansichten (QuickTime oder Flash Player)
- Filmseite von „The Giant Buddhas“, 2005, von Christian Frei
- Volker Thewalt: Afghanistan 1969-1974 – Fotos aus Bamiyan und dem Museum Kabul
Artikel
- „The hunt for Bamiyan's third Buddha“, BBC, 6. September 2002
- Burkhard Straßmann: „Die Bamian-Buddhas als Punktwolke“, Die Zeit, 24. April 2003, Nr. 18, „Mit dem Verfahren der Fotogrammetrie sollen zerstörte Gebäude und Heiligtümer rekonstruiert werden.“
- Michael Zajonz: „Ein neuer Körper für Buddha“, Der Tagesspiegel, 23. April 2009
34.83201944444467.826727777778Koordinaten: 34° 49′ 55″ N, 67° 49′ 36″ O
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