Bund Neues Vaterland

Bund Neues Vaterland

Der Bund Neues Vaterland war die bedeutendste deutsche pazifistische Vereinigung im Ersten Weltkrieg und wurde am 16. November 1914 gegründet. Er ging aus dem seit Anfang Oktober 1914 bestehenden, von Lilli Jannasch geleiteten, Verlag Neues Vaterland hervor und hatte seinen Sitz in Berlin (Tauentzienstraße Nr. 9). Vorsitzende des Bundes waren Kurt von Tepper-Laski und Georg Graf von Arco. Zu den Mitbegründerinnen gehörte Elisabeth Rotten.

Der Bund versuchte während des Krieges durch persönliche Kontaktaufnahme seiner Mitglieder mit Regierungsvertretern sowie mit internationalen Friedensorganisationen für den schnellen Abschluss eines Friedens zu wirken. Er verschickte entsprechende Denkschriften an einen ausgewählten Kreis. Von Januar bis Mitte März 1915 publizierte der Bund hektographierte Mitteilungen, die von den Militärbehörden verboten wurden. Ab September 1918 erschienen sie wieder in neuer Folge. Ferner wurden, bis zum Verbot 1915, im Rahmen einer Publikationsreihe sechs Broschüren veröffentlicht. In seiner "Kritischen Denkschrift an den Reichskanzler" vom 20. Juni 1915 gegen die Annexionseingabe der sechs Wirtschaftsverbände vom 20. Mai 1915 (siehe Denkschrift der Wirtschaftsverbände 1915) nahm der Bund am klarsten Stellung gegen den Krieg und mögliche Annexionen. Im Bund wurden Themen wie die Stärkung der deutschen Demokratie, die Rolle des Parlaments und die Modernisierung des Wahlrechts diskutiert.

In seinen Satzungen stellte sich der Bund die Aufgabe, "die Diplomatie der europäischen Staaten mit dem Gedanken des friedlichen Wettbewerbs (…) zu erfüllen und eine politische und wirtschaftliche Verständigung zwischen den Kulturvölkern herbeizuführen". Am 7. Februar 1916 untersagte das Oberkommando in den Marken auf Grund des Belagerungszustandes dem Bund für die Dauer des Krieges jede weitere Betätigung. Lilli Jannasch, die als Geschäftsführerin des Bundes wirkte, wurde am 31. März 1916 verhaftet und in "Schutzhaft" genommen. Am 8. Juni 1916 wurde in kleinem Rahmen eine Ersatzgruppe unter dem Namen "Vereinigung Gleichgesinnter" gegründet. Das Betätigungsverbot für den Bund wurde erst im Oktober 1918 aufgehoben.

Ende 1918 gab sich der Bund ein neues Grundsatzprogramm, in dem es hieß: „Der Bund Neues Vaterland ist eine Vereinigung, um ohne Verpflichtung auf ein bestimmtes Parteiprogramm an dem Aufbau der deutschen sozialistischen Republik auf demokratischer Grundlage und darüber hinaus an dem großen Werke der Völkerverständigung mitzuarbeiten“. In den folgenden Jahren kam es zur Freundschaft mit der Französischen Liga für Menschenrechte. Unter ihrem Einfluss benannte sich der Bund am 20. Januar 1922 in Deutsche Liga für Menschenrechte um und wurde mitbegründende Organisation der „Fédération Internationale des Ligues des Droits de l'Homme“.

Die Mitgliederzahl betrug bis 1922 etwa 200 und stieg danach auf über 1.000 an. Mitglieder des Bundes waren u.a. Friedrich Simon Archenhold, Albert Einstein, Ernst Reuter, Leopold von Wiese, Kurt Eisner, Hellmut von Gerlach, Otto Lehmann-Rußbüldt, Ernst Meyer, Friedrich Wilhelm Foerster, Hans Paasche, Stefan Zweig, Ludwig Quidde, Helene Stöcker, Minna Cauer, Clara Zetkin, Elsbeth Bruck, Alfred Hermann Fried, Hans Delbrück, Rudolf Goldscheid, Georg Friedrich Nicolai und Arthur Holitscher.

Die Deutsche Liga für Menschenrechte e.V. besteht auch heute noch, hat seit 1961 ihren Sitz in München und ist mit der Internationalen Liga für Menschenrechte, Sitz Berlin, nicht identisch.

Literatur

  • Dieter Fricke: Bund Neues Vaterland (BNV) 1914-1922. In: Dieter Fricke u.a. (Hg.): Lexikon zur Parteiengeschichte. Die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien und Verbände in Deutschland (1789-1945). 4 Bde., Köln 1983-86, hier: Bd. 1, S. 351-360.
  • Erwin Gülzow: Der Bund „Neues Vaterland“. Probleme der bürgerlich-pazifistischen Demokratie im Ersten Weltkrieg (1914-1918). Diss., Berlin (Ost) 1969.
  • Otto Lehmann-Rußbüldt: Der Kampf der Deutschen Liga für Menschenrechte, vormals Bund Neues Vaterland, für den Weltfrieden 1914-1927. Berlin 1927.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Bund Neues Vaterland — Le Bund Neues Vaterland (littéralement « Union Nouvelle Patrie ») était une organisation pacifiste allemande la plus importante lors de la Première Guerre mondiale fondée le 16 novembre 1914. Elle naît des éditions Neues… …   Wikipédia en Français

  • Bund Neues Vaterland —    See German Peace Society …   Historical dictionary of Weimar Republik

  • Bund der Kriegsdienstgegner — Le Bund der Kriegsdienstgegner (BdK) (en français Union des objecteurs de conscience) était une organisation pacifiste et antimilitariste allemande fondée après la Première Guerre mondiale par des pacifistes radicaux et des objecteurs de… …   Wikipédia en Français

  • Bund entschiedener Schulreformer — Le Bund entschiedener Schulreformer (en français Union des réformateurs scolaires radicaux) est une association pédagogique et pacifiste allemande qui a regroupé jusqu à 800 membres[1]. Une discussion a lieu au sein de l Union des philologues de… …   Wikipédia en Français

  • Bund religiöser Sozialisten — Le Bund religiöser Sozialisten était une association pacifiste de la République de Weimar fondée par Karl Aners aspirant à une réconciliation entre socialisme et christianisme. v · Histoire du mouvement pacifiste allemand jusqu en 1945… …   Wikipédia en Français

  • Bund der Kriegsdienstgegner — Der Bund der Kriegsdienstgegner (BdK) entstand nach dem Ersten Weltkrieg als antimilitaristische Organisation von radikalen Pazifisten und Kriegsdienstverweigerern. Inhaltsverzeichnis 1 Organisation 2 Grundsatzerklärung 3 Politische Schwerpunkte …   Deutsch Wikipedia

  • Bund für deutsches Christentum — Kirchenratswahlen am 23. Juli 1933: Wahlpropaganda mit SA Unterstützung vor der St. Marien Kirche am Neuen Markt in Berlin Die Deutschen Christen (DC) waren eine rassistische, antisemitische und am Führerprinzip orientierte Strömung im deutschen …   Deutsch Wikipedia

  • Im Westen nichts Neues (Film) — Filmdaten Deutscher Titel: Im Westen nichts Neues Originaltitel: All Quiet on the Western Front Produktionsland: USA Erscheinungsjahr: 1930 Länge: 136 Minuten Originalsprache: englisch …   Deutsch Wikipedia

  • Deutscher Bund (Geheimbund) — Der Deutsche Bund war ein Geheimbund, der 1810 unter Führung Friedrich Ludwig Jahns zur Befreiung der deutschen Staaten von der Besatzung Napoleons und zur Einigung der Deutschen gegründet wurde. Inhaltsverzeichnis 1 Vorgeschichte 2 Gründung 3… …   Deutsch Wikipedia

  • Kommunistischer Bund Österreichs — Der Kommunistische Bund Österreichs (KBÖ) war eine an der Politik der Kommunistischen Partei Chinas orientierte Partei, die von 1976 bis 1981 bestand. Er ging aus einem Zusammenschluss des Ende 1972 gegründeten Kommunistischen Bundes Wien mit… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”