Hans Paasche

Hans Paasche
Hans Paasche (1910)

Hans Paasche (* 3. April 1881 in Rostock; † 21. Mai 1920 auf Gut Waldfrieden, Neumark, heute Polen) war ein deutscher Marineoffizier, Reiseschriftsteller, Essayist und Wortführer der bürgerlichen Lebensreformbewegung des frühen 20. Jahrhunderts.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Hans Paasche wurde in eine konservative, großbürgerliche Familie geboren, sein Vater war der Wirtschaftswissenschaftler und Reichstags-Vizepräsident Hermann Paasche, Mitglied der Nationalliberalen Partei. Paasche war Schüler des Berliner Joachimsthalschen Gymnasiums.

Anfang 1900 wählte er die Laufbahn des aktiven Marineoffiziers, er wollte die Welt kennenlernen. Mit der Schutztruppe kam er nach Deutsch-Ostafrika und bekämpfte den Maji-Maji-Aufstand. Es kam zu Konflikten mit seinen Vorgesetzten, weil er die Verluste beider Seiten zu minimieren versuchte. Das bedeutete für seine karrierebewussten Kameraden: Weniger Siegesmeldungen an die Heimat und weniger Orden. Er übte Kritik an der brutalen Kolonialpolitik des Deutschen Reiches und forderte eine menschliche Behandlung der einheimischen Bevölkerung. Er hatte Kisuaheli gelernt, um sich besser mit den Einheimischen verständigen zu können. Eine Malariaerkrankung beendete seinen Dienst in Afrika. 1909 heiratete er Ellen Witting, Tochter des Bankiers Richard Witting und Nichte des Publizisten Maximilian Harden. Die Hochzeitsreise führte beide ins östliche Afrika und an die Quellen des Weißen Nils, Ellen Paasche war die erste Europäerin, die dorthin gelangte. 1909/1910 lebte das Paar am Viktoriasee. Beide schrieben über diese Reise das Buch Die Hochzeitsreise zu den Quellen des Nils, es wurde nie veröffentlicht, das Manuskript ist verschollen.

Im Jahre 1912 gründete Hans Paasche zusammen mit Hermann Popert den reformerischen und abstinenten Deutschen Vortruppbund.[1] Seit dem gleichen Jahr war er Mitherausgeber der Halbmonatszeitschrift Der Vortrupp. Halbmonatsschrift für das Deutschtum unserer Zeit. Dort veröffentlichte er 1912/13, nach dem Vorbild der Lettres Persanes von Montesquieu, den fiktiven, kulturkritschen Reisebericht Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland. Die Briefe wurden schnell populär; 1921, erst nach seinem Tod in Buchform herausgekommen, wurden sie zum Bestseller. Anlass und Namensgeber für den Reisebericht war Lukanga Mukara, ein junger Afrikaner, den Paasche und seine Frau am Viktoriasee kennengelernt hatten. Lukanga war als Junge von der überbevölkerten Insel Ukara zur Nachbarinsel Ukerewe gegangen, hatte dort in der katholischen Mission Unterricht erhalten bevor er floh, um sich später am Hof von Kitara zu verdingen. Paasche lässt seine Kritik an Gesellschaft, Umweltverschmutzung und Kolonialismus den fremden Reisenden in dessen unverblümter Sprache zum Ausdruck bringen.

In Vorträgen versuchte Hans Paasche Verständnis für Afrika und seine Menschen zu wecken. Er warb für Pazifismus, für das Frauenstimmrecht, für Tierschutz und unterstützte die vegetarische Bewegung. Im Jahr 1913 war Hans Paasche einer der Wortführer beim Ersten Freideutschen Jugendtag, einem Treffen der Jugendbewegung auf dem Hohen Meißner in Nordhessen. Er gehörte auch zu dem von Friedrich Muck-Lamberty initiierten „Kreis der Freunde“ um den Naturpropheten Gusto Gräser.

Trotzdem meldete er sich freiwillig zum Ersten Weltkrieg. Sein Rang als Erster Offizier hielt ihn nicht davon ab, gegen den Alkoholkonsum in Heer und Marine zu protestieren und Kameradschaft auch mit Untergebenen zu pflegen. Seine Erkenntnis, dass sich das Deutsche Reich keineswegs in einem Verteidigungskampf gegen aggressive Feinde befand, führte ihn zunehmend in Opposition zur Militärführung, er machte kein Hehl aus seiner pazifistischen Einstellung. Das führte 1916 zur unehrenhaften Entlassung aus dem Militärdienst. Er zog sich, inzwischen Vater von vier Kindern, auf sein Gut Waldfrieden zurück und schrieb weiter, im Rahmen der Zensur, gegen den Krieg. Mit den französischen Kriegsgefangenen, die bei ihm arbeiteten, feierte er am 14. Juli die Erinnerung an die Französische Revolution und hisste die französische Flagge. Eine Denunziation führte im Herbst 1917 zu seiner Verhaftung. Vor dem Untersuchungsrichter gab er zu Protokoll, was er später unter dem Titel Meine Mitschuld am Weltkriege veröffentlichte. Um die drohende Anklage wegen Hochverrats und die Verhängung der Todesstrafe zu verhindern, ließ ihn sein Vater in eine Nervenklinik einweisen. Dort befreiten ihn am 9. November 1918 revolutionäre Matrosen und fuhren ihn direkt in den Reichstag, wo er in den Vollzugsrat der Arbeiter- und Soldatenräte gewählt wurde, an der Seite der USPD. Er forderte neben radikaldemokratischen, sozialistischen Änderungen als Mitglied des Vollzugsrates von Berlin den Abriss der Siegesallee samt Siegessäule. Der Tod seiner Frau an der Spanischen Grippe zwang ihn zum Rückzug auf sein Gut, wo er sich um seine vier Kinder kümmerte und weiterhin politische Schriften verfasste: „Dein feldgrauer, animalischer Gehorsam hat das Elend, die Trauer und Kraftlosigkeit dieser Zeit hervorgebracht. Und du sprichst nur von deutschen Interessen, bevor du einmal die Tränen der Verzweiflung mitgeweint hast, die die ganze Menschheit weinen muss beim Anblick der Landstriche, in denen wir Siegfried- oder Hindenburgstellung spielten. Die Welt steht dir nicht offen, bevor du Mensch wirst.“

Am 21. Mai 1920 wurde er von rechtsgerichteten regierungnahen Truppen der Freikorps auf seinem eigenen Grundstück beim Fischen vor den Augen seiner Kinder „auf der Flucht erschossen“. Er war bekleidet mit Badehose und Jacke und trug Sandalen. Kurt Tucholsky schrieb über ihn: „Wieder einer. Ein müder Mann, / der müde über die Deutschen sann. / Den preußischen Geist – er kannte ihn / aus dem Heer und aus den Kolonien, / aus der großen Zeit – er mochte nicht mehr. / Er hasste dieses höllische Heer. / Er liebte die Menschen. Er haßte Sergeanten. / … Ein toter Mann. Ein Stiller. Ein Reiner. / Wieder einer. Wieder einer.“ [2]

Gerhart Hauptmann gestaltete den Mord an Paasche im Dritten Abenteuer seines Till Eulenspiegel. Seinen Till lässt er klagen: „Hör es, Sonne! Und höre es, Wald! Auch du, Erde, vernimm es! / Hört und rächt es, ihr Tiere und Geister des Feldes! Sie haben / meinen Bruder, den Evangelisten des Herrn Herrn erschlagen!“[3]

Paasche als Gesellschaftskritiker

Die Reiseerlebnisse in Afrika hatten einen nachhaltigen Einfluss auf ihn. Sie ließen ihn zu einem entschiedenen Kritiker des westlichen Fortschritts-Konzepts werden. Paasche kehrte in seinem Buch über den Lukanga Mukara die Arroganz europäischen Denkens bei der Betrachtung anderer Kulturen einfach um und verdeutlichte damit den absolut geltenden Wertemaßstab der rein an Mengenwachstum sich ausrichtenden Industriegesellschaft. Diese Art der Kritik war neu und machte ihn mit einem Schlag bekannt.

Werke

  • 1907 Im Morgenlicht. Kriegs-, Jagd- und Reise-Erlebnisse in Ostafrika
  • 1912/1913 Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland.[4] Donat Verlag, Bremen 1996. Nach der 7. Auflage von 1927 mit einem Nachwort von Iring Fetscher, ISBN 3-922708-46-3. Auch: Der Grüne Zweig 46, Werner Pieper, Löhrbach 1998.
  • 1912-1914 Der Vortrupp - Halbmonatsschrift für das Deutschtum unserer Zeit
  • 1914 Fremdenlegionär Kirsch - Eine abenteuerliche Fahrt von Kamerun in die deutschen Schützengräben in den Kriegsjahren 1914/15
  • 1992 Ändert Euren Sinn. Schriften eines Revolutionärs Posthume Schriften, ISBN 3-924444-49-8.
  • 2009 Bericht einer Reise von Hans Paasche nach Ostafrika 1906. In: Ulrich van der Heyden (Hrsg.): Kolonialer Alltag in Deutsch-Ostafrika in Dokumenten. ISBN 978-3-89626-844-0.

Einzelnachweise

  1. Christian Niemeyer: Nietzsche, die Jugend und die Pädagogik: eine Einführung, Juventa Verlag, 2002, S. 137
  2. Kurt Tucholsky als Theobald Tiger: Paasche, in Die Weltbühne Nr. 23 S. 659 vom 3. Juni 1920
  3. Gerhart Hauptmann: Till Eulenspiegel. In: Das erzählerische Werk. Propyläen-Verlag, Frankfurt/M, Berlin 1964, Band 4, S.178
  4. Die Forschungsreise des Afrikaners Lukanga Mukara ins innerste Deutschland beim Projekt Gutenberg-DE

Literatur

  • Werner Lange: Hans Paasches Forschungsreise ins innerste Deutschland. Eine Biographie. Mit einem Geleitwort von Helga Paasche. Donat, Bremen 1984, ISBN 3-924444-02-1.
  • Werner Lange: Hans Paasche: Militant Pacifist in Imperial Germany. Ebookslib, 2005, ISBN 1-4120-5246-7.
  • Helmut Donat (Hrsg.): Auf der Flucht erschossen …. Schriften und Beiträge von und über Hans Paasche. Donat Verlag, Bremen 1981, ISBN 3-924444-02-1.
  • Toubab Pippa: Es ist zweifelhaft, ob es überhaupt Feinde gibt - Hans Paasch und der Lukanga Mukara. Der Grüne Zweig 269, Grüne Kraft, Löhrbach 2009, ISBN 978-3-925817-69-4

Weblinks

 Wikisource: Hans Paasche – Quellen und Volltexte

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