- Böhmische Hofkanzlei
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Mit Böhmischer Hofkanzlei wird zum einen eine Behörde bezeichnet, welche von 1527 bis 1749 bestand, zum anderen ihr ehemaliger Amtssitz am Judenplatz in der Wiener Innenstadt, der heute den österreichischen Verfassungsgerichtshof und den österreichischen Verwaltungsgerichtshof beherbergt.
Inhaltsverzeichnis
Die Behörde
Da die böhmischen Stände eine von der österreichischen Kanzlei abgesonderte Einrichtung gewünscht hatten, wurde 1527 die Böhmische Hofkanzlei von Ferdinand I. errichtet, der im selben Jahr zum böhmischen König gekrönt worden war. Sitz dieser Hofkanzlei war zuerst der Hradschin in Prag. Berühmtheit erlangten diese Räumlichkeiten insbesondere durch den Zweiten Prager Fenstersturz, der hier 1618 stattfand.
Nach Niederschlagung des Böhmischen Aufstandes in der Schlacht am Weißen Berg 1620 wurde die Hofkanzlei nach Wien verlegt und allein dem böhmischen König unterstellt. Ihr Aufgabengebiet wurde beträchtlich erweitert, in der Hofkanzleiordnung von 1719 wurde sie sowohl als „unser königliches und landesfürstliches allerhöchstes Gericht“ als auch als „unsere letzte und höchste königliche Stelle“ bezeichnet. Die Hofkanzlei vereinigte alle Verwaltungs- und Justizaufgaben in ihrer Hand.
Als Ausdruck des böhmischen Partikularismus innerhalb der Habsburgermonarchie war die Böhmische Hofkanzlei bzw. ihr letzter Oberstkanzler Friedrich Graf Harrach ein erbitterter Feind der Zentralisierungsbestrebungen, die von Maria Theresias Berater Friedrich Wilhelm Graf Haugwitz ausgingen. Letztlich aber konnte Haugwitz obsiegen, und 1749 wurde die Böhmische Hofkanzlei aufgelöst, ihre Aufgaben sowie jene der zugleich aufgelösten Österreichischen Hofkanzlei wurden zwei neuen Behörden übertragen: dem Directorium in publicis et cameralibus sowie der Obersten Justizstelle.
Das Palais
Das Palais der Böhmischen Hofkanzlei wurde 1709–1714 nach Plänen von Johann Bernhard Fischer von Erlach auf der Wipplingerstrasse errichtet. Es war der erste Bauauftrag für Fischer in Wien nach einer fast zehnjährigen Pause. Sein letztes Palais war das Palais Batthyány in der Renngasse gewesen, welches in spätbarockem Stil gehalten war. Mit der Böhmischen Hofkanzlei machte Fischer eine Kehrtwendung zurück zum Hochbarock bzw. zur antiken Formensprache, wobei auch sein langjähriger Italien-Aufenthalt wichtige Impulse gegeben hat, möglicherweise auch eine 1704 nicht sicher stattgefundene Englandreise. So lässt insbesondere die vertikale Gliederung des Palais in drei Teile zu je drei Achsen ein palladianisches Schema erkennen. Doch wurde die kühle palladianische Gliederung durch reichen plastischen Schmuck mehr als aufgewogen. Insbesondere der Mittelteil, der zu einem Risalit mit Giebel ausgestaltet war, ließ auch mehrfach die ursprüngliche Zweckwidmung des Palais erkennen: durch einen Löwen (als dem böhmischen Wappentier), der auf dem Giebel thront, durch einen Löwenkopf, der das Eingangstor bewacht, sowie durch die Wappen der böhmischen Länder über dem Piano Nobile. Steinmetzaufträge erhielten die Meister Giovanni Battista Passerini und Hans Georg Haresleben aus Kaisersteinbruch, harter Kaiserstein wurde insbesondere für die Löwen-Stiege verwendet.
Nach der Staatsreform von 1749 (siehe oben) bezogen die neuen, auch für die österreichischen Länder zuständigen Behörden, Quartier im Fischer'schen Palais, das sich rasch als viel zu klein herausstellte. So wurden die restlichen Parzellen des Häuserblocks parallel zum Judenplatz hin aufgekauft und Matthias Gerl mit der Erweiterung des Palais beauftragt. In den Jahren 1751–1754 verdoppelte Gerl das Palais nach Westen hin symmetrisch, sodass das Palais in seiner ursprünglichen Hauptfront zur Wipplingerstraße nunmehr zwanzig Achsen mit zwei giebelbekrönten Risaliten aufweist. Besonderes Augenmerk schenkte Gerl aber auch der Rückfront, die nunmehr in den Judenplatz hineinragte und so einen weit besseren Blick bot als die Hauptfront. Sie wurde mit 22 Achsen und insgesamt drei Risaliten ausgeschmückt, wovon nur die beiden äußeren giebelbekrönt waren. Steinmetzmeister Johann Michael Strickner aus Kaisersteinbruch lieferte die Stiegenstaffel für die Putten-Stiege.
Weitere Umbauten erfolgten im 19. Jahrhundert, u.a. wurde das Innere 1895/96 durch Emil von Förster neu gestaltet und erhielt damals im Wesentlichen sein heutiges Aussehen. 1945 wurde das Palais durch eine Fliegerbombe schwer beschädigt. Die Wiederaufbauarbeiten unter Erich Boltenstern wurden zu weiteren Adaptierungen benutzt, u.a. wurde damals die Fußgängerpassage in der Wipplingerstraße eingerichtet. Die Eingangstore zur Wipplingerstraße wurden damit funktionslos, heute betritt man das Palais über die Tore zum Judenplatz bzw. zur Jordangasse.
Literatur
- Thomas Olechowski: Der österreichische Verwaltungsgerichtshof: Geschichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Österreich - das Palais der ehemaligen Böhmisch-Österreichischen Hofkanzlei. Verlag Österreich, Wien 2001. (S. 79-113) ISBN 3-7046-1689-3
Weblinks
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48.21166666666716.370277777778Koordinaten: 48° 12′ 42″ N, 16° 22′ 13″ OKategorien:- Österreichische Geschichte
- Palais in Wien
- Barockbauwerk in Wien
- Erbaut im 18. Jahrhundert
- Erbaut in den 1710er Jahren
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