Bürgerausschuß

Bürgerausschuß

Der Bürgerausschuss (damals Bürgerausschuß bzw. Bürger-Ausschuß geschrieben) war ein kommunalpolitisches Gremium, das im 19. Jahrhundert in den Gemeinden des Königreichs Württemberg, des Großherzogtums Baden, in den Hansestädten Hamburg und Lübeck, sowie in Schwerin existierte.

In Lübeck gab es im bereits im Mittelalter Bürgerausschüsse, die jedoch eine andere Funktion hatten.

Inhaltsverzeichnis

19. Jahrhundert

Württemberg

In den Jahren 1816 bis 1822 nahm König Wilhelm I. eine grundlegende Reformierung der württembergischen Gemeindeverfassung vor. Hierbei wurde dem Gemeinderat eine zweite Kammer, der Bürgerausschuß (anfangs auch unter der Bezeichnung Gemeindedeputation) als Kontrollgremium und Vertretung der Bürgerschaft zur Seite gestellt. Durch Gesetz vom 15. März 1919 wurden die Bürgerausschüsse abgeschafft.

Hansestädte

In den Hansestädten Lübeck und Hamburg wurden ebenfalls im 19. Jahrhundert Bürgerausschüsse eingeführt. Diese standen allerdings nicht selbständig neben, sondern unter der Bürgerschaft (dem Stadtparlament). Es handelte sich aber auch nicht um einen einfachen Ausschuss der Bürgerschaft, sondern um ein eigenständiges Verfassungsorgan. Die Bürgerausschüsse wurden von der Bürgerschaft aus deren Mitte gewählt, in Lübeck gehörten dem Bürgerausschuss 30 der 120 Bürgerschafts-Mitglieder an. In weniger bedeutenden Fragen konnte der Bürgerausschuss an Stelle der Bürgerschaft entscheiden.

In Lübeck wurde der Bürgerausschuss 1849, in Hamburg 1860 eingeführt. In Bremen existierte ein ähnliches Gremium unter der Bezeichnung Bürgeramt. Während diese Gremien in Lübeck und Bremen schon in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts abgeschafft wurden, existierte der Bürgerausschuss in Hamburg bis zur Verfassungsreform von 1996.

Schwerin

In Schwerin wurde 1832 ein 30köpfiger Bürgerausschuss eingerichtet, der als Vertretung der Bürger neben dem aus 9 Senatoren bestehenden Magistrat die Politik der Stadt bestimmte.

Mittelalter und frühe Neuzeit

In Lübeck wie in anderen Städten mit lübschem Recht war es im Mittelalter üblich, dass wichtige Beschlüsse wie die Erhebung von Steuern nicht ohne Genehmigung durch die Bürger gefasst werden durften. Meist berieten sich die Ratsherren zu diesem Zweck mit den sogenannten "besten Bürgern", die dem Rat nahestanden. Nur wenn die Bürger mit dieser Vorgehensweise nicht einverstanden waren, wählte die "Gemeine", d.h. die Versammlung aller Bürger, einen Ausschuss, der meist paritätisch aus Kaufleuten, die Ratsmitglieder werden durften, und Handwerkern, denen der Rat verschlossen blieb, bestand. Diese "verordneten Bürger" verhandelten mit dem Rat über die Höhe der Steuern und Gegenleistungen des Rats. Waren die Verhandlungen erfolgreich verlaufen, löste sich der Ausschuss meistens wieder auf. Als in den Jahren der Reformation Steuererhöhungen wegen der Kosten des Krieges gegen Christian II. und der vom Kaiser Karl V. geforderten Türkensteuer notwendig waren, sahen die Bürger die Gelegenheit gekommen, im Gegenzug evangelische Prediger zu verlangen. Die Weigerung des Rats unter Bürgermeister Nikolaus Brömse schaukelte die Forderungen immer höher, bis schließlich 1530 der Ausschuss als eine Art Gegenregierung da stand, an deren Spitze Jürgen Wullenwever stand. Mit der verheerenden Niederlage in der Grafenfehde und der Restaurierung des alten Rats 1535 wurden Bürgerausschüsse für die Zukunft verboten.

In Paderborn gab es im 16. Jahrhundert einen 40köpfigen Bürgerausschuss, der auch Vierziger-Ausschuss genannt wurde.

Literatur

zu: Württemberg und Baden

  • Marzel Nordmann: Der Bürgerausschuss nach der badischen Gemeinde- und Städteordnung, unveröff. Diss. Freiburg 1924
  • Alfred Dehlinger: Württembergs Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute, Band I, 1954, S. 270 u. 272
  • Fritz Klemm: Die Württembergische Gemeindeverfassung von 1822 und ihre Vorläufer, unveröff. Diss. Tübingen 1976
  • Wolfgang Leiser: Die Einwohnergemeinde im Kommularecht des Großherzogtums Baden, in: Kommunale Selbstverwaltung - Idee und Wirklichkeit, hrsg. v. Bernhard Kirchgässner u. Jörg Schadt, 1983 (ISBN 3-7995-6410-1), S. 46
  • Hartmut Zoche: Die Gemeinde - ein kleiner Staat? Motive und Folgen der großherzoglich-badischen Gemeindegesetzgebung 1819-1914, 2 Bde. 1986, ISBN 3-8204-9487-1 (zugl. Diss. Freiburg 1985)
  • Rupert Hourand: Die Gleichschaltung der badischen Gemeinden 1933/34, unveröff. Diss. Freiburg 1985, S. 22f u.a.

zu: Hansestädte und Schwerin

  • Das Staatsrecht der Freien und Hanse-Städte. Hamburg, Lübeck, Bremen. (Handbuch des öffentlichen Rechts der Gegenwart, Bd. 3, Hbd. 2, Abt. 3), 1884, S. 22ff, 48f
  • Friedrich Bruns: Verfassungsgeschichte des Lübeckischen Freistaates 1848-1898, 1898
  • Wilhelm Brückner: Staats- und Verwaltungsrecht der freien und Hansestadt Lübeck, 1909, S. 42-48
  • Johannes Bollmann: Das Staatsrecht der Freien Hansestädte Bremen und Lübeck, 1914, S. 61-65
  • Michael Dunkelberg: Der Bürgerausschuß in der Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg, unveröff. Diss. 1980
  • Detlef Gottschalck: Die Hamburgische Bürgerschaft : eine Untersuchung ihrer verfassungsrechtlichen Stellung nach der Verfassung von 1952, 1993 (ISBN ISBN 3-428-07846-2) (zugl. Diss. Hamburg 1993)
  • Klaus David: Verfassung der Freien und Hansestadt Hamburg. Kommentar, 1994 (ISBN 3-415-01905-5), S. 425-468
  • Bernd Kasten: Bürgerausschuß und Magistrat der Residenzstadt Schwerin im Gefolge der Revolution von 1848, in: Mecklenburgische Jahrbücher, Jg. 114.1999, S. 169-182

zu: Lübeck im Mittelalter

  • Lübeckische Geschichte, hrg. von Antje Grassmann, Lübeck 1997 3. Aufl., S. 216ff (ISBN 3-7950-3215-6)

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