GFAJ-1

GFAJ-1
Normaler Wuchs von GFAJ-1 auf phosphathaltigem Medium

GFAJ-1 ist ein extremophiler Bakterienstamm, der aus dem Mono Lake in Zentralkalifornien isoliert wurde. Am 2. Dezember 2010 berichteten die Entdecker bei einer Pressekonferenz der NASA, das Bakterium sei in der Lage, Arsen an Stelle von Phosphor in Biomoleküle, insbesondere auch seine DNA, einzubauen. In der Folge wurde von verschiedenen anderen Wissenschaftlern bezweifelt, dass diese Annahme auf Grund der vorliegenden Daten gerechtfertigt ist.

Inhaltsverzeichnis

Entdeckung

Der Mono Lake erfordert wegen seines hohen Salz- und Arsengehalts spezielle Anpassungen von Lebewesen. Fische können dort nicht überleben.

Der Mono Lake war als Ausgangspunkt für die Suche nach Extremophilen gewählt worden, da der See sehr arsenhaltig ist und deshalb dort ein Vorkommen von an diese Bedingungen angepassten Mikroorganismen wahrscheinlich erschien. Aus dem See entnommene Proben wurden auf Nährmedien mit zunehmenden Arsenatkonzentrationen kultiviert und daraus der Stamm GFAJ-1 isoliert. Die Arbeiten wurden von einer Gruppe von Wissenschaftlern an verschiedenen Forschungsinstituten der USA im Auftrag der NASA durchgeführt. Koordiniert und finanziert wurde das Projekt vom NASA-Astrobiologie-Institut am Ames Research Center, die Forscher selbst kamen vom U.S. Geological Survey, der Arizona State University, dem Lawrence Livermore National Laboratory, der Duquesne University und dem Stanford Synchrotron Radiation Center des SLAC. Die Leitung hatte Felisa Wolfe-Simon.

Merkmale

GFAJ-1 ist nach Sequenzanalysen der 16S rRNA ein Gammaproteobacterium aus der Familie der Halomonadaceae. Es kann in aerober Kultur bei einem pH-Wert von 9,8 mit Glukose als Kohlenstoffquelle, Vitaminen und Spurenelementen bei 40 mmol/l Arsenat und etwa 3 μmol/l Phosphat wachsen, auch wenn das Wachstum in Anwesenheit von höheren Phosphatkonzentrationen schneller ist. In Anwesenheit von Arsenat wachsen die Bakterien stäbchenförmig mit einer Länge von etwa zwei Mikrometer, einem Durchmesser von etwa einem Mikrometer und weisen etwa das anderthalbfache Volumen von auf phosphathaltigem Nährmedium angezogenen Bakterien auf, was auf die Bildung einer vakuolenähnlichen Struktur in den Zellen zurückzuführen sein könnte.

Entsprechend der Analyse der 16S rRNA-Sequenzen ist GFAJ-1 nah verwandt mit anderen moderat halophilen (salzliebenden) Bakterien der Familie Halomonadaceae. In einem Kladogramm wird der Stamm inmitten verschiedener Vertreter der Gattung Halomonas platziert, darunter H. alkaliphila und H. venusta, obwohl er nicht explizit in diese Gattung einsortiert wurde.





Escherichia coli strain O157:H7


     



Halomonas alkaliphila


     

Halomonas venusta strain NBSL13


     

GFAJ-1


     

Halomonas sp. GTW


     

Halomonas sp. G27



     

Halomonas sp. DH77


     

Halomonas sp. mp3




     

Halomonas sp. IB-O18


     

Halomonas sp. ML-185






Möglicher Einbau von Arsen in Biomoleküle

GFAJ-1 auf arsenathaltigem Medium

Chemische Analysen wiesen nach, dass Bakterien, die in arsenathaltigem und nahezu phosphatfreiem Nährmedium angezogen wurden, noch sehr geringe Mengen Phosphat enthalten. Die geringen Mengen Phosphat wären aber für einen normalen Stoffwechsel möglicherweise nicht ausreichend. Arsen konnte bei genaueren Analysen in unterschiedlichen Fraktionen der Bakterien wiedergefunden werden, darunter vor allem in den nukleinsäure- und proteinhaltigen Fraktionen. Auch durch Massenspektrometrie (NanoSIMS) wurde Arsen in Fraktionen nachgewiesen, welche genomische DNA und RNA der Bakterien enthielten. Dies wurde interpretiert als Einbau von Arsen in die Nukleinsäuren. Ein direkter Nachweis eines Einbaus von Arsen in die bakterielle DNA steht zurzeit noch aus. Sollte sich ein Einbau bestätigen, wäre GFAJ-1 nicht nur in der Lage, in Anwesenheit hoher Arsenatkonzentrationen zu überleben, sondern könnte dieses bei Phosphatmangel auch als Phosphatersatz in Makromoleküle einbauen, auch wenn dies mit einem verminderten Wachstum einhergeht. Die Autoren der Studie bezeichneten dies als ersten Beleg für eine alternative Biochemie, bei der andere Elemente in den Grundbausteinen einer Zelle verwendet werden als in anderen Lebewesen.[1] Einige Wissenschaftler betonten auch die mögliche Bedeutung einer solchen Entdeckung für die Exobiologie, da die bisher nur theoretisch vermutete Möglichkeit solcher biochemischer Flexibilität auch für die Definition der Ziele bei der Suche nach möglichem außerirdischen Leben von Bedeutung sei.[2]

Kritik

Mehrere Biochemiker und Mikrobiologen äußerten öffentlich Zweifel an den Ergebnissen der Studie, darunter Johann Heider (Universität Marburg)[3], Steven A. Benner (University of Florida)[4][5], Alex Bradley (Harvard University)[6] und Rose Redfield (University of British Columbia)[7]. Die Kritik zielt dabei vornehmlich auf einen fehlerhaften Messaufbau, mögliche Messfehler, Überinterpretation der Daten, mangelndes Verständnis der chemischen Abläufe und die postulierte Inkorporation von Arsenaten in die DNA. Die von den Autoren der Originalpublikation selbst erwähnten Spuren von Phosphat in den Selektionsmedien hätten nach Einschätzung der Kritiker bereits für einen normalen Phosphathaushalt der Bakterien ausreichen können. Zudem wären tatsächlich mit Arsenat gebildete Bindungen in DNA bei der verwendeten Untersuchungsmethode zwingend zerstört worden, so dass die gefundenen Stränge ganz normale, auf Phosphat beruhende DNA sein müssen. Das gemessene Arsenat wäre dann als Verunreinigung des Trägermaterials zu erklären.[6]

Eine Arbeitsgruppe der University of Missouri und der Universität Kairo stellte in einer Betrachtung der kinetischen Konsequenzen der Substitution der Phosphor-Diester im DNA-Strang durch Arsen-Diester fest, dass letztere bei einer Wassertemperatur von 25 °C eine geschätzte Halbwertzeit zum Zerfall durch spontane Hydrolyse von nur 0,06 Sekunden im Vergleich zu der Halbwertzeit der Phosphor-Diester von etwa 30.000.000 Jahren haben. Eine solch große Instabilität im genetischen Material halten sie für ausgeschlossen.[8]

Im Mai 2011 veröffentlichte Science acht Antworten auf die ursprüngliche Publikation, in denen den Forschern mangelhafte Reinigung der Proben und unerklärliche Diskrepanzen in der Aufbereitung der Ergebnisse vorgeworfen wurden.[9] In einem weiteren Kommentar erklärte das Forscherteam der ursprünglichen Veröffentlichung die Methodik ihrer Untersuchungen, ging auf Kritik ein und bekräftigte, dass die Grundannahme der Substitution von Phosphat durch Arsen aufrechterhalten würde.[10] Ab sofort stünden Proben des Bakteriums auch anderen Forschergruppen zur Verfügung.

Literatur

  • Felisa Wolfe-Simon, Jodi Switzer Blum, Thomas R. Kulp, Gwyneth W. Gordon, Shelley E. Hoeft, Jennifer Pett-Ridge, John F. Stolz, Samuel M. Webb, Peter K. Weber, Paul C. W. Davies, Ariel D. Anbar, Ronald S. Oremland: A Bacterium That Can Grow by Using Arsenic Instead of Phosphorus. In: Science, 2010; doi:10.1126/science.1197258.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. NASA-Funded Research Discovers Life Built With Toxic Chemical auf der Homepage der National Aeronautics and Space Administration (englisch)
  2. N. Weber und A. Bojanowski: Nasa entdeckt spektakuläre Lebensform. bei Spiegel Online vom 2. Dezember 2010
  3. Deutschlandfunk: Forschung aktuell – Kritik an Arsen-Bakterien-Fund, Sendung vom 3. Dezember 2010 (auch als Audio on demand, Laufzeit 2:58 min)
  4. Astrobiology online vom 2. Dezember 2010 [1]
  5. Nature News vom 2. Dezember 2010 [2]
  6. a b US-Scienceblogs vom 5. Dezember 2010 [3]
  7. Rose Redfield im eigenen Research Blog vom 4. Dezember 2010[4]
  8. Mostafa I. Fekry, Peter A. Tipton, Kent S. Gates: Kinetic Consequences of Replacing the Internucleotide Phosphorus Atoms in DNA with Arsenic. ACS Chemical Biology 2011, 6 (2); S. 127–130. (Abstract)
  9. Bruce Alberts: Editor's Note, Science, 27. Mai 2011
  10. Felisa Wolfe-Simon, Jodi Switzer Blum, et al.: Response to Comments on “A Bacterium That Can Grow Using Arsenic Instead of Phosphorus”, Science, 27. Mai 2011

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