Marcopolo (Satellit)

Marcopolo (Satellit)

Die Satelliten Marcopolo 1 und Marcopolo 2 waren zwei Fernsehsatelliten für den Fernsehdirektempfang. Sie nutzten die auf der Funkverwaltungskonferenz WARC-77 dem Vereinigten Königreich für seine Rundfunksatelliten zugeteilten fünf Frequenzen, für je ein Fernsehprogramm oder mehrere Radioprogramme pro Frequenz, auf der Orbitalposition 31° West.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Für Rundfunksatelliten wurde auf der WARC-77 die Vergabe des BSS-Bandes von 11,7-12,5 GHz beschlossen. Dieses war wiederum in ein unteres (11,7-12,1 GHz) und ein oberes Halbband (12,1-12,5 GHz) geteilt. Normalerweise bekam ein Staat, wie auch hier, seine fünf Frequenzen in einem Halbband zugeteilt. Weil das Vereinigte Königreich ein westeuropäischer Staat ist, wurden ihm zusammen mit vier anderen westeuropäischen Staaten (Irland, Island, Portugal, Spanien) auf der Funkverwaltungskonferenz WARC-77 für seine Rundfunksatelliten auf der Orbitalposition 31° West fünf Frequenzen zugeteilt. Die zugeteilten Frequenzen waren linksdrehend polarisiert. Es waren im unteren Halbband die Kanäle 4, 8, 12, 16, 20[1]. Damit waren nur 25 der auf dieser Orbitalposition zur Verfügung stehenden 40 Frequenzen von 27 MHz Bandbreite an europäische Staaten vergeben worden. Die 40 je 27 MHz breiten Frequenzen passten nur in den Bereich von 11,7-12,5 GHz, weil aufeinander folgende Kanäle entgegengesetzt polarisiert waren und so auf 19,18 MHz zusammenrücken konnten.

Ausschreibung

Im Vereinigten Königreich wurden die direktstrahlenden Fernsehsatelliten nicht - wie in Westdeutschland und Frankreich - im Auftrag des Staates gebaut und von den zuständigen Behörden betrieben, sondern es wurde eine Lizenz für den Betrieb von Satelliten auf den dem Vereinigten Königreich zugeteilten Frequenzen auf der Position 31° West von der zuständigen Independent Broadcasting Authority (IBA) ausgeschrieben[2].

Eine Lizenzbedingung war der Einsatz der neuen Fernsehnorm D-MAC[2]. Den Satelliten dagegen musste der Lizenznehmer selbst auswählen und kaufen.

Diese Ausschreibung erfolgte erst 1986-87 (während die TV-SAT- und TDF-Satelliten bereits seit 1979 entwickelt wurden) und wurde von British Satellite Broadcasting gewonnen. Ebenfalls beworben hatte sich Rupert Murdoch. Dieser startete daraufhin, noch vor der Inbetriebnahme der Marcopolo-Satelliten, sein Sky Television mit vier Programmen auf Astra 1A.[3]

Technische Beschreibung

Satellite Broadcasting bestellte bei Hughes (heute Boeing Satellite Systems) zwei auf dem bewährten spinstabilisierten Satellitenbus HS 376 basierende Satelliten. Diese waren deutlich kleiner und leichter als die auf dem Spacebus 300 basierenden TV-SAT, TDF und Tele-X. Jeder der beiden Satelliten hatte in Startkonfiguration einen Durchmesser von 2,16 m und war 2,7 m hoch. In der geostationären Umlaufbahn, wenn die Antenne entfaltet war und der äußere zylindrische mit Solarzellen belegte Mantel nach unten gefahren war[4], waren die Satelliten 7,2 m hoch.[5] Marcopolo 1 wog beim Start 1.220 kg und zu Beginn in der geostationären Umlaufbahn auf 31°W 660 kg[6]. Marcopolo 2 wog zu Beginn in der geostationären Umlaufbahn mit 662 kg noch 2 kg mehr[5]. Das NDSSC erwähnt allerdings ein Gewicht von 679 kg, und dass die geplante Lebensdauer 10 Jahre betrug[7]. Für Kurskorrekturen und Lageregelung hatte Marcopolo 2 220 kg Hydrazin für die Korrekturtriebwerke an Bord[8]. Als Apogäumsmotor verwendeten beide Satelliten ein Star-30BP-Feststofftriebwerk[9]. Die Solarzellen der beiden Satelliten erzeugten zu Beginn der Lebenszeit 1100 Watt. Die elliptische Sendeantenne ist ausgefahren 2,54 m x 1.73 m groß und erzeugt eine Signalstärke von 59 dBW in der Ausleuchtzone. Durch das Parallelschalten zweier normaler Wanderfeldröhren mit 55 Watt Leistung konnten die Marcopolo-Satelliten mit der damals ungewöhnlich hohen Transponderleistung von 110 Watt senden. Dadurch konnte auch gewählt werden, ob ein Transponder mit 110 oder nur 55Watt Sendeleistung arbeiten sollte. Die elektrische Leistung reichte jedoch nicht, um alle fünf Transponder mit voller Leistung zu betreiben. Es konnten maximal drei Transponder auf einmal mit maximaler Sendeleistung eingesetzt werden. Um auch während der zweimal im Jahr auftretenden Eklipsen weiter senden zu können, entwickelte Hughes eine neue, sehr starke „Super Nickel-Cadmium Batterie“. Die Ausrichtgenauigkeit der Parabolantenne betrug 0,05°.[5]

Namen der Satelliten

Meistens werden die Satelliten als Marcopolo 1 und 2 bezeichnet. Im NSSDC Master Catalog sind die beiden Satelliten jedoch unter dem Namen BSB-R1[6] und BSB-R2[7] registriert. Boeing verwendet als Namen BSB oder Marcopolo [10]. BSB schien ebenfalls die Bezeichnung Marcopolo zu verwenden[11]. Daneben sind auch die Schreibweisen MarcoPolo und Marco Polo gebräuchlich.

Start

Marcopolo 1 startete mit einer Delta 4925 am 27. August 1989 um 22:59 Uhr UTC. Es war der 187. Deltastart. Er wurde nach Tests auf 31°W positioniert. Etwa ein Jahr später folgte Marcopolo 2 am 17. August 1990 um 00:42 Uhr UTC beim 198. Deltastart mit einer Delta 6925. Beide Starts erfolgten von Startplatz 17B in Cape Canaveral[12][13] [14]. Marcopolo 2 wurde nach Tests auf 31°W mit Marcopolo 1 co-positioniert. Bei den beiden Starts verblieben jeweils die zweite und dritte Stufe der Deltaraketen auf unterschiedlich langlebigen Transferbahnen als Weltraummüll.[15][16] Co-positioniert sendeten die beiden Marcopolo-Satelliten alle fünf Kanäle mit voller Leistung[5].

Empfang

Die Marcopolo-Satelliten strahlten zusammen auf den fünf Kanälen Fernsehprogramme in der Fernsehnorm D-MAC aus, die mit 35-cm-Antennen empfangen werden konnten. Daneben vermarktete ein Tochterunternehmen von BSB die vom Fernsehprogramm bei D-MAC nicht genutzte Bandbreite für Datenübertragungen.[17]

Ende von BSB und Verbleib der Satelliten

BSB verlor den Konkurrenzkampf mit Sky Television, das nicht in D-MAC sondern PAL über Astra sendete, und wurde Ende 1991 von diesem übernommen. Die fusionierte Firma British Sky Broadcasting (BSkyB) sendete bis Anfang 1992 neben Astra fünf Programme parallel über die Marcopolo-Satelliten weiter. Dann wurden die Übertragungen beendet[2]. Marcopolo 2 wurde bereits 1992 an Telenor verkauft und auf 0,8°W als Thor 1 positioniert, wo er bis Januar 2002 arbeitete. Im November 2002 wurde er auf 7,4°W verschoben, wo er digitale Testsendungen übertrug, bevor er im Januar 2003 in den Friedhofsorbit gebracht wurde. Marcopolo 1 dagegen wurde erst 1993 an Nordiska Satellitaktiebolaget verkauft und arbeitete unter dem Namen Sirius 1 bis Ende 2000 auf 5° Ost. Danach wurde er erneut umbenannt in Sirius W, auf 13° West eingesetzt und im Mai 2003 in den Friedhofsorbit gebracht[17].

Quellen

  1. Frequenzzuteilungen für die DBS Satelliten der europäischen Länder (englisch)
  2. a b c http://www.selkirkshire.demon.co.uk/analoguesat/bsbskymerge.html
  3. Wilfried Ahrens: ASTRA - Fernsehen ohne Grenzen: Eine Chronik, ECON Verlag, Düsseldorf, Wien, New York, Moskau 1993 ISBN 3-430-11008-4 S.92-93
  4. Schnittbild durch einen typischen HS-376 (BSS 376) Satellit mit ausgefahrenem unteren Mantel
  5. a b c d http://www.boeing.com/defense-space/space/bss/factsheets/376/bsb/bsb.html
  6. a b http://nssdc.gsfc.nasa.gov/nmc/spacecraftDisplay.do?id=1989-067A
  7. a b http://nssdc.gsfc.nasa.gov/nmc/spacecraftDisplay.do?id=1990-074A
  8. http://www.selkirkshire.demon.co.uk/analoguesat/thor1end.html
  9. http://space.skyrocket.de/doc_sdat/marco-polo.htm
  10. http://www.boeing.com/defense-space/space/bss/about/orders.html#376
  11. siehe Bildschirmfoto auf http://www.selkirkshire.demon.co.uk/analoguesat/intro.html
  12. http://nssdc.gsfc.nasa.gov/nmc/spacecraftOrbit.do?id=1989-067A
  13. http://nssdc.gsfc.nasa.gov/nmc/spacecraftOrbit.do?id=1990-074A
  14. http://space.skyrocket.de/doc_lau/delta.htm
  15. http://satlist.nl/RAE/RAE1989.doc
  16. http://satlist.nl/RAE/RAE1990.doc
  17. a b http://www.selkirkshire.demon.co.uk/analoguesat/bsb.html

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