TV-SAT

TV-SAT
Ein TV-SAT oder TDF-Satellit auf einer Briefmarke der Deutschen Bundespost von 1986. Die Ausleuchtungszonen sind angedeutet.

TV-SAT 1 und TV-SAT 2 (Orbitalposition 19° West) waren zwei Satelliten, die für den Direkt-Fernsehempfang in Deutschland entwickelt wurden. Die Satelliten basierten ebenso wie die TDF-Satelliten und der schwedische Tele-X auf dem Satellitenbus „Spacebus 300“ von Aerospatiale und wurden von dieser in Zusammenarbeit mit MBB gebaut. Ihre riesigen Solarzellen erzeugten drei Kilowatt elektrische Leistung - für die damalige Zeit ein sehr hoher Wert -, und die Sendeleistung betrug 230 Watt pro Transponder. Zum Vergleich: Der im Jahr 1988 gestartete Satellit Astra 1A, der von RCA Astro Electronics (heute Lockheed Martin) gebaut wurde, hatte eine Transponderleistung von „nur“ 45 Watt[1]. Wie die anderen „Spacebus 300“-Satelliten wurden die TV-SAT-Satelliten für eine Lebensdauer von acht bis zehn Jahren ausgelegt.

Inhaltsverzeichnis

Die Anfänge

In den Bestrebungen, eine von Herman Potočnik entdeckte und bereits im Jahre 1928 publizierte geostationäre Position für den Direkt-Fernsehempfang in Europa zu nutzen, wurden in der Funkverwaltungskonferenz World Administrative Radio Conference (WARC) in Genf im Jahre 1977 ein weltweiter Rundfunk-Satellitenplan beschlossen. Ab 1. Januar 1979 galt eine Vereinbarung mit einer Laufzeit von 15 Jahren, die vorsah, dass jedes Land fünf TV-Programme oder mehrere Hörfunk-Programme direkt vom Satelliten zum Teilnehmer abstrahlen konnten. Die Position musste sich jedes Land mit bis zu acht anderen Ländern (und damit Satelliten) teilen. Je geostationärer Position waren so 40 Transponder zu 27 MHz bei einem Transponderabstand durch Frequenzüberlappung von 19,18 MHz angedacht. Die Direct Broadcasting Satellites (DBS) sollten in 36.000 km Höhe mit einem Abstand von 6° (ca. 4000 km) über dem Äquator positioniert werden. Eine gemeinsame Orbitposition (19° West) wurde Belgien, der Bundesrepublik Deutschland, Frankreich, den Niederlanden, Italien, Luxemburg, Österreich und der Schweiz zugewiesen. Diese Satelliten sollten in Europa entwickelt und in Serie gebaut werden. Der Spacebus 300-Satellitenbus von Aerospatiale, entwickelt in Zusammenarbeit mit MBB, sollten den Beginn einer glanzvollen europäischen Satellitenzukunft einleiten.

Die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich beschlossen am 2. Oktober 1979 in Bonn ein Rahmenabkommen über den Bau von zwei Fernsehdirektsatelliten, die im BSS-Band nach WARC 77 senden und im Jahr 1983 gestartet werden sollten. 1981 begann ein Konsortium deutscher und französischer Firmen, die Gesellschaft Eurosatellite, mit dem Bau der Satelliten TV Sat 1 für die Bundesrepublik und TDF-1 für Frankreich mit einem Auftragsvolumen von 520 Millionen DM. Durch politisch motivierte Streitigkeiten u.a. stellten die deutschen Ministerpräsidenten der Länder fest, dass ausschließlich die Länder bei der Nutzung von Satelliten für Rundfunkzwecke als verfassungsmäßige Träger der Rundfunkhoheit gelten, und unter anderem um die Forderung über eine Begrenzung einer TV-Sat-Ausleuchtzone auf das jeweilige Landesgebiet, wurde das Projekt immer wieder verzögert. Die technischen Parameter, vor allem einer zum Satellitendirektempfang notwendigen Sendeleistung und Programmanzahl, entsprachen schließlich zum TV-Sat-Startzeitpunkt im Herbst 1987 dem technischen Stand von 1978.[2]

D2-MAC
Simuliertes MAC Signal. Von links nach rechts: digital data, chrominance und luminance
TV-SAT-LNB mit HF Filter, Polarisation links und rechtsdrehend
Feed mit integrierter zirkularer Polarisationsweiche Links/Rechts Kathrein 1987 TV-SAT-LNB KATHREIN UAS 52

TV-Sat Marketing

Mitte 1980 war die Erwartungshaltung der Industrie für einen baldigen Durchbruch des Satellitenfernsehens am Massenmarkt durch kompakte TV-Sat Empfangsanlagen – ein Erfolg des Mitbewerbers Astra war nicht absehbar – groß, so ließ sich die Firma Kathrein 1987 ihren Werbespruch „Das Fernsehen hat Flügel bekommen mit KATHREIN -SatAn-“ rechtlich schützen.[3]. Im August 1987, also noch vor einem Start von TV-Sat 1 wurde von der Industrie auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin die neue Fernseh-Übertragungsnorm D2-MAC vorgestellt. Die Übertragung erfolgte scheinbar digital (Jedoch ist nur die Tonübertragung bei D2-MAC digital. Die Bildübertragung ist Analog, vermeidet durch zeitmultiplexte Ausstrahlung der Helligkeits- und Farbinformationen jedoch Cross Color und Cross Luminance wie sie bei PAL durch die Parallele Ausstrahlung entstehen.) für Bild und Ton von einem Telekomsatellit auf 19° West. Später sollte HD-MAC für hochauflösendes Fernsehen folgen.

Start

TV-Sat 1 startete am 21. November 1987 auf einer Ariane-2-Rakete. Eines der Solarpanele konnte nicht ausgefahren werden, aus diesem Grund wiederum konnte die Empfangsantenne nicht ausgefahren werden. Möglicherweise war vergessen worden, die Transportklammern zu entfernen. Insiderinformationen zufolge wurde jedoch eines der beiden Solarpanele falsch montiert, sodass es nicht nach außen aufklappte, sondern nach innen (zum Satellitenkorpus hin). Die Solarpanels werden erst kurz vor dem Start in Kourou an den Satellitenkorpus montiert; Simulationen haben ergeben, dass tatsächlich die Solarpanels falsch montiert werden können, wenn die Dokumentation missachtet wird.

Der Satellit war deshalb unbrauchbar, wurde Ende 1989 abgeschaltet und auf die Friedhofumlaufbahn gebracht. Technische Experimente am damit unbrauchbaren TV-Sat 1 zeigten indes, dass dessen 10-N-Lageregelungsdüsen ein „Hot-Start“-Problem hatten; Helium in den Treibstoffleitungen konnte die Düsen beim Zünden zerstören. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse waren für die Galileo-Raumsonde wertvoll, die die gleichen Düsen verwenden sollte. Der Düsentyp wurden daraufhin für Galileo umkonstruiert.

TV-Sat 2 gelangte am 8. August 1989 zusammen mit dem Astronomiesatelliten Hipparcos mit einer Ariane-44LP-Rakete in den Geotransferorbit und wurde danach in der geostationären Umlaufbahn bei 19° West positioniert und arbeitete technisch einwandfrei.

Einsatz von TV-Sat 2

TV-Sat 2 hatte eine Startmasse von 2145 kg, und wurde am 8. August 1989 ebenfalls mittels einer Ariane-Rakete gestartet, er übertrug vier Fernsehkanäle (Eins Plus, 3sat, RTL plus, Sat.1) und auf einem Transponder das DSR-Radiopaket. Dabei verwendete er den für Rundfunksatelliten vorgesehenen und als Broadcasting Satellite Services bezeichneten Bereich des Ku-Bandes mit einer damals im Satellitenempfang neuartigen zirkularen Polarisation (rechtszirkular und linkszirkular). Für die Fernsehprogramme wurde die für Satellitenausstrahlungen entwickelte Norm D2-MAC verwendet. Die hohe Sendeleistung von 230 Watt erlaubte den Empfang der Fernsehprogramme mit Satellitenschüsseln von nur 45 cm Durchmesser (sogar hinter Fensterscheiben). TV-Sat galt zu seiner Zeit als hochmodern. Jedoch geriet er zweimal im Jahr nachts in den Erdschatten und war währenddessen nicht zu empfangen. Wirtschaftlich war er für den Betreiber Deutsche Bundespost Telekom ein Misserfolg. Die geringe Anzahl von Programmen, die nur in der Sondernorm D2-MAC (bereits mit digitalem Ton) zu empfangen waren, konnte nur wenig Zuschauer begeistern. Das Gleiche galt für die französischen Schwestersatelliten TDF 1 und 2. Die Aufgabe von TV-Sat 2 übernahmen deshalb weitestgehend die DFS-Kopernikus-Satelliten, die wesentlich erfolgreicher waren, jedoch schließlich vom Marktführer Astra abgehängt wurden. Kopernikus 1 strahlte auch das DSR-Paket aus.

1994 wurden die Ausstrahlungen über TV-Sat 2 beendet und die Deutsche Bundespost Telekom verkaufte den Satelliten an den norwegischen Satellitenbetreiber Telenor, der ihn von 1995 bis 1998 auf 1° West betrieb. 1998 wurde er von Telenor an Eutelsat verkauft und bis zur Außerdienststellung 1999 auf 12° West eingesetzt. TV-Sat 2 befindet sich jetzt im Friedhofsorbit.

Orbitalposition

TV-Sat war auf der für Mitteleuropa ungünstigen Orbitalposition 19° West über dem Atlantik platziert, die Elevation betrug (exemplarisch) für einen TV-Sat-Empfang in der Stadt Salzburg lediglich 27°. Der Konkurrent Astra war auf 19,2° Ost über Zentralafrika platziert und konnte in Salzburg mit einer günstigeren Elevation von 34,78° aufwarten. Abschattungen durch Berge, hohe Gebäude oder Bäume waren bei TV-Sat wesentlich häufiger als beim Konkurrenten Astra. Wie die Erfahrung im Direktempfangs-Satellitenbetrieb heute zeigt, haben sich meist solche Satellitensysteme am Markt durchgesetzt, deren geostationäre Position gleich einem Längengrad des Empfangs-Zielgebietes ist. Dem kam der Konkurrent Astra auf 19,2° Ost wesentlich näher.

TV-Sat 1 Footprint

TV-SAT Technik

Durch den Beschluss der europäischen Regierungen, Hochleistungssatelliten (TV-Sat, Tele-X, TDF, Marcopolo, etc.) für den DTH-Empfang (Direct-to-home) zu bauen und MAC als Übertragungsstandard einzusetzen, musste die Europäische Rundfunkunion (EBU) für die MAC-Normen ein sogenanntes „Versorgungskriterium“ finden. Diese Bestimmung sah vor, dass ein Gebiet mit einer Bitfehlerrate von kleiner als 10-3 bei einem Störabstand C/N (Carrier to Noise) von 8 dB im analogen Signal und einer Signalbandbreite von 27 MHz als versorgt gilt.

Damals konnte das Versorgungskriterium aufgrund der noch nicht soweit entwickelten Innen- und Außenelektronik erst mit Reflektorgrößen von 90 cm im Durchmesser erreicht werden. Dieses Maß wurde zu dieser Zeit auch von seiten der EBU und den nationalen Regierungen als zumutbare Größe für den DTH-Markt angesehen. Durch das Voranschreiten der Technik wäre ein solches Signal-Mindestmaß heute hinfällig, da bereits ein guter LNB (≈ 0,8 dB Rauschmaß) mit einem größeren Feedhorn (ohne Reflektor) in der Kernausleuchtzone der DBS-Satelliten für dieses Versorgungskriterium ausreichen würde.[4]

TV-Sat und die französische SCART-Schnittstelle

Nachdem bereits 1978 klar war, dass für TV-Sat nicht PAL, sondern zur Bildübertragung eine neuartige Norm D2-MAC verwendet wird, wurde in die damals neu entwickelte SCART-Schnittstelle RGB zur Übertragung der Farbinformation zum Fernseher integriert. Obwohl das TV-Sat-Projekt scheiterte, blieb RGB im SCART-Stecker bis heute erhalten. Als Relikt von TV-Sat kann auch angesehen werden, dass im SCART-Stecker RGB als einziges, im Gegensatz zu allen anderen Leitungen, nur unidirektional ausgeführt ist – damals war ja nie geplant, dass ein Fernseher sein Bild an TV-Sat hätte zurücksenden sollen.

Siehe auch

Literatur

  • Niklas Reinke: Geschichte der deutschen Raumfahrtpolitik. Konzepte, Einflussfaktoren und Interdependenzen: 1923-2002, München 2004, ISBN 3-486-56842-6
  • Hans-Martin Fischer: Europäische Nachrichten-Satelliten, Von Intelsat bis TV-Sat Stedinger-Verlag, Lemwerder 2006 ISBN 3-927-697-44-3

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.ses-astra.com/business/de/satellite-fleet/retired-satellites/astra1a/index.php
  2. Medienwissenschaft: Ein Handbuch zur Entwicklung der Medien und Kommunikationsformen. 3. Teilband 2002 ISBN 3110166763 [1]
  3. Markenschutz für einen Werbeslogan für TV-Sat Empfangsanlagen durch Kathrein im Jahr 1987 [2]
  4. http://www.satellitentechnik.de/mac-norm.htm Die MAC-Normen

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