Ballymurphy-Massaker

Ballymurphy-Massaker
Öffentliches Wandgemälde (Mural) zum Ballymurphy-Massaker

Das Ballymurphy-Massaker, in der Presse auch West Belfast's Bloody Sunday genannt,[1] war ein Teil der Internment-Politik in Nordirland. Britische Fallschirmjäger erschossen in Belfast in der Zeit vom 9. bis 11. August 1971 elf unbewaffnete Zivilisten, darunter einen Priester, eine Mutter von acht und einen Vater von sechs Kindern.

Im Jahr 2010, nahezu 40 Jahre danach, fordern Angehörige der Getöteten immer noch vergeblich eine Untersuchung des Massakers durch eine internationale Untersuchungskommission oder eine Erklärung durch die britische Regierung.[1]

Inhaltsverzeichnis

Operation Demetrius

Während des Nordirlandkonflikts setzte der nordirische Premierminister Brian Faulkner auf eine Internierungspolitik, um Nordirland zu befrieden. Mit dieser Politik sollten Personen festgesetzt werden, von denen angenommen wurde, dass sie Mitglieder paramilitärischer Organisationen waren, die den Status Nordirlands als Teil des Vereinigten Königreichs bekämpften und ein vereinigtes Irland errichten wollten. Im Verlauf der Operation Demetrius, die im August 1971 begann, wurden nicht nur Personen erschossen, sondern 342 Personen interniert. Als die irische Regierung die Europäische Kommission für Menschenrechte wegen Folterung der Internierten anrief, wurde bekannt, dass höchste britische Stellen die Operation angeordnet hatten.[2] Der schwelende Konflikt eskalierte trotz der Internierung weiter und führte später letztendlich zur Absetzung von Faulkner und zur Einsetzung eines Nordirlandministers[3] der britischen Regierung in London.

Am Morgen des 9. August 1971, einem Montag, schossen Soldaten eines British Army Parachute Regiments, einer Fallschirmjägereinheit, im Gebiet des Stadtteils Ballymurphy von Belfast auf Zivilpersonen. Diese Auseinandersetzungen gingen in die Geschichte als das Ballymurphy-Massaker ein. Den Fallschirmjägern der drei Parachute Regiments, die im Verlauf des Nordirlandkonflikts eingesetzt wurden, werden 90 % der Tötungen während der Nordirlandkrise nachgesagt.[4]

Die Opfer

9. August 1971

Ballymurphy-Mahnmal

Am 9. August 1971 kamen fünf Personen ums Leben und eine starb später an den Folgen dieser Auseinandersetzungen:

  • Hugh Mullan (38 Jahre alt), ein katholischer Priester, hörte Schüsse gegen 8.00 Uhr morgens und wurde erschossen, als er einem durch Schüsse verwundeten Mann in der Nähe des Springfieldparks zur Hilfe eilte.[5] Priester Mullan hatte, bevor er zu dem Verletzten ging, mit der britischen Militärbasis in Belfast telefoniert und darauf hingewiesen, dass er Erste Hilfe leisten werde.[5][1]
  • Francis Quinn (19 Jahre alt) wurde erschossen, als er dem Priester helfen wollte.[5]
  • Noel Phillips (19 Jahre alt) wurde durch Schüsse verletzt und später durch einen Kopfschuss eines britischen Soldaten mit einer Handfeuerwaffe gegenüber der britischen Armeebasis in Belfast getötet.[6]
  • Joan Connolly (50 Jahre alt), eine Mutter von acht Kindern, die Noel Phillips helfen wollte, wurde durch einen Schuss ins Gesicht getötet.[6]
  • Daniel Teggart (44 Jahre alt), der Vater eines 14-jährigen Kindes, der sich auf dem Weg zu seiner Schwester befand, wurde durch 14 Schüsse in der Nähe der britischen Armeebasis getötet.[6] Sein Sohn John merkte im Jahre 2010 in einem Zeitungsbericht an, dass sein Vater zahlreiche Schüsse in den Rücken erhielt.[1]
  • Joseph Murphy (41 Jahre alt) wurde ebenso gegenüber der Armeebasis angeschossen und starb drei Wochen später an den Folgen.[6]

10. August 1971

Am 10. August 1971 kam eine Person ums Leben:

  • Edward Doherty (28 Jahre alt), ein Vater von zwei Kindern, wurde in der Nähe einer Barrikade an der Whiterock Road erschossen.[7]

11. August 1971

Am 11. August 1971 kamen zwei Personen ums Leben; zwei weitere starben an den Spätfolgen der Auseinandersetzungen vom 11. August:

  • John Laverty (20 Jahre alt) und Joseph Corr (43 Jahre alt), ein Vater von sechs Kindern, wurden in der Whiterock Road erschossen. Das Parachute Regiment gab an, dass beide auf die Fallschirmjäger schossen und in dieser Auseinandersetzung ums Leben kamen. Joseph Corr starb 16 Tage später an den Folgen seiner Verletzungen.[7]
  • John McKerr (49 Jahre alt) wurde vor einer katholischen Kirche angeschossen und starb an den Folgen am 20. August 1971.[7]
  • Paddy McCarthy (44 Jahre alt) wurde auf dem Weg zum Einkaufen von Soldaten angehalten und ihm wurde eine ungeladene Pistole vor den Mund gehalten und abgedrückt. Dabei erlitt er einen Herzanfall, an dem er später starb.[7]

Kein britischer Fallschirmjäger wurde verletzt. Keiner wurde vor dem Militärgerichtshof angeklagt, und die Identitäten der Beteiligten werden bis zum heutigen Tag (Dezember 2010) von der britischen Regierung geheim gehalten.

Ballymurphy-Massaker-Kampagne

Im Jahr 1998, 27 Jahre nach den Vorgängen, bei denen ihre Familienmitglieder erschossen wurden, fand eine Konferenz unter Beteiligung von vier betroffenen Familien statt. Sie trafen sich später auch mit den Familien aus Derry, deren unbewaffnete Familienmitglieder nach einer der umfangreichsten Untersuchung in Großbritannien nachweislich als Unbewaffnete und Unschuldige während des nordirischen Blutigen Sonntags („Bloody Sunday“) vom 30. Januar 1972 ebenfalls durch Fallschirmjäger der Parachute Regiments erschossen worden waren.[8] Am 15. Juni 2010 bat der britische Premierminister David Cameron im Namen der Regierung um Verzeihung für die Taten der britischen Soldaten am Bloody Sunday in Derry, nachdem die Unschuld der Getöteten erwiesen war.

Die Familien der Toten in Ballymurphy haben bis zum Herbst 2010, nach nunmehr fast 40 Jahren, von der britischen Regierung keine Antworten auf ihre Fragen erhalten.[9] Sie fordern deshalb eine unabhängige internationale Untersuchung oder, dass sich die britische Regierung entweder entschuldigt oder für unschuldig erklärt.[8]

John Teggert, der Sohn des in Ballyworth getöteten Daniel Teggert, zieht Parallelen zum Bloody Sunday in Derry, denn auch dort wurde zu Beginn der Schießereien ein Pfarrer erschossen, der einem Verletzten half, obwohl er mit einem weißen Tuch winkte. Der Vorgang ist durch einen Kameramann des Fernsehens dokumentiert und weltweit ausgestrahlt worden. Auch dort wurden am Boden liegende Verletzte erschossen. Daher, so Teggert, liege der Verdacht nahe, dass der Bloody Sunday sechs Monate später von derselben Einheit oder den selben Fallschirmjägern begangen wurde.[10] Teggert fordert eine internationale Untersuchung.[1]

Die Familien werden in ihrer Kampagne von Gerry Adams, Mitglied des Unterhauses für West Belfast von der Sinn Féin, und vom Bischof von Down und Connor Noel Treanor unterstützt.[11] Auch das National Conference of Trades Union Council forderte im Mai 2010 auf seiner Versammlung Gerechtigkeit für die Familien von Ballymurphy.[12]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. a b c d e Henry McDonald: Were Bloody Sunday soldiers involved in 'Ballymurphy massacre'? The Guardian vom 20. Juni 2010. Abgerufen am 30. November 2010
  2. Tom Parker: Is Tourtor Ever Justified auf www.pbs.org. Abgerufen am 30. November 2010
  3. vgl. Liste der Minister für Nordirland
  4. Richard Borth: Forget Bloody Sunday – It’s The Ballymurphy Massacre Inquiry We Want Information auf www.anorak.co,au. Abgerufen am 30. November 2010
  5. a b c Informationen auf der ersten Webseite von www.ballymurphymassacre. Abgerufen am 30. November 2010
  6. a b c d Informationen auf der zweiten Webseite von www.ballymurphymassacre.htm. Abgerufen am 30. November 2010
  7. a b c d Informationen auf der dritten Webseite von www.ballymurphymassacre.htm. Abgerufen am 30. November 2010
  8. a b Ballymurphy Massacre Compaign auf ballymurphymassacre.com. Abgerufen am 30. November 2010
  9. Relatives For Justice - Ballymurphy Tree-planting Ceremony. Abgerufen am 30. November 2010
  10. Ciarán Barnes (Andersonstown News): Same snipers cut down Derry and Murph victims auf Ireland's OWN vom 1. Februar 2008. Abgerufen am 2. Dezember 2010
  11. Bishop backs investigation into Ballymurphy massacre. Abgerufen am 30. November 2010
  12. Information auf socialistunity.com. Abgerufen am 30. November 2010

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