- Paramilitär
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Der Begriff Paramilitär (griechisch παρά [para] „neben“ und lateinisch miles „Kämpfer“ oder „Soldat“), oder auch Miliz, dient zur Bezeichnung verschiedenartiger, teils selbständig agierender und mit militärischer Gewalt ausgestatteter Gruppen oder Einheiten, die aber zumeist nicht in die Organisation des regulären Militärs eingebunden sind. Beispiele hierfür sind die in vielen Ländern anzutreffenden, oft den Innenministerien unterstellten quasi-militärischen Verbände, die neben dem klassischen Militär existieren und tendenziell eher im Inneren eingesetzt werden.
Außerdem findet der Begriff Anwendung auf mit militärischer Gewalt ausgestattete Gruppen, die einer kriminellen oder mafiösen Organisation, einer Selbstschutzorganisation oder Partei zugeordnet sind oder von dieser befehligt werden. Häufig agieren solche Paramilitärs halblegal oder vollständig außerhalb der Legalität, operieren aber faktisch im Auftrag oder im Interesse einer offiziellen Institution oder der Regierung, was vor allem in weniger entwickelten Ländern vorkommt.
Paramilitarismus bezeichnet eine militärische Doktrin staatlicher oder wirtschaftlicher Organisationen, die ihre Interessen mittels irregulärer militärischer Gewalt durchsetzen.[1]
Inhaltsverzeichnis
Staatliche und nichtstaatliche paramilitärische Verbände
Der Name paramilitärischer Verband bezeichnet nicht zu den eigentlichen Streitkräften eines Landes gehörende, jedoch mit militärischem Gerät ausgestattete besondere Polizeitruppen (wie z. B. Grenzpolizei oder Küstenwache). Zusammen mit staatsnahen Verbänden können solche Polizeieinheiten im Falle eines bewaffneten Konflikts Teil der bewaffneten Macht sein. Sie haben dann nach der Haager Landkriegsordnung Kombattanten-Status, d. h. sie sind nach dem Völkerrecht zur Durchführung von Kampfhandlungen in internationalen bewaffneten Konflikten berechtigt. Paramilitärische Einheiten sind hier im Kriegsfall eine Reserve und als solche insbesondere für Besatzungsaufgaben nützlich. Aber auch im Frieden liegt ihr Nutzen darin, dass sie bei einem Grenzzwischenfall eine direkte Konfrontation zwischen militärischen Einheiten verhindert, womit ein weiterer drohender Eskalationsschritt verzögert oder verhindert werden kann. Innenpolitisch ist der Einsatz von paramilitärischen Einheiten hingegen oft ein Schritt der Eskalation, etwa bei Demonstrationen und Protesten. Andererseits ist er auch oftmals eine notwendige Reaktion, weil normale Polizeikräfte im Einzelfall oder generell nicht mehr zur Kontrolle der Situation fähig sind. Mitunter kommen hier auch Militäreinheiten mit Polizeirolle zum Einsatz, wie die Carabinieri oder die US-Nationalgarde. Die Abwehr von terroristischen Aktivitäten, organisierter Kriminalität oder auch traditionellem Bandenwesen ist oftmals eine Überforderung für rein polizeiliche Wachkörper, gleichwohl hat auch hier eine Aufrüstung in Bezug auf Ausbildung und Gerät stattgefunden, so dass z. B. automatische Waffen und Nachtsichtgeräte und eine entsprechende taktische Ausbildung auch bei Polizeikräften ohne Kombattantenstatus vorhanden sind.
Als Paramilitärs werden auch inoffizielle, nichtstaatliche militärisch organisierte Gruppierungen bezeichnet, die sich polizeiliche oder militärische Kompetenzen anmaßen, um außergesetzlich eigene oder insgeheim staatliche innen- oder außenpolitische Ziele mit Gewalt durchzusetzen. Auch irreguläre Verbände, die im Auftrag fremder Staaten in anderen Staaten eingreifen, werden als Paramilitär bezeichnet.
Häufig wird die Bezeichnung Paramilitär im Gegensatz zur Bezeichnung paramilitärisch tatsächlich nur auf solche Verbände angewandt, die mit Wissen, Duldung oder im geheimen Auftrag des Staates oder einzelner seiner Institutionen und Repräsentanten gegen dessen vermeintliche Feinde agieren.
In diesem Sinne werden Verbände und Gruppen, die den Staat selbst organisiert mit Waffengewalt bekämpfen, meist nicht als Paramilitär bezeichnet, auch wenn sie ohne weiteres paramilitärisch im Sinne von "ähnlich wie Militär strukturiert" sind.
Als Rechtfertigung ihres Handelns dient den nichtstaatlichen Paramilitärs oft die angebliche Schwäche des Staates oder seines Rechtssystems gegenüber der so genannten 'Subversion' oder äußeren Gefahren, sie berufen sich somit auf eine angebliche Notwehrsituation von Gesellschaft und Staat.
Beispiele
Staatliche paramilitärische Verbände
- Bewaffnete Volkspolizei - Volksrepublik China
- Border Security Force - Indien
- Bundesgrenzschutz - bis 1994 hatte der Bundesgrenzschutz (heute Bundespolizei) Kombattantenstatus
- Carabineros de Chile - Chile
- Carabinieri - Italien, seit 2000 eigenständige Teilstreitkraft, zuvor Teil des Heeres
- Gendarmerie Nationale - Frankreich
- Guarda Nacional Republicana - Portugal
- Guardia Civil - Spanien
- General Operations Force - Malaysia
- Indian Coast Guard - Indien
- Jandarma - Türkei
- Kampfgruppen der Arbeiterklasse - DDR (bis 1989)
- Wachregiment Feliks Dzierzynski - DDR (1954-1989/90)
- Kasernierte Einheiten des MdI, d. h. VP-Bereitschaften und weitere Einheiten - DDR (1955 bis 1989)
- Koninklijke Marechaussee - Niederlande
- Grenztruppen der UdSSR
- OMON - Sowjetunion/Russland
- Polícia Militar - Brasilien
- Rijkswacht/Gendarmerie - Belgien
- Royal Canadian Mounted Police - Kanada
- Ulster Special Constabulary - Nordirland (1922–1969)
- Wanra - Indonesien
- Jedinica za specijalne operacije Serbien (1996-2003)
- Eurogendfor - Europa (teilweise)
Staatsnahe paramilitärische Verbände oder Gruppen in Geschichte und Gegenwart
- 1919 bis 1923 Freikorps im Baltikum, in Oberschlesien und gegen kommunistische Revolten
- Deutsche paramilitärische Freiwilligenverbände, nationalistischer Ex-Soldaten kämpften mit Duldung des Staates noch nach Beendigung des Ersten Weltkrieges zunächst im Baltikum gegen die Bolschewiki, gegen Insurgenten in Oberschlesien und gegen die verschiedene kommunistische Revolten in Deutschland. Sie spielten auch eine wichtige Rolle im deutschen Bürgerkrieg nach 1918: bei der Niederschlagung der Münchner Räterepublik 1919 , während des Kapp-Putsch und bei den sich anschließenden Kämpfen im Ruhraufstand 1920.
- 1925-1945 Schutzstaffel (SS), Deutschland
- Diese Organisation wurde zunächst als Leibwache für die Parteiführung der NSDAP gegründet. Nach der Machtergreifung Adolf Hitlers im Jahre 1933 wurde die SS zu einer Art Privat-Armee der NSDAP umgebaut. Die SS war als Terror-Organisation im Inland tätig. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde zusätzlich die Waffen-SS geschaffen, die an der Seite der Wehrmacht kämpfte.
- 1933 Sturmabteilung (SA), Deutschland
- Die paramilitärische Privatarmee der Nationalsozialisten wurde ab 1933 für kurze Zeit als "Hilfspolizei" gegen politische Gegner benutzt.
- 1952 Gesellschaft für Sport und Technik (GST), Deutsche Demokratische Republik
- Die paramilitärische Jugendorganisation trug zur Militarisierung der Gesellschaft der DDR bei, indem sie unter anderem die gesetzlich vorgeschriebene vormilitärische Ausbildung (VA) zusammen mit der Nationalen Volksarmee an Schulen, Universitäten und in den Betrieben durchführte.
- 1970 Weiße Hand, Guatemala
- Eine inoffizielle Geheimgesellschaft, in der hohe Offiziere von Polizei und Militär sich als „Todesschwadron“ zu einem Mordkomplott gegen tausende von politischen Gegnern verschworen hatten.
- Westlich orientierte Guerillabewegung während des Bürgerkrieges in Angola.
- Von den USA finanzierte Rebellen, die im Contra-Krieg gegen die linksgerichtete nicaraguanische Regierung der Sandinisten kämpften.
- Seit 1991 Schützenverband "Strzelec", Polen
- Paramilitärische Jugendorganisation die zum Ziel hat die Jugendlichen auf den Militärdienst vorzubereiten.
- Seit 1997 Autodefensas Unidas de Colombia (AUC) Kolumbien
- Ein Dachverband rechtsgerichteter paramilitärischer Gruppen im kolumbianischen Bürgerkrieg, die sich hauptsächlich durch Kokainhandel finanziert.
- Im Iran-Irak Krieg kamen sie zum ersten Mal zum Einsatz. Hauptsächlich Kinder und alte Leute, die sich als Freiwillige zur Verteidigung gegen Saddam Hussein eingeschworen hatten. Heute eine gut ausgebildete paramilitärische Einheit.
- 1991-1995 während der Jugoslawienkriege
- Serbische Freischärler und Paramilitärverbände, wie z. B. die Tschetniks, die Weißen Adler, die Šešeljevci des Vojislav Šešelj, Serbische Freiwilligengarde des Željko Ražnatović („Arkan“), die "Kninjas" bzw. "Alfas" des Dragan Vasiljković, die Martićevci des Milan Martić, die Crvene Beretke, die Armee der Republik Serbische Krajina; auf kroatischer Seite die Verbände Hrvatske obrambene snage und Hrvatsko vijeće obrane.
Anderes
Auch Schützenvereine haben manchmal eine lange Tradition, die sich bis auf paramilitärische Verbände zurückführen lässt, wie die Gebirgsschützen oder Tiroler Schützen.
Literatur
- Raul Zelik: Die kolumbianischen Paramilitärs: "Regieren ohne Staat?" oder terroristische Formen der inneren Sicherheit, Münster: Westfälisches Dampfboot, 2009, ISBN 3896917668
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ Vgl. Raul Zelik: Die Informalisierung des Ausnahmezustandes. In: jour fixe initiative berlin (Hg.): Krieg. Münster, 2009. Seite 115-130
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