Bartolomeo Cecchetti

Bartolomeo Cecchetti

Bartolomeo Cecchetti (* 2. September 1838 in Venedig; † 16. März 1889 in Rom) war ab 1876 Direktor des Staatsarchivs in Venedig.

Cecchetti wuchs in einer Zeit auf, in der Venedig zu Österreich gehörte, dessen Herrschaft er ablehnte[1], die jedoch bis 1866 dauerte.

Bevor er am 11. Juni 1876 die Leitung des Staatsarchivs übernahm, leitete er die Scuola di Paleografia, diplomatica e dottrine archivistiche. Diese Schule für Paläographie, Diplomatik und Archivalienkunde wurde 1854 gegründet und nahm im Folgejahr ihren Betrieb auf. 1863-64 führte sie Girolamo Dandolo. Von 1860 bis 1876 tat dies Bartolomeo Cecchetti, ihn löste Riccardo Predelli ab. In dieser Zeit befasste er sich vielfach mit dem Aufbau von Archiven.

Nach dem Anschluss an Italien im Jahr 1866 befasste sich Cecchetti mit der ab 1868 erfolgenden Rückgabe der während der österreichischen Zeit abgezogenen Archivalien. 1876 folgte er dem am 29. Februar 1876 verstorbenen Leiter des Staatsarchivs Teodoro Toderini im Amt. In einer lebhaften Debatte konnte Cecchetti gegen Gabriele Fantoni, den Leiter des Archivio notarile distrettuale durchsetzen, dass alle hierin liegenden Archivalien, die vor 1830 entstanden waren, ins Staatsarchiv überführt werden sollten. Sie bilden daher seit 1884 die sezione notarile im Staatsarchiv. Dabei sorgte Cecchetti für eine reine Zuordnung zu den Notaren, womit oftmals der Entstehungszusammenhang zerrissen wurde.

Da sich Cecchetti vielfach mit dem Alltagsleben der Venezianer befasste, dessen Aspekte er meist unmittelbar aus den ihm reichhaltig zur Verfügung stehenden Quellen ableitete, geriet er in die damit zusammenhängenden kulturgeschichtlichen Debatten. Dabei zeigte sich vielfach, dass seine Fragestellungen eher denjenigen entsprachen, die die Zeitgenossen beschäftigten, die zur Zeit seiner Quellen lebten. Als er etwa über eine Vorstellung vom Konzept, das die Venezianer des Mittelalters von Frauen hatten (La donna nel Medioevo a Venezia, 1886), räsonierte, meinte er, sie hätten kein Werk von höherem intellektuellem Anspruch hervorgebracht, noch Werke der Poesie, sondern sie seien bescheidene Hausfrauen (casalinghe) gewesen, der Familie zugewandt, oder der Schönheit. Abgesehen davon, dass seine mittelalterliche Vorstellung ausschließlich auf Quellen des 14. und 15. Jahrhunderts basierte, die in Venedig eher der Renaissance angehören, steht er damit in Widerspruch zu den Forschungen von Eileen Power. Auch Arbeiten, etwa von David Herlihy oder Richard Goldthwaite konnten erweisen, dass es zwar eine Verdrängung der Frauen aus dem öffentlichen und Berufsleben im 14. und 15. Jahrhundert gab, aber dass sie umso mehr in der Verwaltung der oftmals ausgedehnten Besitztümer der wirtschaftlich prosperierenden Familien eine zentrale Rolle spielten. Hinzu kam, dass sich Power mit dem Früh- und Hochmittelalter befasste, und nicht der Renaissance.[2]

Cecchetti hat mehr als 150 Einzeltitel publiziert.[3] Darin beschäftigte er sich sowohl mit Organisationsfragen der Archive im Veneto, denn 1874 wurde er zum sovrintendente agli archivi veneti, als auch mit Fragen der venezianischen Alltagsgeschichte. Hinzu kamen Veröffentlichungen zur politischen und wirtschaftlichen Geschichte der Republik Venedig, wie etwa zu ihrer Versorgungs- und Ernährungsgeschichte oder zur Preisgeschichte. Darüber hinaus verfasste er einen Führer für das Staatsarchiv mit seinen umfangreichen Beständen.

Im Staatsarchiv befinden sich 19 umfangreiche buste Cecchetti Bartolomeo mit einem Umfang von 1129 Seiten. Sie wurden 1903 inventarisiert.

Inhaltsverzeichnis

Werke (Auswahl)

  • Di alcune fonti della storia veneta fino al secolo xiii, Venedig: Narotovich 1867.
  • Le restituzioni scientifiche ed artistiche fatte dal Governo austriaco nell’anno 1868, Venedig: Cecchini, 1870
  • La vita dei Veneziani nel 1300, in: Archivio Veneto 27 (1884) 5-54 und 321-337, 28 (1885) 5-29, 267-296, 29 (1886) 9-48, 30 (1887) 27-96, 279-333, Nachdruck, Bologna 1980
  • L'archivio di stato in Venezia negli anni 1876-1880, Venedig: Naratovich, 1881
  • La Republica Di Venezia e la corte di Roma nei rapporti della religione, Venedig: Naratovich, 1874
  • Sull'istituzione dei magistrati della Repubblica Veneta fino al secolo XIII, 1865
  • Dizionario del linguaggio archivistico veneto – Saggio, Venedig: Naratovich, 1888
  • II doge di Venezia, Venedig: Naratovich, 1864
  • La mariegola dei Calafati dell'Arsenale di Venezia, Venedig: Naratovich, 1882
  • zusammen mit F. Gregolin: Gli Archivi di Stato in Venezia ed osservazioni sul loro ordinamento, Venedig 1866
  • Inventario dell’Archivio di Stato in Venezia. Saggio, Venedig 1881
  • Il vitto dei Veneziani nel secolo XIV, in: Archivio Veneto, Jg. 15, Bd. 29, Venedig (1885) 235-304, Bd. 30 (1885) 27-96, 279-333.
  • Appunti sulle finanze antiche della Repubblica Veneta, in: Archivio Veneto 35 (1888) 29-55
  • Il testamento, i funerali, la sepoltura e l'arma del doge Francesco Morosini, in: Archivio Veneto, n.s. 15 (1885) 65-79
  • Saggio sui prezzi delle vettovaglie e di altre merci in Venezia, sec. 12.-19., Venedig 1874.

Literatur

  • Ugo Stefanutti: Bartolomeo Cecchetti archivista e storico di Venezia, Bologna: A. Forni 1980.

Siehe auch

Anmerkungen

  1. Mitteilungen des Österreichischen Staatsarchivs, Band 28 (1975), S. 345.
  2. Stanley Chojnacki: Patrician Women in Early Renaissance Venice, in: Ders.: Women and Men in Renaissance Venice: twelve essays on patrician society, Johns Hopkins University Press 2000, S. 115f.
  3. Ein Beitrag im Archivio Veneto 38,1 (1889) 11-18 führt 151 Titel auf.

Weblinks


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