Gianfranco Baruchello

Gianfranco Baruchello

Gianfranco Baruchello (* 1924 in Livorno) ist ein italienischer Künstler, der in Rom und Paris lebt. Der italienische Künstler ist eine vielschichtige und charismatische Persönlichkeit.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Gianfranco Baruchello ist 1924 in Livorno, Italien, als Sohn eines Anwalts, Direktor der "Unione industriale di Livorno" (Interessengemeinschaft der Industriellen) und Professor an der Universität in Pisa, und einer Primarschullehrerin zur Welt gekommen. Er besucht das Gymnasium "Umberto I" in Rom, heute das Gymnasium "Pilo Albertelli". Nach dem 2. Weltkrieg schließt er sein Studium der Jurisprudenz mit einer Abschlussarbeit im Fach Wirtschaft ab. 1947 arbeitet er für die Firma Bombrini Parodi Delfini, die sich mit der Produktion von chemisch hergestelltem Schießpulver und Sprengstoff beschäftigte. Zwischen 1949 und 1959 kümmert er sich, auf Anreiz seines Vaters, um die Gesellschaft zur chemisch-biologischen Erforschung und Produktion. 1959 verlässt Baruchello die Firma, um sich ab jetzt ausschließlich der Kunst zu widmen. Er lernt Sebastian Matta kennen und drei Jahre später Alain Jouffroy. 1963 lernt er Marcel Duchamp kennen, der ihn mit der Kunstszene aus New York vertraut macht. In New York, 1964, macht er die Bekanntschaft von John Cage und mit der Pop-Art sowie dem amerikanischen abstrakten Expressionismus. Unter diesem Einfluss beginnt er sich für die bewegten Bilder, den Film, zu interessieren und arbeitet zusammen mit dem ebenfalls italienischen Filmemacher Alberto Grifi. Durch ihre Zusammenarbeit entsteht der Film Verifica incerta, der am Anfang einer langen und bis heute anhaltenden Filmografie von Baruchello steht.

Werk

Seine künstlerischen Anfänge sind auf das Jahr 1959 zurückzuführen, als er mit der Leinwand als Bildträger experimentiert und Objekte mit recycelten gefundenen Materialien komponiert. Ab 1962 malt er Bilder auf großen Leinwänden und entwickelt eine Serie von eigenen Motiven. Auf weißen Oberflächen platziert er sporadische Farbspuren, vage Formen und einzelne Linien. Anfang der 70er Jahre beginnt Baruchello Objekte in Kästen aus Holz oder Plexiglas zusammenzufügen und seine Bilder sind nun mehr auf Aluminium gemalt. Die Bilder auf den Leinwänden, die Zeichnungen sowie die Aluminiumbilder sind von kleinen Figuren und Objekte aus dem Alltagsleben bevölkert, die sich in Form von Wegspuren und Landkarten auf dem Papier verteilen.

Gianfranco Baruchello ist eine vielschichtige künstlerische Persönlichkeit, die sich durch die Jahrzehnte mit den unterschiedlichsten Themen auseinander gesetzt hat. Mitte der 60er Jahre dreht er seinen ersten Film. Er befasst sich mit dem Qualitätsverlust des Bildes, mit der Fotokopie und der Fotokopie der Fotokopie. 1968 ist er Mitbegründer der Gesellschaft "Artiflex", die finanzielle Operationen simuliert. Das Motto war "Artiflex kommerzialisiert alles". 1975 zieht Baruchello aufs Land und gründet die Bewegung "Agricola Cornelia SpA", die sich mit dem Ackerbau auseinandersetzt und Mythen, Kulturen und Traditionen des Ackerbaus und der Zootechnologie erforscht. 1984 erscheint das Buch "Bellissimo il giardino" das Baruchellos Beschäftigung mit der Gartenkunst darlegt.

"Take a painting, a box, one of Gianfranco Baruchello's books. They are 'great stores' of invisible, barely audible stories, which emerge from the visual and incomprehensively reveal themselves through monograms... They are deposits of narrative energy. Little generators of fable... There is little to see, a lot to think about."[1] Die Malerei von Baruchello, die sich auf großen weißen Flächen rarmacht, ist eine intellektuelle Malerei. Eine Verwandtschaft mit Paul Klee ist unverkennbar. Es verhält sich ähnlich wie bei der Pop Art. Hier haben Künstler banale Gegenstände aus dem Alltag herausgegriffen und überdimensioniert vergrößert neu dargestellt. Baruchello hingegen verschrumpft sie. Baruchellos Malerei aber basiert auf denselben banalen Alltagsbilder, die auf der Leinwand wie Buchstaben des Alphabetes auf einer Buchseite platziert wurden. Diese Bilder, die der Ikonographie des Fernsehers und der Werbung entstammen, wurden vom Künstler zusammengeschrumpft auf die Größe von Schrift. Daher muss seine Malerei gelesen werden. In Folge dessen muss sie auch gedacht, überlegt, werden, wie jede Schrift es verlangt. Baruchello gesteht auch, dass er für sein Schaffen nie von Bildern inspiriert wird, sondern von Wörtern und Ideen. Er interessiert sich zum Beispiel für den französischen Psychoanalytiker Jacques Lacan und für den französischen Künstler Marcel Duchamp, denen er öfters Werke widmet. Mit Letzterem war er eng befreundet und Duchamp wertschätzte Baruchellos Arbeiten, sie seien geschaffen um sie von nahe und sehr lange anzusehen. Theorien deutschen Philosophen aus dem 19. Jahrhundert wie Hegel und Kant gehören auch zu seiner Geistesnahrung. In einem bisweilen unveröffentlichten Interview zwischen dem Künstler und seinem Kollegen Maurizio Cattelan gesteht Baruchello zudem, dass er sich, wann immer möglich, gerne in Museen "klassischer" Kunst aufhält, wo er die Meisterwerke von Cranach, Bosch oder Mantegna bewundert. Das Gesamtwerk des Künstlers ist durch autobiografische Elemente beeinflusst. Die Geschichte und Orte seines Lebens sowie seine künstlerische, politische und literarische Mythen wie die Liebe, die Freunde, die Gärten, Duchamp, Lacan usw. finden sich in seinen minimisierten Objekte wieder.

Baruchellos Arbeiten sind bis anhin im deutschsprachigen Raum wenig bekannt. Einige Ausstellungen in Deutschland wollen die Situation verändern und dies beweist auch die jüngste Ausstellung in Berlin, in der Galerie Michael Janssen.

Fußnoten

[1] Lyotard, La pittura del segreto nell'epoca post-moderna, Baruchello, Feltrinelli, 1982

Bibliografie

  • Fabbri, P. (ed.) Gianfranco Baruchello. Flussi, pieghe, pensieri in bocca, Skira, Milano 2007
  • Bandini, M. L’altopiano dell’incerto, Fabbri, Milano, 1992
  • Lyotard, J.-F. La pittura del segreto nell’epoca post-moderna, Baruchello, Feltrinelli, Milano, 1982
  • Huber, H. D. System und Wirkung: Rauschenberg, Twombly, Baruchello, Fragen der Interpretation und Bedeutung Zeitgenössischer Kunst, Ein systemtheoretischer Ansatz, Fink, München, 1989
  • Trini T. Introduzione a Baruchello. Tradizione orale e arte popolare in una pittura d’avanguardia, Galleria Schwarz, Milano, 1975
  • Eco, U. Conversazione con Baruchello, in: De Consolatione Picturae, Galleria Schwarz, Milano, 1970

Künstlerbücher

  • Mi viene in mente, Galleria Schwarz, Milano, 1966
  • Avventure nell’armadio di Plexiglass, Feltrinelli, Milano, 1968
  • La quindicesima riga, Marcatrè, Lerici, Roma, 1968
  • Alphabets d’Éros, Galilée, Paris, 1976 (mit G. Lascault)
  • La Stazione del Conte Goluchowsky, Exit, Bologna, 1978
  • L’altra casa, Galilée, Paris, 1979
  • Agricola Cornelia S.p.A. 1973-’81, Exit, Milano, 1981
  • La scomparsa di Amanda Silvers, Exit, Bologna 1982
  • How to imagine, McPherson, New York, 1984 (mit H. Martin)
  • Bellissimo il giardino, Exit, Ravenna, 1989
  • Miss Omissis, Exit, Bologna, 1991
  • Occhio di pietra, Exit & Galleria Milano, 1995
  • 6 poèmes et 8 dessins, AIOU, Saint-Etienne-Vallée-Française, 1995
  • Quaranta evening in TV, Exit, Ravenna, 1996

Weblinks


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