Camille Claudel

Camille Claudel
Camille Claudel 1884 (kolorierte Fotografie)

Camille Claudel (* 8. Dezember 1864 in Fère-en-Tardenois; † 19. Oktober 1943 in Montdevergues, Vaucluse) war eine französische Bildhauerin und Malerin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Kindheit und Jugend

Nach der Geburt der zweitgeborenen Camille (der erstgeborene Charles Henri war im Alter von zwei Wochen gestorben) weinte die Mutter Louise-Athenaïse Cervaux-Claudel, die sich so sehr einen Jungen wünschte und sagte dann kein Wort mehr. Auch die Tatsache, dass Camilles Mutter im Alter von vier Jahren ihre eigene Mutter verloren und selbst keine Mutterliebe gekannt hatte, war für das Verhältnis der Mutter zu ihrer Tochter prägend.

1866 wurde Camilles Schwester Louise Jeanne geboren, zwei Jahre später der Bruder Paul Louis. Sowohl der Vater, Louis-Prosper Claudel, als auch der jüngere Bruder, der Dichter Paul Claudel, hatten ein inniges Verhältnis zu Camille. Noch vor dem Fall des zweiten Kaiserreichs wurde Louis-Prosper Claudel nach Bar-le-Duc versetzt. Camille wurde dort als Sechsjährige eingeschult. Später bekamen die Kinder einen Hauslehrer. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr lebt Camille in Bar-le-Duc. „Le Monument de coeur de René de Chalon“ – meist „Le Transi“ oder „Le Squelette“ genannt – in der Kirche St. Étienne von Bar-le-Duc von Ligier Richier, dürfte Camille schon früh fasziniert haben. Auf das heranwachsende Mädchen übten Steine und Felsen eine besondere Faszination aus, sie galt als besessen vom Modellieren. Der Vater förderte die Begabung seiner Tochter. 1876 wurde er nach Nogent-sur-Seine versetzt, wo die Bildhauer Paul Dubois, seit 1878 Direktor der Pariser Kunstakademie (École nationale supérieure des beaux-arts de Paris), und sein Schüler Alfred Boucher tätig waren. Um 1879 bat Camilles Vater Boucher um seine Meinung zu den Jugendarbeiten der fünfzehnjährigen Camille. Dieser bestärkte Camille, die Bildhauerei ernsthaft fortzusetzen. Da Frauen zu der Zeit an der Akademie zum Studium nicht zugelassen wurden, empfahl er den Besuch der privaten Académie Colarossi, eine der wenigen Kunstschulen, an denen auch weibliche Studenten zugelassen waren.

Als der Vater 1879/80 aus beruflichen Gründen nach Wassy-sur-Blaise gehen musste, richtete er der Familie zur besseren Unterrichtung der Kinder und auf Wunsch Camilles 1881 eine Wohnung in Paris am Montparnasse ein. Im gleichen Jahr trat die sechzehnjährige Camille in die Académie Colarossi ein. Bald fand sie einen Kreis von jungen Bildhauerinnen, mit denen sie sich ein Atelier in der Rue Notre-Dame-des-Champs teilte. Sie wurde zur Wortführerin der Gruppe. Zu diesem Zirkel gehörten auch drei Engländerinnen, darunter Jessie Lipscomb, die eine enge Freundin wurde. Jede Woche besuchte Boucher das Atelier, um zu lehren und zu korrigieren. 1883 bekam Boucher ein Italien-Stipendium. Sein Vertreter wurde sein Freund Auguste Rodin.

Camille Claudel und Rodin

1883 trafen Camille und der dreiundvierzigjährige (24 Jahre ältere) Bildhauer Auguste Rodin im losen Schüler-Lehrer-Verhältnis zusammen. Rodin modellierte 1884 eine erste Portraitbüste von Camille Claudel, eine Fassung in Bronze befindet sich im Musée Rodin in Paris. Im Jahre 1885 stellt Camille zum ersten Mal aus. Ende 1885 macht Camille Claudel zusammen mit Jessie Lipscomp von dem Angebot Gebrauch, im Atelier Rodins zu arbeiten.

1886 reisten Camille und Jessie für einen längeren Sommeraufenhalt nach Peterborough zu Jessies Familie. Rodin reist ihnen nach. Nach vielen Fehlversuchen, Camille zu treffen, überredete Jessie ihre Eltern, Rodin zum Essen einzuladen. Die Begegnung verlief jedoch unglücklich für beide und Rodin reiste deprimiert wieder ab. In einem Brief an Rodin lenkte Camille ein und gab sich versöhnlich.

Am 12. Oktober 1886 setzte Rodin einen Vertragsbrief auf [1]), der vermutlich von Paul Claudel diktiert wurde und in dem Rodin sich verpflichtete, Camille als einzige Schülerin zu unterrichten und mit allen Mitteln zu unterstützen, d.h. auch Einfluss zu nehmen, dass ihre Arbeiten bei Ausstellungen gut platziert und in der Presse positiv besprochen würden.

Rodin: Camille mit phrygischer Haube; 1886

In dem Vertragsbrief verpflichtete er sich weiterhin, sich bis Mai 1887 mit keiner anderen Frau einzulassen, weder mit einem der früheren weiblichen Modelle noch mit Schülerinnen. Ferner verlangte Camille, vom renommierten Fotografen Carjat fotografiert zu werden, eine sechsmonatige Italienreise, ein Reiterdenkmal - falls Rodin diesen Auftrag bekommen sollte - auszuführen und schließlich sie zu heiraten. Als Gegenleistung sagt sie zu, Rodin viermal im Monat, bis Mai 1887, in ihrem Atelier zu empfangen. Keine der Abmachungen wurde gänzlich erfüllt, einige lediglich partiell. Ab Frühjahr 1887 waren Jessie und eine englische Freundin wieder im Atelier Rodin.

Die Beziehungen zwischen Camille und Rodin waren in der ganzen Zeit schwierig. Es gab Streitereien, Gefühlsschwankungen und Gefühlsausbrüche. Im Sommer reisten beide, wie auch schon 1890 und 1891, zum Chateau l'Islette. 1888 verließ Camille Claudel die elterliche Wohnung, weil sie dort nicht arbeiten konnte und die Mutter sowohl die Beziehung zu dem viel älteren Rodin als auch grundsätzlich ihre Arbeit als Bildhauerin missbilligte.

Sie mietete sich eine kleine Wohnung im Haus 113 am Boulevard d'Italie. In der Nähe hatte Rodin ein geheimes, nicht offizielles Atelier im Schlösschen Palais Folie-Neufbourg, das schon Alfred de Musset und George Sand bewohnt hatten. Hier trafen sich Rodin und Camille. Um 1888/89 hatte Camille eine kurze Affaire mit Claude Debussy, die aber schon 1891 beendet war. Aber auch Rodin traf sie in der Zeit und arbeitete in seinem Atelier.

1892 verließ sie das gemeinsame Atelier. Von 1893 an trennte Camille Beruf und Alltag und beendete das Verhältnis mit Rodin. Nach der Trennung geriet sie finanziell und emotional in eine tiefe Krise. 1898 verließ Camille den Boulevard d’Italie und ließ sich für ein Jahr in der Rue de Turenne 63 nieder. 1899 übersiedelte sie an den Quai Bourbon 19, wo sie bis 1913 in einer düsteren, unordentlichen und vollgestopften Zwei-Zimmer-Wohnung hauste. Claudel hatte sich physisch von einer schlanken Frau 1899 in eine unansehnliche aufgedunsene Frau verändert. Um 1905 waren die Symptome einer psychischen Erkrankung, die zu ihrer Zeit als Paranoia bezeichnet wurde, offensichtlich. Von 1905 an zerstörte sie systematisch jeden Sommer einen Großteil ihrer Werke. In ihrem Verfolgungswahn beschuldigte sie Rodin des Plagiats und einer Verschwörung. Außerdem hatte sie einen Vergiftungswahn. Im Laufe der Jahre verschlechterte sich ihr Zustand weiter.

Krankheit und Tod

Denkmal für Camille Claudel in Montfavet.

Vom Tod des Vaters am 2. März 1913 erhielt Camille keine Nachricht. Deswegen erschien sie auch nicht auf der Beerdigung. Da Camilles Vater, ihr letzter heimlicher Unterstützer und Verteidiger, nun tot war, beschlossen Camilles Mutter und ihr Bruder, Camille in eine psychiatrische Anstalt einweisen zu lassen. Einen Tag nach der Beerdigung ließ sich der Bruder von einem Dr. Michaux das Einweisungsattest ausstellen. Am 7. März riet der Direktor der Anstalt, das Attest, das er nicht für ausreichend hielt, zu ergänzen, wodurch die Einweisung verzögert wurde. Am Montag, dem 10. März 1913, wurde Camilles Wohnung aufgebrochen und sie selbst gegen ihren Willen in die Anstalt Ville-Évrard gebracht. Der für das Heim Ville-Évrard zuständige Arzt Dr. Truelle stellte ein zweites Attest aus, auf dem die gleichen Symptome wie auf dem vorherigen Attest beschrieben waren. Im September 1914 verlegte man Camille nach Montdevergues (Département Vaucluse) in Südfrankreich.

Camille Claudel verbrachte die letzten 32 Jahre ihres Lebens nahezu vergessen in psychiatrischen Anstalten, ohne ein weiteres Werk geschaffen und ohne je wieder Erfolg gehabt zu haben. Camille hätte die Anstalt laut Anstaltsleitung in den frühen Zwanziger Jahren verlassen können, doch lehnte die Mutter, die sie ebenso wie die Schwester in den Anstalten nie besucht hatte, die Entlassung entschieden ab.

Camille starb am 19. Oktober 1943 in Montdevergues, wo sie auch beerdigt wurde.

Werke

  • Shakuntala (Skulptur) (Wurde später in Vertumnus und Pomona umbenannt nachdem es aus Marmor nachgebildet wurde)

Adaptionen

  • Ihr Leben wurde 1988 unter dem Filmtitel Camille Claudel mit Madeleine Robinson als Mutter, Isabelle Adjani als Camille Claudel und Gérard Depardieu als Rodin unter der Regie von Bruno Nuytten verfilmt. Neben zwei Nominierungen für den Oscar 1990 konnte sich der Film bei 7 von 14 Nominierungen für den Gewinn des César 1989 durchsetzen.
  • Werke von ihr finden sich unter anderem im Musée d'Orsay in Paris. Nach ihr wurde ein Sozialtherapeutisches Wohnheim für psychisch kranke Menschen in Hürth benannt.
  • Ein Camille Claudel gewidmetes Theaterprojekt im Linzer Posthof hatte im Februar 2009 Uraufführung – Camille Claudel, Regie: Ingrid Höller.[2]
  • Jutta Wörne widmete Camille Claudel ein emotionales, abendfüllendes Ballett am Theater Nordhausen. Die Uraufführung von Camille Claudel.Bildhauerin. fand am 3.April 2009 statt. In der Hauptrolle tanzt Aleksandra Wojcik, August Rodin wird von Jérôme Gosset verkörpert. Camilles Bruder Paul wird von Arkadiusz Głębocki getanzt.

Anmerkung

  1. Im Nachlass Rodins erst 1989 wiederaufgetaucht
  2. Oberösterreichs Neue vom 30. Jänner 2009 Beeindruckende Frauengestalten

Literatur

  • Anne Delbeé: Der Kuss. Kunst und Leben der Camille Claudel. Roman, Goldmann, München 2003, ISBN 3-442-73054-6
  • Renate Flagmeier: Studien zum Werk der Camille Claudel und anderer Künstler aus dem Umkreis des Auguste Rodin. Magisterarbeit an der Freien Universität Berlin 1984
  • Hans-Dieter Mück (Hg.): Camille Claudel 1864 – 1943. Das Lehrwerk der ersten großen europäischen Bildhauerin. Skulpturen und Zeichnungen. Zur Ausstellung in der Kunsthalle Rostock, 20. Januar bis 1. April 2007. Kunsthalle Rostock 2007, ISBN 3-935144-16-4
  • Barbara Krause: Camille Claudel. Ein Leben in Stein. Neues Leben, Berlin 1990, ISBN 3-355-01042-1
  • Reine-Marie Paris: Camille Claudel 1864 – 1943. S. Fischer, Frankfurt/M 1989
  • Josef A. Schmoll: Rodin und Camille Claudel. Prestel, München u.a. 2000, ISBN 3-7913-2450-0
  • Georg Franzen: Camille Claudel. In: Georg Franzen. „Symbolisches Verstehen. Beiträge zur angewandten Kunstpsychologie“. S.60-76, Peter Lang, Frankfurt/M. 2004, ISBN 3631321112

Weblinks


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