Christiane Ruthardt

Christiane Ruthardt
Christiane Ruthardt am 20. Dezember 1844 vor Gericht

Christiane Ruthardt (* 1804; † 27. Juni 1845 in Stuttgart) war eine deutsche Mörderin.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Christiane Ruthardt war die uneheliche Tochter der Hauptmannswitwe Henriette von Lehste und des Hofmedicus von Klein. Sie wuchs unter dem falschen Namen Mayer bei Pflegefamilien in Ludwigsburg auf, arbeitete dann als Dienstmädchen und erfuhr erst im Alter von 20 Jahren die Wahrheit über ihre Herkunft. Von einer Dienstherrin erbte sie 400 Gulden. 1839 konnte sie mit dieser Mitgift den Stuttgarter Goldarbeiter Eduard Ruthardt heiraten, mit dem sie ein oder mehrere Kinder bekam.[1] Die Familie lebte in der Torstraße in Stuttgart. Eduard Ruthardt hielt sich für einen Erfinder. Er verbrauchte das Geld seiner Gattin schnell und begann dann erhebliche Schulden zu machen, um Bücher und Gerätschaften zu kaufen. Der Versuch, in Wildbad eine Gastwirtschaft zu eröffnen und so Geld zu verdienen, scheiterte.[2]

Da eine Scheidung nach geltendem Gesetz kaum möglich war, kam Christiane Ruthardt schließlich auf den Gedanken, sich durch einen Giftmord von ihrem Ehemann zu befreien. Sie suchte mehrere Ärzte auf, um sich Arsenik zu verschaffen, das sie ihrem Mann in die Speisen und Medikamente mischen wollte; als Vorwand gab sie an, mit dem Gift eine Rattenplage bekämpfen zu wollen. Tatsächlich gingen drei Ärzte, darunter Dr. Johann Wilhelm Camerer, auf ihr Anliegen ein.

Im Frühjahr 1844 zeigten sich ihrem Mann die ersten Symptome der Vergiftung. Sein Hausarzt, Dr. Voettiner, diagnostizierte eine Magenentzündung und griff zu einer Behandlung mit Brausepulver, Blutegeln und Senfteigkompressen. Am 9. Mai attestierte der Arzt dem Vergifteten noch gute Genesungschancen, am 10. Mai allerdings fand er ihn, von Christiane Ruthardt ans Krankenbett gerufen, in hoffnungslosem Zustand vor und einen Tag später starb Ruthardt.

Aufklärung des Kriminalfalls

Abtransport nach der Verhandlung in Esslingen

Vier Stunden nach Ruthardts Tod wurde Christiane Ruthardt durch Polizeidiener Gölz festgenommen und auf das Kriminalamt Stuttgart gebracht. Diakon Hofacker hatte den Sterbenden besucht und später mit seinem Schwager und dessen Gattin über den Fall gesprochen. Die Frau des Schwagers erinnerte sich an eine Begegnung mit Christiane Ruthardt im Haus Dr. Camerers. Bei dieser Gelegenheit hatte sie erfahren, dass Christiane Ruthardt diesen um Arsenik und ein Abführmittel gebeten hatte. Diese Tatsache lenkte nun den Verdacht auf die Witwe.

Die Hauptverhandlung des Falles fand am 20. Dezember 1844 vor dem Criminal-Senat des Königlichen Gerichtshofes in Esslingen statt. Am 23. Dezember 1844 wurde Christiane Ruthardt zum Tod durch Enthauptung und zur Bezahlung der Prozesskosten verurteilt. Ihr Verteidiger aus Marbach am Neckar reichte mehrere Gnadengesuche und Bitten um ein psychologisches Gutachten ein, die jedoch verworfen wurden. Am 23. oder 27. Juni 1845[3] wurde Christiane Ruthardt auf der Feuerbacher Heide mit dem Schwert hingerichtet.

Die Akten zum Kriminalfall Ruthardt befinden sich im Staatsarchiv Ludwigsburg; sie tragen die Signatur E 319 Bü 159–160.

Affäre Ruthardt

Als „Affäre Ruthardt“ wurden einige skandalöse Vorgänge um Christiane Ruthardts Leichnam bekannt, die dazu führten, dass eine Diskussion über den Umgang mit Anatomieleichen in Gang kam. Vor ihrer Hinrichtung hatte Christiane Ruthardt darum gebeten, ihren Leichnam an Ort und Stelle einzuscharren statt ihn der Anatomie in Tübingen zu übergeben. Diesem Wunsch wurde aber nicht stattgegeben, sondern die eingesargte Tote wurde einem Fuhrmann zum Transport nach Tübingen anvertraut. Obwohl der Transport eigentlich von zwei Landjägern begleitet werden sollte, wurde offenbar ungehindert in Dettenhausen der Sarg geöffnet und die Leiche vor Neugierigen zur Schau gestellt. In Tübingen angekommen, blieb der Sarg mehrere Stunden frei zugänglich im Hof der Anatomie stehen. Christiane Ruthardts Kopf wurde aus dem Sarg gehoben, umhergeworfen und seiner Haare beraubt. Im Juli 1845 erschien ein empörter Artikel im Beobachter. In der Folge wurde am 18. Juli 1845 der Anatomiediener Rösch entlassen, der den Leichnam hätte verwahren müssen; ferner wurde die Vorschrift erlassen, Anatomieleichen nur noch nachts zu transportieren. 1855 wurde diese Vorschrift durch die Anordnung ersetzt, die Toten in verschlossenen und mit Stroh kaschierten Kisten zu transportieren. 1863 verzichtete man darauf, die Transporte aus dem Vermögen der Hingerichteten bzw. der Hinterbliebenen zu finanzieren, und übertrug diese Pflicht der Anatomiekasse. 1865 schließlich fand sich die Württembergische Abgeordnetenkammer mit einem Antrag auf kirchliche oder gleichwertige Bestattung der Anatomieleichen konfrontiert. In einem Gegenantrag plädierte der Abgeordnete Wächter unter deutlicher Bezugnahme auf den Fall Ruthardt dafür, die Leichen in der Anatomie „anständig“ zu behandeln, was sicher auch die Zahl der freiwillig zur Verfügung gestellten Körper vergrößern werde. Beide Anträge wurden positiv beschieden; in der Folge zeigten sich allerdings erhebliche Schwierigkeiten, was die Durchführung der kirchlichen Begräbnisse betraf.[4]

Literatur

  • Susanne Bühler, Gift für den Gatten. Ein Stuttgarter Mordfall im 19. Jahrhundert, Silberburg-Verlag, Tübingen 1995, ISBN 978-3874071963
  • Dorothea Keuler, Verlorene Töchter. Historische Skandale aus Baden und Württemberg, Silberburg-Verlag, Tübingen
  • Susanne Kord, Murderesses in German Writing, 1720-1860: Heroines of Horror, Cambridge University Press 2009
  • Joachim Linder und Jörg Schönert, Ein Beispiel: Der Mordprozeß gegen Christiane Ruthardt (1844/45). Prozeßakten, publizistische und literarische Darstellung zum Giftmord, in: Jörg Schönert (Hg.), Literatur und Kriminalität. Die gesellschaftliche Erfahrung von Verbrechen und Strafverfolgung als Gegenstand des Erzählens. Deutschland, England und Frankreich 1850-1880, Tübingen 1983, S. 239-359
  • Markus T. Mall, Mord in Schwaben. Wahre Fälle und ihre Hintergründe vom Mittelalter bis in die Gegenwart, Silberburg-Verlag, Tübingen 2006, ISBN 3874077012

Einzelnachweise

  1. [1] nennt drei Söhne, von denen nur einer die Mutter überlebt habe, in anderen Quellen ist die Rede von einer Tochter.
  2. http://www.diss.fu-berlin.de/diss/servlets/MCRFileNodeServlet/FUDISS_derivate_000000003181/1_Einleitung.pdf?hosts=
  3. Hier widersprechen sich die Quellen; http://web23.cletus.kundenserver42.de/2006/03/03/hier-spricht-die-justiz/ nennt den 27. Juni 1845, während hier andere und einander z. T. widersprechende Daten genannt werden.
  4. Klaus D. Mörike, Geschichte der Tübinger Anatomie, 1988, ISBN 978-3164453462, S. 64 ff.

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