Tomlinson-Kommission

Tomlinson-Kommission

Die Tomlinson-Kommission (Kurzname) war ein 1950 gegründetes Beratungsgremium der südafrikanischen Regierung mit Sitz an der Universität Pretoria und stand unter der Leitung des Ethnologen und Agrarökonomen Frederik Rothmann Tomlinson (* 21. Oktober 1908, † 25. Februar 1991). Ihr vollständiger Name war in Englisch Commission for the socio-economic development of Bantu areas within the Union of South Africa und in Afrikaans Kommissie vir die sosio-ekonomiese ontwikkeling van die Bantoe-gebiede binne die Unie van Suid-Afrika.[1]

Inhaltsverzeichnis

Zielsetzung

Das Ziel dieser Kommission bestand in der wissenschaftlichen Untersetzung der Apartheidspolitik durch die National Party und in der Ausarbeitung realisierbarer Umsetzungsstrategien. Sie schuf wissenschaftlich basierte Grundlagen zur Umsetzung der Apartheidspolitik in Südafrika.

Aus ihrer Tätigkeit stammt die Aussage, dass die politisch gewollte Apartheid nur mit konsequent getrennter Inlandentwicklung (Separate Development) innerhalb der Südafrikanischen Union und unter Einbeziehung von Swasiland, Lesotho und Betschuanaland (heute Botswana) zu erlangen sei. Nur ein Kommissionsmitglied kam 1956 zur Einschätzung, dass eine weitgehende Rassentrennung nicht gelingen könne. Jedoch setzte sich der oberste Grundsatz durch, dass alle Angelegenheiten der eingeborenen Bevölkerung politisch und administrativ zentralisiert werden müssen. Demzufolge beseitigte man in den 1950er Jahren unterschiedliche Ansätze jeweiliger Regionalpolitik im Lande.

Ergebnisse

Aus den Arbeiten dieser Kommission ergaben sich zwei Szenarien für die künftige Gestaltung der Eingeborenenpolitik durch die Apartheidsregierung:

  1. Assimilation der schwarzen Bevölkerung in allen Bereichen der Gesellschaft durch einen kompletten kulturellen Verfall (kulturelle Assimilation - ökonomische Assimilation - soziale Assimilation - politische Assimilation - finale biologische Assimilation)
  2. eine getrennte Entwicklung mit Aufwertung traditioneller Siedlungsgebiete und die Vermeidung einer weiteren Urbanisierung schwarzer Bevölkerungsgruppen in den vorhandenen städtischen Ballungsräumen.[2]

Der Abschlussbericht der Tomlinson-Kommission (Verslag van die Kommissie vir die Sosio-ekonomiese Ontwikkeling van die Bantoegebiede binne die Unie Van Suid-Afrika) schlug drei Kernpunkte für die künftige Regierungspolitik vor:

  1. die Trennung der Farmer von Nichtfarmern,
  2. eine Landrekultivierungspolitik,
  3. die Industrialisierung der Eingeborenenreservate.

Im Zuge dieser Empfehlungen sollte der Tribalismus und die Bantu-Selbstverwaltung (Self Goverment) gefördert werden. Die zunehmenden Probleme überweideter und erodierter Agrarflächen wollte man mit einer umfassenden Landaufteilung begegnen.[3]

Weitere konkrete Vorschläge waren beispielsweise:

  • Rückführung der außerhalb bestehender Reservate lebenden schwarzen Südafrikaner (5,6 Millionen Menschen),
  • Vereinigung der 264 Eingeborenenreservate zu einem selbstverwalteten und wirtschaftlich relativ unabhängigen Gebiet,
  • Errichtung einer gewerblich-industriellen Struktur in dem zusammengefassten Reservat, um das Arbeitskräftepotential konzentrierter nutzen zu können.

Zur Erlangung dieser Ziele schätzte die Kommission den finanziellen Aufwand für den südafrikanischen Staat. Man ging dabei nach vorsichtigen Annahmen von einer Summe in Höhe von 104 Millionen Pfund über einen Zeitraum von zehn Jahren aus.[4] Diese Empfehlung sah die Regierung sehr kritisch und war ein Punkt der Reportes, der später mit verschiedenen Mitteln diskreditiert werden sollte.[5]

Oswald Pirow (links im Bild) auf dem Empfang von NS-Außenminister Joachim von Ribbentrop am 19. November 1938

Die Arbeitsergebnisse der Tomlinson-Kommission waren keine völlige Neuschöpfung, sondern beruhten in Teilen auf Feststellungen der Native Economic Commission aus dem Jahr 1932 (Report of the Native Economic Commission, Pretoria) sowie auf Vorarbeiten von Oswald Pirow, einem Juristen und früheren südafrikanischen Verteidigungs- und Justizminister mit guten Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland.[6][7]

Im Jahr 1956 nahm die südafrikanische Regierung offiziell zum Report Stellung. Sie lobte die Bestätigung ihrer Politik, die eine Integration der schwarzen Bevölkerung nicht vorsah und dagegen den Weg einer getrennten Entwicklung anstrebte. Allerdings lehnte man drei Empfehlungen aus der Arbeit der Kommission ab:

  • Reform des Landbesitzes in Südafrika
  • Gewinnung europäischer Kapitalinvestitionen für Vorhaben in ländlichen Gebieten Südafrikas
  • Einrichtung einer institutionellen Development Corporation unter Leitung des Departement of Native Affairs.

Der Bericht der Kommission besteht aus 18 Bänden mit insgesamt 3755 Seiten. Er war in 15 Kapitel gegliedert und verfügte über 598 Tabellen und 66 Karten. Von diesem umfangreichen Werk existiert eine Zusammenfassung aus dem Jahr 1955 mit dem Titel: Summary of the Report of the Commission for Socio-Economic Development of the Bantu Areas within the Union of South Africa oder Samevatting van die verslag van die Kommissie vir die Sosio-Ekonomiese Ontwikkeling van die Bantoegebiede binne die Unie van Suid-Afrika.

Einige Mitglieder der Tomlinson-Kommission waren durch ihren familiären oder beruflichen Hintergrund von Denkrichtungen aus dem Kreis der Buren geprägt. Tomlinson selbst hatte eine Professur für Agrarökonomie an der Universität Stellenbosch inne. Chris Prinsloo kam aus der Urban Affair Section, Michel Daniel Christiaan de Wet Nel war Vorsitzender von der Naturellesakegroep (Native Affairs Group) und C. B. Young, ein Unterstaatssekretär aus dem Regierungsbereich Native Areas (Eingeborenengebiete).[3]

Literatur

Einzelnachweise

  1. bibliographischer Nachweis der Kommission im Bestand der Universität Pretoria
  2. Andrea Lang: Separate Development, S. 63-64
  3. a b Ivan Evans: Bureaucracy and Race. Nature Administration in South Africa. 1997, Berkley, Los Angeles, London, University of California Press, Kapitel: The Tomlinson Commission and Bantu Authorities
  4. Pierre L. van den Berghe: Racial Segregation in South Africa: Degrees and Kinds. In: Cahiers d’études africaines. Vol. 6 (1966) Nr. 23, S. 417, Fußnote
  5. Andrea Lang: Separate Development, S. 66, Fußnote 250
  6. Robert L. McCormack: Man with a Mission: Oswald Pirow and South African Airways. 1933-1939. In: Journal of African History, Vol. 20 (1979), S. 543-557
  7. Rassentrennung. Der weiße Traum. In Spiegel Nr. vom 24. Juni 1959 S. 35

Weblinks


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