- Çukuriçi Höyük
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37.92916666666727.359444444444Koordinaten: 37° 55′ 45″ N, 27° 21′ 34″ O
Der Çukuriçi Höyük (türk.: "Hügel in der Senke") ist eine prähistorische Tellsiedlung in der Westtürkei, etwa einen Kilometer südöstlich der antiken Stadt Ephesos, im Süden der modernen Stadt Selçuk in der Provinz İzmir gelegen. Seit 2006 wird die Fundstelle systematisch ergraben[1].
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Der Çukuriçi Höyük liegt in einer heute sehr fruchtbaren Ebene inmitten blühender Obstplantagen. Ausgrabungen konnten zeigen, dass es sich bei dem in der Landschaft deutlich sichtbaren Hügel um einen prähistorischen Tell (Höyük) handelt: Durch die jahrtausendelange Nutzung als Siedlungsplatz an derselben Stelle entstanden massive, übereinanderliegende Kulturschichten, die zu einem künstlichen Hügel angewachsen sind. Diese Siedlungsform ist in den Perioden des Neolithikums und der Bronzezeit (8.–2. Jahrtausend v. Chr.) vom Orient bis Südosteuropa typisch, in Westanatolien sind bis heute jedoch nur wenige Tells ausgegraben und systematisch erforscht. Auf dem Çukuriçi Höyük konnten bisher insgesamt fünf übereinanderliegende Siedlungen aus verschiedenen Perioden in unterschiedlichem Ausmaß ausgegraben werden. Sie erlauben einen ersten Einblick in die Geschichte dieses Siedlungshügels.
Bereits am Ende des 7. Jahrtausends v. Chr. (Spätneolithikum/Frühchalkolithikum) wurde der Platz als Wohnareal genutzt: Wie Reste eines Hauses aus Steinsockelmauern mit Lehmwänden belegen, siedelten die Menschen hier wahrscheinlich schon dauerhaft. Die Ernährung war selbst in diesem frühen Stadium vielseitig und basierte überwiegend auf Haustierhaltung von Schweinen, Schafen und Ziegen sowie Rindern. Ergänzt wurde die Nahrung durch die Jagd auf Hase, Fuchs, Rothirsch und Auerochs sowie das Aufsammeln von Meeresmuscheln. Eine handwerkliche Spezialisierung der hier siedelnden Menschen zeigt sich unter anderem an den qualitätsvollen Keramikgefäßen und den geschlagenen Steingeräten, die überwiegend aus importiertem Obsidian hergestellt wurden[2]. Diese frühe Siedlung wurde nach ihrer Zerstörung, deren Ursache noch unklar ist, aufgegeben und offenbar verlassen.
Die nächstfolgende derzeit gesicherte Nutzung des Platzes lässt sich erst rund 1500 Jahre später, im entwickelten 4. Jahrtausend v. Chr., nachweisen. Ohne weitere Unterbrechung war der Hügel nun durchgehend bis etwa 2500 v. Chr. besiedelt, bevor er in dieser Periode der frühen Bronzezeit erneut aufgegeben wurde. Die Frühbronzezeit ist eine Epoche großer und nachhaltiger Veränderungen in der Ägäis und in Südosteuropa. Vermutlich ausgelöst durch den Bedarf an Metallen und ihrem Handel sowie dem daraus resultierenden Reichtum entstehen die ersten protourbanen Zentren und befestigten Großsiedlungen. Die Rolle Westanatoliens in dieser bedeutenden Entwicklungsphase der menschlichen Gesellschaften ist noch in vielen Bereichen unklar. Auf dem Çukuriçi Höyük wurden zu dieser Zeit große ein- und mehrräumige Gebäude aus massiven Steinsockeln mit Lehmziegelwänden errichtet. Die jüngste dieser Siedlungen ist durch Gewalteinwirkung, möglicherweise ein Erdbeben, zerstört und nicht wiederaufgebaut worden. Das Fundspektrum weist auf zahlreiche unterschiedliche und spezialisierte Tätigkeiten innerhalb der Siedlung hin. Von besonderer Bedeutung ist die Produktion von Kupferobjekten, deren Herstellung sich vom Guss in einer vorgefertigten Form bis zur Nachbearbeitung im Schmiedeverfahren nachweisen lässt. In den Ernährungsgewohnheiten der Bewohner ist ein deutlicher Wandel im Vergleich zu den vorangegangenen Perioden zu beobachten: Als Haustiere werden am Çukuriçi Höyük nun vor allem Schaf und Ziege gehalten, gejagt werden Hase, Fuchs, Wildschwein und Damwild, erweitert um die Jagd auf Wolf, Bär und verschiedene Vogelarten. Auch das Meer wird vermehrt als Nahrungsquelle genutzt: Neben dem bereits für frühere Zeiten nachgewiesenen Verwerten von Muscheln ist für die frühe Bronzezeit auch Fischfang im seichten wie im tieferen Gewässer zu belegen[3].
Umfeld
Die Rekonstruktion der prähistorischen Landschaft, die ursprünglich verlaufende Küstenlinie, die vorhandenen ökologischen Ressourcen und schließlich die klimatischen Bedingungen und ihre Veränderungen im Lauf der Jahrtausende bilden zentrale Fragenkomplexe bei der Erforschung des Hügels in seinem mikroregionalen Umfeld. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Besiedlungsgeschichte nur unter Einbeziehung verschiedenster Wissenschaftsdisziplinen zu begreifen ist. Das seit 2007 auf dem Çukuriçi Höyük arbeitende Forscherteam des Österreichischen Archäologischen Instituts setzt sich daher aus den Fachgebieten der Archäologie, Archäometallurgie, Archäozoologie, Archäobotanik, Anthropologie, Klimatologie und Physik sowie der Paläogeographie und Geologie/Mineralogie zusammen[4][5].
Bedeutung
Die Ausgrabungen auf dem Çukuriçi Höyük erbrachten die älteste Besiedlung von Ephesos, die vor mindestens 8200 Jahren beginnt. Geologische Bohrungen am Fuß des Hügels lassen weitere Siedlungsphasen erwarten, die noch früher in die Geschichte zurückreichen dürften. Bereits jetzt ist mit dem Çukuriçi Höyük aber einer der ältesten Plätze – nicht nur im Großraum von Ephesos – neu entdeckt worden. Zentrale Fragen nach der Ausbreitung der neolithischen Lebensweise vom Inneren Anatoliens bis nach Südosteuropa bilden nur einen Aspekt bei der Erforschung des Tells. Die Funktion des Hügels im 4. Jahrtausend, die in dieser Periode stattfindenden kulturellen Entwicklungen, die schließlich zu der neuen Epoche der Bronzezeit führten, bilden ein zusätzliches breites Forschungsfeld mit vielen unbeantworteten Fragen. Schließlich bietet der Çukuriçi Höyük mit seinen gut erhaltenen Siedlungsresten der frühen Bronzezeit auch Potenzial, die nachhaltigen kulturellen Veränderungen im frühen 3. Jahrtausend v. Chr. besser zu erfassen. Seine Lage an einem Schnittpunkt zwischen den Kulturräumen Anatolien und Ägäis erlaubt darüber hinaus Forschungen zu großräumigen Kontakten und Beziehungen, ohne die manche Entwicklungen in der Vorgeschichte der Menschheit nicht denkbar sind.
Fußnoten
- ↑ http://www.oeai.at/index.php/praehistorische-forschungen.html
- ↑ StTroica 18, 2008, 251–273.
- ↑ A. Galik – B. Horejs, 2009
- ↑ http://www.oeai.at/index.php/praehistorische-forschungen.html
- ↑ http://www.barbarahorejs.at/?page_id=16&langswitch_lang=en
Weblinks
Literatur
- B. Horejs, Çukuriçi Höyük. A New Excavation Project in the Eastern Aegean. www.aegeobalkanprehistory.net (6. Februar 2008) ISBN 978-80-223-2376-5.
- M. Bergner – B. Horejs – E. Pernicka, Zur Herkunft der Obsidianartefakte vom Çukuriçi Höyük, StTroica 18, 2008, 251–273.
- B. Horejs mit Beiträgen von F. Galik und U. Thanheiser, Erster Grabungsbericht zu den Kampagnen 2006–2007 am Çukuriçi Höyük, ÖJh 77, 2008, 91–106.
- B. Horejs, Metalworkers at the Çukuriçi Höyük? An Early Bronze Age Mould and a “Near Eastern weight” from Western Anatolia, in: T. L. Kienlin – B. Roberts (Hrsg.), Metals and Societies. Studies in honour of Barbara S. Ottaway, Universitätsforschungen zur Prähistorischen Archäologie 169 (Bonn 2009) 358–368.
- B. Horejs, Çukuriçi Höyük, in: J. Koder – S. Ladstätter, Ephesos 2008, Kazı Sonuçları Toplantası 31, 2009, 321–22. 330–31.
- B. Horejs, Neues zur Frühbronzezeit in Westanatolien, in: F. Blakolmer u. a. (Hrsg.), Österreichische Forschungen zur Ägäischen Bronzezeit 2009. Tagung Salzburg, 6.–7. März 2009 (im Druck).
- B. Horejs, Çukuriçi Höyük. Neue Ausgrabungen auf einem Tell bei Ephesos, in: A. Kazim Oz – S. Aybek (Hrsg.), Festschrift (im Druck).
- B. Horejs, Çukuriçi Höyük. A Neolithic and Bronze Age Settlement in the Region of Ephesos, in: M. Özdoğan u. a. (Hrsg.), The Neolithic in Turkey. Second Enlarged Edition (im Druck).
- B. Horejs – M. Mehofer – E. Pernicka, Metallhandwerker im frühen 3. Jt. v. Chr. – Neue Ergebnisse vom Çukuriçi Höyük, IstMitt 60, 2010 (im Druck).
- A. Galik – B. Horejs, Çukuriçi Höyük – Different Aspects of its Earliest Settlement Phase, in: R. Krauß (Hrsg.), Beginnings. New Approaches in Researching the Appearing of the Neolithic between Northwestern Anatolia and the Carpathian Basin. Workshop held at Istanbul Department of the German Archaeological Institute, April 8th–9th 2009 (im Druck).
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