Der Graf von Gleichen (Sage)

Der Graf von Gleichen (Sage)
Moritz von Schwind: Die Rückkehr des Grafen von Gleichen

Der Graf von Gleichen ist eine Sage aus Thüringen.

Inhalt

Die Sage hat einen thüringischen Grafen zum Gegenstand, der einmal Ernst und ein andermal Ludwig von Gleichen genannt wird. Er zieht mit Landgraf Ludwig IV. 1227 auf einen Kreuzzug und lässt seine Gemahlin mit zwei Kindern zurück. Er wird gefangen genommen und von einem Sultan viele Jahre als Sklave gehalten. Die überaus schöne Tochter des Sultans verliebt sich in ihn und verspricht ihn zu befreien, wenn er sie mit sich nehmen und sie heiraten wolle. Daran gewöhnt, dass ein Mann mehrere Frauen haben dürfe, stößt sich die Muslimin nicht daran, dass der Graf bereits verheiratet ist. Beiden gelingt es zu Schiff zu fliehen. Glücklich in Venedig angekommen, eilt der Graf nach Rom. Der Papst tauft die Mohammedanerin und gibt dem Grafen die Erlaubnis zu einer zweiten Ehe. Bei der Ankunft auf der Burg Gleichen in Thüringen preist er seiner Frau die Verdienste der Sultanstochter, ohne die er Sklave geblieben, seine Frau Witwe und die Kinder Waisen wären. Die beiden Frauen vertragen sich aufs beste, sie teilen mit dem Grafen das Bett und nach ihrem Tod das Grab. Die Sage spricht von dem „zweibeweibten“ Grafen und einer „Doppelehe“.

Relikte sollen die Sage bewahrheiten. Darunter vor allem der Leichenstein im Erfurter Dom, der einen Ritter mit einer Gemahlin zur rechten und zur linken Seite zeigt, sowie mehrere dreischläfrige Betten. Den Burgweg von Freudental, an dem sich die beiden Frauen erstmals begegneten, zur heutigen Ruine des Schlosses Gleichen hat die sarazenische Gemahlin der Sage nach pflastern lassen; seitdem wird er „Türkenweg“ genannt.

Verarbeitungen in Literatur, Musik und bildender Kunst

Die Sage wird seit dem 16. Jahrhundert literarisch verarbeitet. Seit dem späten 18. Jahrhundert macht der Stoff in der Literatur, der Musik und bildenden Kunst Karriere. So entstehen in diesen Jahren Balladen von Löwen, Bodmer und Friedrich Leopold, Graf zu Stolberg. In der Erstfassung von Stella. Ein Schauspiel für Liebende (1775) lässt Goethe unter Bezug auf die Sage vom Grafen von Gleichen Fernando mit beiden von ihm geliebten Frauen, Cäcilie und Stella, nach dem Motto „Eine Wohnung, ein Bett und ein Grab“ glücklich werden. Populär wurde die Sagenbearbeitung „Melechsala“ – so heißt hier die Sultanstochter - in den „Volksmärchen der Deutschen“ von Musäus. Hier wird der Stoff romanhaft ausgestaltet und mit Anekdoten (z.B. dem Rosenwunder der Heiligen Elisabeth von Thüringen) angereichert; die zahlreichen Anspielungen und Reflexionen widersprechen der späteren romantischen Auffassung einer Sage.

In der Romantik wird die Erzählung von den Brüdern Grimm in ihren „Deutschen Sagen“ kanonisiert. In seinen „Sagen aus Thüringens Vorzeit“ (1837) trägt Ludwig Bechstein einen ganzen „Sagenkreis der drei Gleichen“ zusammen. Der Stoff regte zu mehreren Dramen, Singspielen, Opern und Operetten an, darunter ein Drama von Arnim und die unvollendete romantische Oper von Schubert mit dem Text von Bauernfeld. Als Gemälde ist „Die Rückkehr des Grafen von Gleichen“ (1864) von Moritz von Schwind von besonderer Bedeutung. Diese Bearbeitungen legen den Stoff teils tragisch, teils komisch aus und variieren ihn.

Auch im 20. Jahrhundert wird die Sage mehrfach aufgegriffen, so in der Ballade „Die Gräfin von Gleichen“ von Agnes Miegel. Die jüngste Bearbeitung bietet das Musical Der Graf von Gleichen von Peter Frank, das 2006 in Mühlberg mit Blick auf die Drei Gleichen uraufgeführt wurde.

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