Georgi-Dimitrow-Mausoleum

Georgi-Dimitrow-Mausoleum
Das Georgi-Dimitrow-Mausoleum im August 1969

Das Georgi-Dimitrow-Mausoleum (bulgarisch Мавзолеят на Георги Димитров) war ein Gedenkort für den weit über seine Landesgrenzen hinaus bekannten bulgarischen Politiker Georgi Dimitrow (im deutschen Sprachraum auch Dimitroff geschrieben). Es wurde nach dem Tod von Dimitrow (1949) bis 1950 fertiggestellt und befand sich bis zu seinem Abriss im Jahr 1999 im Zentrum der bulgarischen Hauptstadt Sofia.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Entwurf und Bau

Bereits einen Tag nach dem Tod von Dimitrow im Juli 1949 hatte der Bulgarische Ministerrat unter Leitung von Wassil Kolarow beschlossen, den Leichnam einbalsamieren und nach dem Vorbild des Lenin-Mausoleums in Moskau ein Mausoleum in Sofia zur öffentlichen Aufbahrung errichten zu lassen. Nach einem improvisierten Architektenwettbewerb wurde der bulgarische Architekt Georgi Owtscharow mit der Ausführung betraut, zu seinen Mitarbeitern zählten Ratscho Ribarow und Iwan Dantschew. Owtscharows Pläne sahen ein flaches Hallengebäude mit dorischen Säulen vor, was kurz vor der Fertigstellung vom ZK der BKP abgelehnt wurde. Der Bau musste so vereinfacht werden, dass nun an den Seiten und an der Frontseite je vier rechteckige schmucklose Pfeiler zur Anwendung kamen. Im Vorbereich des tempelartig wirkenden Gebäudes wurde eine etwa zwei bis drei Meter über Straßenniveau liegende Plattform errichtet, die als Tribüne für staatliche Veranstaltungen dienen konnte.

Die Bauleitung lag in den Händen des Ingenieurs Georgi Natow, General Iwan Winarow überwachte die Arbeiten. Erst am ersten September 1950 wurde das Mausoleum im Zentrum von Sofia offiziell eröffnet, weil die Einbalsamierung und die Innenausstattung des Gebäudes solange gedauert hatten. Im Feld über den Pfeilern stand in kyrillischen Lettern der Name des Toten.

Ausstattung

Im Inneren der Halle befand sich der in Russland nach dortiger Technologie einbalsamierte Leichnam von Georgi Dimitrow in einem gläsernen luftdicht abschließbaren Sarg auf rotem Fahnentuch unter konstanten klimatischen Bedingungen (17 ± 0,5 Grad Celsius). Die Temperaturkonstanz konnte mittels eines an den Zähnen befestigten Sensors überwacht und elektronisch nachgeregelt werden. Der Sarkophag wurde während der Besuchszeiten unter Schutzgas gesetzt und die Beleuchtung in der Halle erfolgte mittels spezieller Strahler und vorgesetzter Filter, damit keine biochemischen Reaktionen an dem toten Körper entstehen konnten. Die Decke der Halle erhielt eine Verkleidung mit rotem Tuch, die Kleidung des Leichnams wurde in bulgarischen Textilmanufakturen speziell hergestellt und nach den regelmäßigen medizinischen Untersuchungen komplett gewechselt. Das sowjetische Spezialistenteam für die Kontrolle des Leichnams blieb noch bis 1955 in Sofia, dann wurde die Verantwortung an bulgarische Gremien abgegeben.[1]

Das Mausoleumsgebäude war mit weißem russischen Marmor verkleidet, der später durch einheimisches Material (Wratscha-Stein) ersetzt wurde. Rechts und links des Eingangs wurden Bronzebüsten aufgestellt, neben der von Georgi Dimitrow gab es Darstellungen seiner politischen Weggefährten Dimitar Blagoew, Georgi Kirkow und Wassil Kolarow. Alle technischen Einrichtungen befanden sich im Kellerbereich. Auf der Plattform dieses Mausoleums standen bei den jährlichen Maidemonstrationen gelegentlich auch bei Militärparaden, die höchsten Staatsfunktionäre, auch Repräsentanten befreundeter Länder. Für die Politiker soll es im vorderen oder Kellerbereich auch Räumlichkeiten gegeben haben, in denen sie sich bei solchen stundenlangen Veranstaltungen zwischendurch erholen konnten.

In den Jahren 1974/1975 wurde die Haupthalle des Mausoleums vergrößert und die gesamte technische Ausstattung modernisiert. So war der größtenteils verehrte bulgarische Revolutionär und erster kommunistischer Staatspräsident hier für Besucher aus aller Welt neunundvierzig Jahre lang zu sehen, das Mausoleum wurde zu einem Pilgerort. (Nach dem Abriss des Gebäudes stellte sich heraus, dass im Untergrund 1958 ein Atomschutzbunker eingebaut worden war. Für den Fall eines Krieges gab es auch schon Pläne, den Leichnam mit einem speziellen Bus in eine Höhle des Balkangebirges verlegen zu lassen.)

Beseitigung

Nachdem am 9. September 1989 die Plattform des Mausoleums noch einmal für eine Machtdemonstration des Staates gedient hatte, musste das Haus am folgenden Tag für die Öffentlichkeit geschlossen werden, weil aufgebrachte Bulgaren Graffiti und antikommunistische Parolen aufgesprüht hatten und politische Änderungen forderten.

Mit dem nun besiegelten Ende der sozialistischen Ära in Bulgarien hatte die neue Regierung die überhöhte Ehrung einer einzelnen Person für nicht mehr zeitgemäß gehalten. Die Unterhaltskosten für das Mausoleum seien zu hoch gewesen: Wasser, Strom, Gehälter der technischen Spezialisten der bulgarischen Armee – insgesamt gab es 12 bis 13 Angestellte, darunter auch medizinisches Personal – die Ausrüstung musste rund um die Uhr funktionieren, weswegen die Wasser- und Stromversorgung des Mausoleums doppelt vorhanden waren. Am 17. Juli 1990 beschloss der neue Ministerrat unter Leitung von Andrei Lukanow, den Leichnam einzuäschern und auf dem Sofioter Zentralfriedhof beisetzen zu lassen. Dort erinnern ein Grabstein und ein Bildnis an den berühmten Politiker Georgi Dimitrow. Das Mausoleumsgebäude wurde am 21. August 1999 gesprengt und bis zum 27. August wurden die Trümmer abgefahren. Der frühere Standort ist nicht mehr zu erkennen, er ist ein Teil des Gartens vor dem Sofioter Nationaltheater auf dem Fürst-Alexander-I.-Platz.

Rezeption

In den 1960er- und 1970er-Jahren, als es in der ganzen Welt mehrere Mausoleen großer Staatsmänner wie Lenin, Ho Chi Minh, Sun Yat-sen, Mao Tsedong und eben Georgi Dimitrow gegeben hatte, dienten diese Gedenkstätten als kommunistische Wallfahrtsorte, Staatsbesucher oder Touristen wurden zu Besuchen veranlasst. Für einige Menschen galt das Mausoleum somit als „heilig“, andere hielten den Personenkult für übertrieben oder gar als Verhöhnung der Opfer des kommunistischen Terrors. Auch heute noch gibt es diese verschiedenen Sichtweisen.

Weblinks

Quellen

  • die bulgarische Seite zum Dimitrow-Mausoleum
  1. mit Google-Sprachtool übersetzte Erläuterungen zur Mumie G. Dimitrows
42.69553611111123.325077777778

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