Sozialismus

Sozialismus

Der Sozialismus ist eine der im 19. Jahrhundert entstandenen drei großen politischen Ideologien neben dem Liberalismus und Konservatismus. Der Begriff war nie eindeutig definiert und umfasst die Breite Palette von Anarchismus über Parlamentarismus und Demokratie akzeptierenden sozialdemokratischen, nur reformerischen Bewegungen bis zu revolutionär entstandenen, kommunistisch-totalitären oder autoritären Systemen (Realsozialismus, Nationaler Sozialismus) viele Varianten. Sozialisten betonen besonders die Grundwerte Gleichheit, Gerechtigkeit und Solidarität und legen meist Wert auf eine enge Wechselbeziehung zwischen praktischen sozialen Bewegungen und theoretischer Gesellschaftskritik, um beide miteinander in Richtung einer sozial gerechten Wirtschafts- und Sozialordnung weiterzuentwickeln. Dabei vertreten sie meist eine Gesellschaftsauffassung, die im Privateigentum der Produktionsmittel die Wurzel des Übels sieht und deshalb die Vergesellschaftung desselben erstrebt.[1][2] Kritiker des Sozialismus sind der Ansicht, eine nicht marktwirtschaftliche Wirtschaftsordnung, insbesondere die Zentralverwaltungswirtschaft, sei unvermeidlich sowohl ökonomisch ineffizient als auch unvereinbar mit individuellen Grundrechten und Rechtsstaatlichkeit.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der lateinische Ursprung societas bedeutet etwa Bündnis, Gemeinschaft.

Als socialistae (lateinisch) oder socialisti (italienisch) wurden im 18. Jahrhundert von aufklärungskritischen römisch-katholischen Theologen polemisch die Vertreter des modernen Naturrechts in der Art von Hugo Grotius und Samuel von Pufendorf benannt.[3] 1762 verfasste Jean-Jacques Rousseau sein contrat social, in dem der Staat auf dem Kontrakt (Vertrag) freier Individuen beruht. Seit 1793 wird in Deutschland für Anhänger des Pufendorfschen Solidaritätsprinzips der rechtsphilosophische Terminus „Sozialisten“ verwendet.[4]

Erstmalig findet sich das Wort Sozialismus kurz nach 1800 in der italienischen Form socialismo. Giacomo Giuliani verwendet diesen Begriff mit christlich universalistischen Vorzeichen in seiner Kritik an Rousseau positiv auf eine Gesellschaftsordnung, die auf hierarchische Gliederung, Gleichheit vor dem Gesetz und Eigentum basiert.[3]

Die ersten Nachweise der Verwendung des Worts socialist im Englischen fand man im Jahre 1824, das eigentliche französische socialisme erstmals 1832[5], geprägt von Joncières, weiter verbreitet von Leroux und Reybaud[6].

Eine Übertragung des ursprünglichen Begriffsadjektivs sozial in die heutige, deutsche Gesellschaftssprache ist – abgesehen vom streng Linguistischen – in der Nähe von gemeinsam…, gerecht… oder etwa gesellschaftlich zumutbar…, der Gemeinschaft zuträglich… zu suchen.

Das Adjektiv sozialistisch dagegen wird von Anfang an politisch verstanden. Es fand bzw. findet Verwendung gegenüber den französischen Sozialisten, in der Sozialdemokratie bis hin in den sozialistischen Staaten (s. u. Realsozialismus).

Definitionsproblematik

Schon in den zwanziger Jahren ließ der Soziologe Werner Sombart in einem Seminar alle damals bekannten Definitionen von Sozialismus ausarbeiten, und kam auf die Zahl von 260.[7]

Was unter Sozialismus zu verstehen sei, ist also generell und prinzipiell umstritten. Eine allgemein anerkannte, wissenschaftlich gültige und zuverlässige Definition, die eventuell sogar seine verschiedenen historischen Erscheinungsformen abdeckt, existiert nicht. Seit 130 Jahren zeichnet sich der Wortgebrauch durch eine große und teilweise unklare Bedeutungsfülle aus und unterliegt einem ständigen, tiefgreifenden Bedeutungswandel. Wegen dieser vagen Bedeutung werden dem Begriff zur näheren Präzisierung häufig Adjektive (proletarisch, wissenschaftlich, demokratisch, christlich, genossenschaftlich, konservativ, utopisch) vorangesetzt. Weitere Beispiele für dieses Vorgehen sind Agrarsozialismus, Staatssozialismus, Reformsozialismus und andere.[8]

Einen größten gemeinsamen Nenner des Begriffs können folgende Definitionen geben:

„Sozialismus bezieht sich auf ein weites Spektrum ökonomischer Theorien sozialer Organisation, welche sich kollektiven Besitz und politische Administration zum Ziel der Schaffung einer egalitären Gesellschaft zum Ziel gesetzt haben.“[9]
„Er kann definiert werden als Gegenmodell zum Kapitalismus entwickelte politische Lehre, die bestehende gesellschaftliche Verhältnisse mit dem Ziel sozialer Gleichheit und Gerechtigkeit verändern will, und eine nach diesen Prinzipien organisierte Gesellschaftsordnung sowie eine politische Bewegung, die diese Gesellschaftsordnung anstrebt.“[10]

Dass der Begriff, speziell seit den späten 1960er Jahren und dem Aufkommen der Neuen Linken, kaum noch sinnvoll einzugrenzen ist, macht folgende Definition deutlich:

„Der Begriff ist heute kaum mehr eindeutig und inzwischen uferlos ausgeweitet. Sozialismus wird dabei für verschiedene politische Ziele und Inhalte kontinuierlich umdefiniert und angepaßt.“[11]

Die Bedeutungsvielfalt wird zusätzlich dadurch gesteigert, da der Begriff Sozialismus sowohl Methoden und Zielvorstellungen, gesellschaftlich-politische Bewegungen als auch historisch-gesellschaftliche Phasen und existierende Gesellschaftssysteme bezeichnen kann:

  • eine auf die Deutung, Analyse, Kritik, Idealvorstellung und/oder praktische Gestaltung bestimmter gesellschaftlicher Verhältnisse gerichtete sozialökonomisch, politisch, philosophisch, pädagogisch bzw. ethische Lehre;
  • eine politische Bewegung, welche versucht die durch den Sozialismus begründeten Forderungen und Ziele praktisch zu verwirklichen;
  • der Gesellschaftszustand bzw. die Gesellschaftsordnung welche in wirtschaftlichen Produktionsweisen und Lebensformen den Sozialismus verkörpert;
  • im Rahmen des Marxismus-Leninismus eine weltgeschichtliche Entwicklungsphase im Übergang von der kapitalistischen zur kommunistischen Gesellschaftsformation.[12]
  • den Begriff „Realsozialismus“ mit dem sich jene Staaten bezeichneten, die seit 1917 von einer Kommunistischen Partei, in der Regel in einem Ein-Parteien-System, regiert wurden.

Sozialismus als eigene Formation

Helmut Koziolek vom Zentralinstitut für sozialistische Wirtschaftsführung und Otto Reinhold von der Akademie für Gesellschaftswissenschaften beim ZK der SED waren der Meinung, dass der Sozialismus eine eigene Formation sei, die vom Kommunismus gedanklich geschieden werden müsse, und sich ausreifen müsse.[13]

Historischer Überblick

Eine explizit sozialistische Bewegung entwickelte sich erst in Folge von Aufklärung und industrieller Revolution zwischen Ende des 18. Jahrhunderts und Mitte des 19. Jahrhunderts. Sie war eng verwoben mit der Entstehung der Arbeiterbewegung. Wie bei allen -ismen trat der Sozialismus historisch in vielfältigen Formen auf: von den genossenschaftlichen Ideen der Frühsozialisten über die parteipolitische Organisation in sozialdemokratischen, sozialistischen und danach Kommunistischen Parteien, die im Verlauf des 20. Jahrhunderts oft unterschiedliche Ausprägungen annahmen, bis hin zu den verschiedenen Auslegungen des sozialistischen Anarchismus.

Klassischer Sozialismus

In der Theorie des 'klassischen' Sozialismus wird die Auffassung vertreten, dass die Profitinteressen der Kapitaleigner die Produktion nicht am Bedarf der Gesellschaft ausrichten. Profitinteresse bringe privates Kapital dazu, sich in wenigen Händen zu konzentrieren. Diese Entwicklung führe zu einer finanziellen Oligarchie, deren Macht auch von einer demokratischen Gesellschaft immer weniger kontrolliert werden könne. Daraus wird in der Theorie des klassischen Sozialismus der Schluss gezogen, dass es notwendig sei, die Produktionsmittel mittels Vergesellschaftung oder Verstaatlichung der Verfügungsgewalt der Klasse der Kapitalisten zu entziehen. Die Verteilung von Gütern soll nach Auffassung des klassischen Sozialismus nicht über den Markt, sondern durch staatliche Lenkung oder auf Arbeiterselbstverwaltung beruhende, gesamtgesellschaftliche Räteverwaltung (siehe Planwirtschaft bzw. Rätedemokratie) erfolgen.

Im Unterschied zum Liberalismus bezieht sich die sozialistische Theorie nicht allein auf Gleichheit der Menschen vor dem Gesetz, sondern auf die materielle Gleichheit im Ergebnis (gleiche Verteilung des gesellschaftlichen Reichtums), im Idealfall mit dem Ziel einer klassenlosen Gesellschaft. Freiheit wird als Möglichkeit zur Emanzipation verstanden, die sich nur durch eine soziale Integration aller Menschen in die Gesellschaft erreichen lasse. Der Sozialtheoretiker Karl Marx ging davon aus, dass nach der Weltrevolution der Staatsapparat mit der Zeit überflüssig sein und absterben werde (ausführlicher erläutert in Lenins Staat und Revolution). Der Staat habe vor allem die Aufgabe, die erwirtschafteten Güter zum Wohle aller sozial gerecht zu verteilen.

Anarchismus

Die Theorie des sozialen Anarchismus lehnt staatliche Strukturen als Herrschaftsinstrument ab. Der Anarchismus baut auf die freiwillige Verbindung der Individuen in Kollektiven, Räten und Kommunen, um dieselben Ziele zu erreichen. Der Anarchismus strebt eine Synthese zwischen individueller Freiheit und kollektiver Verantwortung an und unterscheidet sich von den autoritären Strömungen.

Reform versus Revolution

Beim Versuch einer Begriffsdefinition ist es wichtig, zwei miteinander unvereinbare sozialistische Grundanschauungen zu unterscheiden:

  • Sozialismus, der eine soziale Demokratie im westlich-parlamentarischen Sinne anstrebt und Reformen im Rahmen dieses Systems zur Beseitigung sozialer Missstände erreichen will.
  • Sozialismus, der in der Demokratie nur ein vorübergehendes Zwischenstadium in der Entwicklung zu einer sozialistischen Demokratie sieht und alles tut, sei es auf dem Wege der Revolution oder allmählichen Zersetzung des alten Systems, um die parlamentarische Demokratie zu überwinden.[14]

Vertreter beider Richtungen grenzten sich schon früh voneinander ab. So im sogenannten Revisionismusstreit gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Rosa Luxemburg betonte hierbei die Unumgänglichkeit der Revolution, indem sie zum Beispiel schrieb:

„Für die Sozialdemokratie besteht zwischen der Sozialreform und der sozialen Revolution ein unzertrennlicher Zusammenhang, indem ihr der Kampf um die Sozialreform das Mittel, die soziale Umwälzung aber der Zweck ist.“[15]

Ihr parteiinterner Gegner Eduard Bernstein vertrat die Ansicht, die Sozialdemokratie könne die angestrebte grundlegende Erneuerung der Gesellschaft durch einen beständigen Reformprozess erreichen. Er stellte die Notwendigkeit der proletarischen Revolution in Frage und propagierte die Teilhabe am politischen System des Kaiserreiches. In der Weimarer Republik und den ersten zwanzig Jahren der Bundesrepublik wurde diese Differenzierung durchgehalten.

Religiös motivierte Sozialisten

Hauptartikel: Religiöser Sozialismus

Die Bewegung des Religiösen Sozialismus entstand mit der erstarkenden Arbeiterbewegung in Mitteleuropa seit dem 19. Jahrhundert vor allem unter sozial engagierten Christen, zum Teil auch Juden.

Dass der Sozialismus, der den demokratischen Radikalismus der deutschen Handwerker, Arbeiter und Intellektuellen ablöste, sich als religiöser Sozialismus konstituierte, ist entscheidend auf den Schneidergesellen Wilhelm Weitling, das Haupt der Bewegung zu Beginn der 1840er Jahre, zurückzuführen. Seine sozialistische, am Ideal der Gütergemeinschaft orientierte Gesellschaftsutopie begründete Weitling in der Schrift Die Menschheit wie sie ist und sein sollte 1839/40, aber auch noch in seinem Evangelium eines armen Sünders 1843 überwiegend christlich-religiös.[16][17]

Besonders seit der Erfahrung des Ersten Weltkriegs gewann unter Juden die Überzeugung an Boden, dass dauerhafter Frieden entsprechend der Tora und dem Evangelium nur verwirklicht werden könne, wenn der auf Egoismus, Konkurrenz und Ausbeutung gegründete Kapitalismus überwunden werde.

Hermann Samuel Reimarus, Karl Kautsky, R. Eisler, Samuel George Frederick Brandon, und andere beriefen sich in ihrem „sozialen und politischen Kampf gegen bestehende Ordnungen“ auf Person und Handeln Jesu, und betonten seine Nähe zur Bewegung der Zeloten.[18]

Andere wie z. B. der Theologe Hans Küng, halten eine Inanspruchnahme Jesu für sozialrevolutionäre Bestrebungen für konstruiert.[19]

Frühsozialismus

Hauptartikel: Frühsozialismus

Frühsozialisten wie François Noël Babeuf, Claude-Henri Comte de Saint-Simon, Louis-Auguste Blanqui, Charles Fourier, Pierre-Joseph Proudhon, William Godwin, Robert Owen oder Moses Hess legten politische Konzepte von quasi-absolutistischen Diktaturen bis hin zu einem anarchistischen Föderalismus vor. Einig waren sie sich einerseits in einer abwehrenden Reaktion gegen Effekte des Frühkapitalismus wie in der Hoffnung auf eine Gesellschaft, die mittelalterliche Standesunterschiede ebenso überwinden würde wie neuere Klassengegensätze. Oftmals argumentierten sie sehr moralisch, eine sozialwissenschaftlich inspirierte Analyse, wie sie von Marx geleistet wurde, fehlte.

Sozialstrukturell gesehen wurde der Frühsozialismus nicht von der Arbeiterklasse getragen, sondern von Handwerkern und Kleinbürgertum. Diese begannen bereits die Verwerfungen der industriellen Revolution zu spüren, ohne dass es schon zur Bildung eines Industrieproletariats gekommen wäre.

Einige wie Robert Owen versuchten den Aufbau abgeschlossener sozialistischer Gemeinschaften in einer so empfundenen feindlichen Umwelt. Die meisten Sozialisten zielten auf eine grundlegende Veränderung der gesamten Gesellschaft.

Sozialistisch inspirierte Aktivisten beteiligten sich an der französischen Revolution von 1789 bis 1799 und an den im Wesentlichen als bürgerlich geltenden europäischen Revolutionen bis 1848/1849 (siehe Julirevolution 1830, Februarrevolution 1848 und Märzrevolution 1848/1849); einen letzten Höhepunkt im 19. Jahrhundert hatten diese frühsozialistischen Bewegungen in der Pariser Kommune von 1871, die als erste proletarische Revolution gilt und die schon nach kurzer Zeit blutig niedergeschlagen wurde.

Durch die historische Entwicklung bedingt wurden die Diskussionslinien danach klarer: Die vielfältigen Ansätze des Frühsozialismus spalteten sich in drei Hauptlinien, den Anarchismus und die vom Marxismus inspirierten kommunistischen und sozialdemokratischen Bewegungen. Vereinzelt, wie im 20. Jahrhundert bei den russischen Revolutionen von 1905 und der Februarrevolution 1917 (bei der Oktoberrevolution 1917 nur noch sehr bedingt), der Münchner Räterepublik 1919 oder dem spanischen Bürgerkrieg 1936 bis 1939 kam es zur Zusammenarbeit der drei Gruppen. Diese war jedoch jeweils nur kurzfristig, meist von heftigen internen Auseinandersetzungen geprägt und endete im Sieg einer Gruppe oder der Niederlage aller.

Marxistischer Sozialismus

Laut Friedrich Engels bedeutete Sozialismus noch 1847 eine Bourgeoisbewegung, Kommunismus indes eine Arbeiterbewegung (Cabet, Weitling), weswegen Karl Marx und Engels damals noch der Bezeichnung „Kommunisten“ den Vorzug gaben. Erst 1887 bekannten sich sogar die englischen Gewerkschaften zum Sozialismus.[20]

Der Marxismus hatte lange Zeit die Deutungshoheit in der sozialistischen Bewegung. Nach dem Verfall der ersten Internationale 1876 bis über den größten Teil des gesamten 20. Jahrhunderts hinweg wurden Diskussionen innerhalb des und über den Sozialismus überwiegend mit den von Marx und Engels geprägten Begriffen geführt, wobei deren theoretische Ansätze häufig verkürzt aufgenommen wurden („Vulgärmarxismus“) und in dieser Form noch bis heute das Bild „des“ Marxismus in der Öffentlichkeit bestimmen.

Die marxistischen Intellektuellen betrachteten den Frühsozialismus als 'Utopischen Sozialismus' und stellten ihm den Marxismus als 'wissenschaftlicher Sozialismus' gegenüber. Aus diesem Anspruch entwickelt sich ein erstes Modell weltgeschichtlicher Entwicklungsmöglichkeit: Da der Kommunismus nicht unmittelbar zu erreichen ist, sei der Sozialismus als Gesellschaftsform eine erste (niedere) Phase des Kommunismus. Die Entwicklung über den Sozialismus zum Kommunismus sei unvermeidlich. Ziel des Kommunismus wie des Sozialismus ist die Überwindung des Kapitalismus und die Befreiung des Menschen von der Ausbeutung durch den Menschen. Nach Karl Marx ist die Aufhebung des Privateigentums an Produktionsmitteln in der Diktatur des Proletariats (Sozialismus) die ökonomische Voraussetzung der klassenlosen Gesellschaft (Kommunismus). Im Manifest der Kommunistischen Partei fordern Marx und Engels die Verstaatlichung aller Produktionsmittel: „Das Proletariat wird seine politische Herrschaft dazu benutzen, der Bourgeoisie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats, d.h. des als herrschende Klasse organisierten Proletariats, zu zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch zu vermehren.“ (Manifest der Kommunistischen Partei, MEW 4: 481)

In der ersten Phase der revolutionären Umgestaltung (dem Sozialismus) seien noch nicht alle Merkmale der bürgerlichen Gesellschaft (vgl. Bourgeoisie) überwunden, aber Ausbeutung und das Privateigentum an Produktionsmitteln sind bereits weitestgehend aufgehoben. Dabei wird von einem nebeneinander existieren beider Produktionsweisen ausgegangen, in deren Entwicklung die kapitalistische von der kommunistischen Produktionsweise langsam abgelöst wird. Diese Entwicklung führt letztendlich zum Kommunismus. Marx dazu: „Sind im Laufe der Entwicklung die Klassenunterschiede verschwunden und ist alle Produktion in den Händen der assoziierten Individuen konzentriert, so verliert die öffentliche Gewalt den politischen Charakter.“

Sozialismus kann mit dem Schlagwort „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seiner Leistung“ beschrieben werden, im folgenden Kommunismus soll der Grundsatz „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen“ gelten.

Während Marx selbst noch eine ausgefeilte sozialwissenschaftliche Methode benutzte, um seine Analysen zu belegen, geriet seine Theorie immer mehr zum politischen Machtinstrument. In seinem Anspruch auf Wissenschaftlichkeit schon gegebene Absolutheitsanspruch wurde nach der Machtübernahme sozialistischer Bewegungen immer mehr zum Mittel, um (politisch gewünschte) wahre Weltanschauung und (politisch unerwünschte) falsche Ideologie zu unterscheiden.

Realsozialismus

Hauptartikel: Realsozialismus

Siehe auch: Liste sozialistischer Staaten

Als „real existierenden Sozialismus“ bezeichneten sich jene Staaten, die seit 1917 von einer Kommunistischen Partei, in der Regel in einem Ein-Parteien-System, regiert wurden: besonders die Sowjetunion mit der KPdSU und die ab 1945 an ihrem System ausgerichteten Staaten des europäischen „Ostblocks“, darunter: Polen, ČSSR, Ungarn, Bulgarien, Rumänien, Deutsche Demokratische Republik; aber auch die Mongolei von 1924 bis 1992. Weiterhin bestehen bis heute einige weitere sehr unterschiedliche, sich teilweise widersprechende von manchen als realsozialistisch bezeichnete Systeme wie die Volksrepublik China (seit 1949), im nach dem Vietnamkrieg vereinigten Vietnam (spätestens seit 1975), Laos (seit 1975), Kuba (seit 1959) oder Nordkorea (seit 1948).

Mit der Oktoberrevolution 1917 in Russland sollten die Ideen des Sozialismus erstmals in einem großen Flächenstaat in die Praxis umgesetzt werden. Der Begriff des Realsozialismus sollte erklären, warum viele Vorhersagen der marxschen Theorie wie die Weltrevolution und die rasche Entwicklung größeren Wohlstands in den sozialistischen Staaten nicht eintraten und diese Staaten sich dennoch weiter zum Kommunismus entwickelten, allerdings mit Problemen der Realpolitik zu kämpfen hatten.

Stalin vertrat nach Lenins Tod die Theorie vom möglichen „Sozialismus in einem Land“, der sich unabhängig von der Weltrevolution etablieren und halten könne. Trotzki stellte dagegen seine Theorie der permanenten Revolution auf, um bürokratische Erstarrung einer Sozialrevolution durch erneute innenpolitische Umwälzungen und Revolutionierung weiterer Länder zu verhindern. Nachdem sich Stalin gegen Trotzki durchgesetzt hatte, gab die von ihm beherrschte KP die ursprünglichen Ziele auch der Bolschewiki, die eine Demokratisierung nach erfolgreichem Aufbau sozialistischer Produktionsverhältnisse in Aussicht gestellt hatten, auf. Stalins rigorose Zwangsmaßnahmen zur forcierten Industrialisierung, Kollektivierung der Landwirtschaft, ethnischen Homogenisierung und Ausschaltung jeder möglichen Opposition – zusammengefasst als Stalinismus – aber auch die ähnliche Politik seiner Nachfolger und die ständigen schweren Verstöße gegen die Menschenrechte in realsozialistischen Staaten haben diese Systeme weltweit diskreditiert. Die faktisch nationale, diktatorisch-technokratische Machtpolitik und das imperialistische Hegemoniestreben solcher Staaten gefährdete aus Sicht vieler Kritiker alle weiteren Anläufe zu einem von der Sowjetunion oder China unabhängigen Sozialismus. Realsozialismus wird dabei entweder als logische Konsequenz des marxschen Sozialismusmodells oder als dessen Entartung ins Gegenteil kritisiert, sodass viele Kritiker diesen Staaten das Recht absprachen, sich sozialistisch zu nennen.

Seit der Wende von 1989 gilt der Realsozialismus trotz einiger noch bestehender Systeme dieser Art als historisch gescheitert. Als Hauptursachen für das Scheitern des Realsozialismus sehen viele folgende Entwicklungen:

  • Entgegen den Voraussagen des Marxismus entwickelten die kapitalistisch geprägten Industriestaaten Europas, Nordamerikas und Ostasiens auf Druck der Arbeiterbewegung und der Konkurrenz des Realsozialismus ein mehr oder weniger stark ausgeprägtes soziales Sicherungssystem in einem Sozialstaat, der die schlimmsten sozialen Unterschiede und die Armut in diesen Ländern abfederte und somit auch ein potenzielles revolutionäres Potenzial dort deutlich minimierte.
  • Der Staatsapparat der meisten realsozialistischen Staaten erwies sich aufgrund mangelnder demokratischer Mitbestimmung als zunehmend unflexibel, und aufgrund ideologischer und anderer Hemmnisse kaum fähig, mit dem Komplexitätsgrad moderner westlicher Gesellschaften umzugehen.
  • Die Staaten des realen Sozialismus orientierten sich an einem in der Regel kapitalistisch geprägten Modernisierungsmodell, nur konnten sie den Grad der Modernisierung dieser Staaten, von wenigen technologischen Ausnahmen abgesehen, kaum aufholen. Sie versuchten, trotzdem – etwa durch Subventionen in vielen Bereichen (Gesundheitswesen, öffentlicher Verkehr, Grundnahrungsmittelproduktion, Wohnungsbau usw.) – die sozialen Leistungen der kapitalistischen Staaten zu übertreffen, was Ursache für die Aussage „Überholen, ohne einzuholen“ wurde.
  • Die politischen Systeme realsozialistischer Staaten wurden auf Dauer nur selten von der Mehrheit der jeweiligen Bevölkerung getragen, insbesondere dort nicht, wo das entsprechende System (ohne eigene Revolution) von außen aufgezwungen wurde (vor allem in Ungarn, der ČSSR, Rumänien, Polen, der DDR und Bulgarien). Diese Systeme wurden gegen eine sich regende Opposition von den herrschenden sozialistischen oder kommunistischen Parteien auf Dauer auch durch einen zunehmend ausufernden Polizeistaat (Bespitzelung, Repressionen, Zensur) am Leben erhalten. Der unwillige Teil der Bevölkerung, der zum Teil lieber ausgewandert wäre, wurde oft durch Sperranlagen und strenge Visa-Bestimmungen am Verlassen des Staates gehindert. Realsozialistische Staaten setzten auch Mittel ein, unter denen die Verfechter des Sozialismus im 19. Jahrhundert gelitten hatten, beispielhaft hierfür ist die politische Verfolgung von Trotzkisten.
  • Der in den meisten realsozialistischen Staaten umgesetzten staatlich und zentral gelenkten Planwirtschaft fehlte es oft an Übersicht über die Bedingungen und den Bedarf vor Ort. Durch langfristige wirtschaftliche Planung ohne eine Rückmeldung von den Produzenten und Konsumenten ging oft die Flexibilität verloren, kurzfristig auf komplexe Wirtschaftsvorgänge zu reagieren. Die Folge war, dass häufig am Bedarf vorbei produziert wurde, ökonomisch notwendige Investitionen unterblieben, Ressourcen unzweckmäßig eingesetzt und Innovationen nicht umgesetzt wurden. Eine weitere wirtschaftliche Ursache für das Scheitern des Realsozialismus war die hohe Verschuldung der entsprechenden Staaten, die insbesondere im Kalten Krieg zunahm, beispielsweise, um in der Rüstungsproduktion mit der militärischen Entwicklung der USA und der NATO Schritt zu halten (vgl. Wettrüsten).

Sozialdemokratie

In der europäischen Sozialdemokratie setzte sich seit etwa 1900 der Reformismus durch, der Sozialismus nicht durch eine soziale Revolution, sondern durch demokratische Reformen erreichen zu können glaubt. Damit wurden sozialdemokratische Gründungsprogramme, die Sozialismus gemäß der marxschen Theorie vom Klassenkampf als Ergebnis krisenhafter Zuspitzungen der sozialen Gegensätze und revolutionärer Umgestaltungen erwarteten, zuerst in der praktischen Alltagspolitik und dann theoretisch aufgegeben.

In Deutschland begann die Auseinandersetzung um einen revolutionären oder reformistischen Weg zum Sozialismus mit Veröffentlichungen Eduard Bernsteins, die 1896 die Revisionismusdebatte auslösten. Zwar fand Bernsteins Position in der SPD zunächst keine Mehrheit, doch setzte sie sich nach dem Tod des Parteivorsitzenden August Bebel 1913 unter seinem Nachfolger Friedrich Ebert mehr und mehr durch. Hieraus und aus der Zustimmung der SPD-Reichstagsfraktion zu den Kriegsanleihen zur Finanzierung des Ersten Weltkriegs 1914, an dem die Sozialistische Internationale zerbrach, wurden ideologische Auseinandersetzungen innerhalb der Sozialdemokratie manifest, die schließlich zur Spaltung der SPD in USPD und MSPD führte. Sie verschärften sich seit der Oktoberrevolution in Russland 1917. Es kam zu einer Spaltung zwischen Sozialisten und Kommunisten, die eigene kommunistische Parteien gründeten. Der Bruch zwischen beiden Lagern zeigte sich besonders am Verhältnis zum sogenannten Realsozialismus sowjetischer Prägung. Die Anfang 1919 gegründete Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) beanspruchte als Nachfolgerin des Spartakusbundes, mit dem proletarischen Internationalismus die besten sozialdemokratischen Traditionen zu bewahren. Mit der Ermordung der Spartakusführer und KPD-Gründer Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wurde die Spaltung der deutschen Arbeiterbewegung in die reformorientierte SPD und die marxistisch-revolutionäre KPD unumkehrbar, während die USPD bis 1922 zwischen diesen beiden Polen zerrieben wurde und danach keine bedeutende Rolle in der Weimarer Republik mehr spielte.

In Russland spaltete sich die Sozialdemokratie schon 1903 in die reformorientierten Menschewiki (= Minderheitler) und die marxistisch-revolutionären Bolschewiki (= Mehrheitler), deren Gegensatz nach vorübergehender neuer Zusammenarbeit 1912 endgültig wurde. Den Menschewiki gelang unter Kerenski mit der Februarrevolution 1917 der Sturz des Zaren und die Regierungsbildung, doch setzten sie den Krieg gegen Deutschland für Gebietsgewinne fort. Die theoretische, nach seiner Rückkehr aus dem Exil 1917 auch die praktische Führung der Bolschewiki übernahm Lenin. Durch das Angebot eines Sofortfriedens gewann er eine Mehrheit im Rätekongress, die er für eine erneute Revolution – diesmal gegen das russische Parlament in Petersburg – nutzte. Nach dem fünfjährigen russischen Bürgerkrieg gegen verschiedene zarentreue „Weiße Truppen“ (vgl. Weiße Armee) gründeten die Bolschewiki die UdSSR mit der seit 1952 KPdSU genannten alleinherrschenden Staatspartei. Damit verlor die unterlegene russische Sozialdemokratie fast bis zum Ende der Sowjetunion 1990 jede machtpolitische Bedeutung.

Die innersozialistischen Gegensätze in der „Systemfrage“, die in Deutschland zugunsten der Reformisten, in Russland zugunsten der Leninisten ausgegangen waren, vertieften nach dem Rechtsruck der Weimarer Republik ab 1923 die Spaltung zwischen Sozialdemokraten und Kommunisten und schwächten so die Zukunftsperspektiven des Sozialismus weltweit. Obwohl die SPD bis zu ihrem Heidelberger Programm von 1925 am Ziel einer Ablösung der kapitalistischen durch eine sozialistische Wirtschaftsordnung festhielt, ging sie im politischen Alltag den Weg einer Reformpartei, die ihre Ziele parlamentarisch durch Kompromisse und Koalitionen – auch mit gegnerischen Kräften der Gesellschaft – allmählich durchzusetzen suchte. Obwohl sie eine der größten demokratischen Parteien in der ersten deutschen Republik blieb und die meisten Regierungen mittrug, geriet sie bald in die politische Defensive gegenüber deutschnationalen und rechtsradikalen Parteien, bis sie 1933 kurz nach der KPD mit allen übrigen Parteien außer der NSDAP vom neuen Regime des Nationalsozialismus verboten, ihre Führungskräfte verfolgt und ihre Strukturen zerschlagen wurden.

Nach dem Ende der NS-Diktatur konnte die SPD sich regenerieren und griff nun auf sozialistische Ziele zurück, die das Wiedererstarken des Faschismus durch energische Eingriffe in den Monopolkapitalismus verhindern sollten. Doch erst nach ihrer Wende zur Marktwirtschaft im Godesberger Programm 1959 wandelte sie sich zur Volkspartei. Dabei definierte sie „Sozialismus“ nun in ausdrücklicher Abgrenzung vom Sowjetkommunismus als „Demokratischen Sozialismus“, um damit ihre Anerkennung des pluralistischen Systems der westlichen Demokratien zu zeigen. So befreite die SPD sich allmählich aus ihrer Oppositionsrolle und stellte mit Willy Brandt 1969 erstmals den Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Dessen Regierungserklärung versprach „mehr Demokratie“, jedoch keinen Sozialismus im Sinne der alten SPD-Programme mehr.

In der Sowjetischen Besatzungszone war es unter sowjetischem Einfluss zur Zwangsvereinigung der SPD mit der dominierenden KPD zur SED gekommen, die in der DDR von 1949 bis zu deren Niedergang 1989/1990 an der Macht blieb und sich an der KPdSU und dem politischen System der UdSSR ausrichtete. Dort wurde der Sozialismus weiterhin als Gegensatz zum westlichen Kapitalismus und Vorstufe zum Kommunismus aufgefasst.

Seit dem Scheitern des Realsozialismus leiteten sozialdemokratische Regierungen in Europa eine zunehmende Öffnung zur „Neuen Mitte“ ein. In der SPD begann dieser Prozess etwa 1999 mit dem „Schröder-Blair-Papier“, einer gemeinsamen Erklärung von SPD-Kanzler Gerhard Schröder und dem damaligen britischen Premier Tony Blair von der Labour Party, und führte über die Hartz-IV-Gesetze 2002 bis zur Debatte über die Streichung des demokratischen Sozialismus aus dem Parteiprogramm.

Globalisierungskritiker wie Attac und ehemalige SPD-Linke wie Oskar Lafontaine sehen darin eine Abkehr von sozialdemokratischen Grundwerten und eine Wende zum Neoliberalismus, der für sie eine besonders aggressive Steigerung des internationalen Kapitalismus ist.

Die SPD sieht sich jedoch nach wie vor als sozialistische Partei, ist Mitglied der Sozialistischen Internationale und bekennt sich in ihrem Hamburger Parteiprogramm (2007) ausdrücklich in der Tradition der „marxistischen Gesellschaftsanalyse“ zum Demokratischen Sozialismus.

Nationaler Sozialismus

Hauptartikel: Nationaler Sozialismus

Schon der Philosoph Johann Gottlieb Fichte rückte in seinen späteren Schriften vom liberalen Staatsmodell ab und ersetzte es durch ein sozialistisches, welches er im Zuge der antinapoleonischen Freiheitskriege mit nationalistischen Gedanken auflud. Er propagierte nun einen nationalen Sozialismus, der eine Mitte zwischen reinem Nachtwächterstaat und reinem Wohlfahrtsstaat bilden sollte. Sein nationaler Sozialismus orientierte sich dabei an einer vorkapitalistischen Wirtschaftsform. Die Wirtschaft sollte eine ständisch organisierte staatliche Planwirtschaft sein.[21]

Nationalsozialismus

Hauptartikel: Nationalsozialismus

Das Verhältnis von Sozialismus und Nationalsozialismus ist unter Wissenschaftlern umstritten, was vor allem an den unterschiedlichen Verwendungen des Sozialismusbegriffs liegt. So wird die starke antiliberale Tendenz des Nationalsozialismus mitunter als „sozialistisch“ bezeichnet. Ein wesentlicher Teil der Propaganda des Nationalsozialismus waren wirtschafts- und sozialpolitische Versprechungen. Der Nationalsozialismus gab vor, im Kontrast zu den unerfüllt gebliebenen Versprechungen des Sozialismus und angesichts des Elends der Weltwirtschaftskrise ein „Sozialismus der Tat“ zu sein.[22]

Der Rechtswissenschaftler Johann Braun schreibt: „Eine sozialistische Utopie liegt auch dem Nationalsozialismus zugrunde. Zwar zielt dieser nicht auf einen Sozialismus für alle ab, also nicht auf einen internationalen, sondern auf einen nationalen Sozialismus; aber die Logik des utopischen Rechtsdenkens herrscht auch hier.“[23] Der SPD-Politiker Rudolf Breitscheid meinte auf dem Leipziger Parteitag 1931, dass „selbst der Nationalsozialismus gezwungen sei sich ein sozialistische Aushängeschild zu geben“. Dies zeige, „dass zuletzt doch der Gedanke des Sozialismus marschiere.“

Die sozialistischen Gruppierungen in der NSDAP wie etwa der sozialrevolutionäre Flügel um Otto Strasser verließen vor der Machtergreifung die Partei. Die Otto-Strasser-Gruppe schrieb 1930 unter dem Titel „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“

„Für uns bedeutet Sozialismus Bedarfswirtschaft der Nation unter Anteilnahme der Gesamtheit der Schaffenden an Besitz, Leitung und Gewinn der ganzen Wirtschaft dieser Nation, d. h. also unter Brechung des Besitzmonopols des heutigen kapitalistischen Systems und vor allem unter Brechung des Leitungsmonopols, das heute an den Besitztitel gebunden ist.“[24]

Für andere bezog der Nationalsozialismus einen wesentlichen Teil seiner ideologischen Wirkung aus der Zusammenführung von Nationalismus und Sozialismus.[25] Gemäß Götz Aly ist der Sozialismus im Begriff Nationalsozialismus nicht nur als Propagandaformel zu betrachten, vielmehr gehöre der Nationalsozialismus in die große egalitäre Grundtendenz des 20. Jahrhunderts.[26]

Laut Joachim Fest ist „die Diskussion über den politischen Standort des Nationalsozialismus nie gründlich geführt worden“. Stattdessen habe man „zahlreiche Versuche unternommen, jede Verwandtschaft von Hitlerbewegung und Sozialismus zu bestreiten“. Zwar habe Hitler keine Produktionsmittel verstaatlicht, aber „nicht anders als die Sozialisten aller Schattierungen die soziale Gleichschaltung vorangetrieben“.[27]

Der Historiker Henry A. Turner dagegen glaubt nicht, dass Hitler je Sozialist war. Er habe sich stets zum Privateigentum und zum liberalen Konkurrenzprinzip bekannt, aber nicht aus einem echten Liberalismus heraus, sondern auf Grund seiner sozialdarwinistischen Grundannahmen. Im Sinne eines Primats der Politik habe er postuliert, die Wirtschaft müsse stets unter der vollständigen Kontrolle der Politik stehen. Eine konsistente ökonomische Theorie habe der Nationalsozialismus nie entwickelt.[28] Der Sozialhistoriker Hans-Ulrich Wehler urteilt, dass der Sozialismus im Nationalsozialismus „allenfalls in verballhornter Form“ fortlebte, nämlich in der Ideologie der Volksgemeinschaft.[29]

Neue Linke

Aus der Außerparlamentarischen Opposition der 1960er Jahre gingen seit 1970 zum einen eine Reihe von K-Gruppen, zum anderen „undogmatische“ und „antiautoritäre“ Gruppen hervor, die als „Neue Linke“ zusammengefasst werden. Unter ihnen war das 1969 gegründete Sozialistische Büro in Offenbach eine der einflussreichsten Organisationen. Studentenführer wie Rudi Dutschke vertraten einen demokratischen Sozialismus, den sie sowohl gegen die Sozialdemokratie als auch gegen den Realsozialismus abgrenzten. Sie blieben meist außerhalb von Parteien in verschiedenen Neuen sozialen Bewegungen engagiert und hatten kaum Rückhalt in der Arbeiterschaft und bei Gewerkschaften, gewannen aber mit Gründung und Aufstieg der neuen Partei Die Grünen parlamentarischen Einfluss. Kulturell erreichte die Deutsche Studentenbewegung der 1960er Jahre eine Liberalisierung der Gesellschaft und differenziertere Haltung zum Ideal des Sozialismus als im Kalten Krieg, wo dieser Begriff fast nur mit diktatorischen Zuständen östlicher Systeme identifiziert wurde.

Neue sozialistische Parteien

Demokratischer Sozialismus, zwischen 1928 und 1934 aus kommunistischer Sicht im Zusammenhang mit der SPD noch als Sozialfaschismus verschrien, wurde auch in der früheren DDR von der kommunistischen SED meist als ein Synonym für Sozialdemokratie definiert und als „Sozialdemokratismus“[30] ideologisch abgewertet. Nach der Wende in der DDR verwendete die gestürzte SED dann aber diesen Begriff als ihre Leitidee, indem sie sich 1990 zur Partei des Demokratischen Sozialismus (PDS) umbenannte und programmatisch wandelte. 2005 benannte sich die PDS in Die Linkspartei um und vereinte sich am 16. Juni 2007 mit der westdeutschen WASG zur neugebildeten Partei Die Linke.

In anderen Staaten Westeuropas hatten kommunistische Parteien schon seit den 1960er Jahren einen antisowjetkommunistischen Kurs zum Eurokommunismus eingeschlagen: etwa die Kommunistische Partei Italiens, die sich 1990 umbenannte in „Demokratische Partei der Linken“ (italienisch Partito Democratico della Sinistra – PDS) oder die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF, französisch PCF). Diese ehemals kommunistischen Parteien setzen zum einen auf einen Ausbau des Sozialstaats und eine Zähmung des Kapitalismus durch gesetzliche Eingriffe, zum anderen wollen sie den Parlamentarismus stärker mit Plebisziten und direkter Demokratie ergänzen.

Im Vorfeld der Wahlen zum russischen Staatspräsidenten hat auch der letzte Präsident der früheren UdSSR, Michael Gorbatschow, im Oktober 2007 eine sozialdemokratische Bewegung gegründet, um Tendenzen zu einer neuen Diktatur, Abbau von sozialen Rechten und Massenverarmung in Russland zu begegnen.[31]

Perspektiven

Eine wissenschaftliche Debatte über Sozialismus als alternativen Gesellschaftsentwurf, wie es sie während der deutschen Studentenbewegung der 1960er Jahre an den Universitäten gab, findet heute kaum mehr statt. Nur einzelne Sozialwissenschaftler wie Wolfgang Fritz Haug fordern angesichts des heutigen High-Tech-Kapitalismus und der damit verbundenen Lebensweisen, aus den historischen Erfahrungen zu lernen und das sozialistische Projekt zu aktualisieren. Eine kritische Bestandsaufnahme unternimmt unter anderem die Zeitschrift Das Argument und die dort ebenfalls angesiedelte Edition des Historisch-kritischen Wörterbuchs des Marxismus (HKWM). Auch im Umfeld der zur Partei Die Linke gehörenden Rosa-Luxemburg-Stiftung wird die Zukunftsfähigkeit des Sozialismus diskutiert.

Ebenfalls eine Neuinterpretation stellt der politische Soziologe Heinz Dieterich mit seinem Konzept vom Sozialismus des 21. Jahrhunderts dar, in dem versucht marxistische Werttheorie mit basisdemokratischen Elementen zu verknüpfen, der dann eine nicht-marktwirtschaftliche, demokratisch von den unmittelbar Wertschaffenden bestimmende Äquivalenzökonomie zu Grunde liegt. Versuche, diese neue Theorie in die Praxis umzusetzen, finden sich derzeit in Venezuela (Bolivarismus) und Bolivien.

Kritik

Mangelnde wirtschaftliche Effizienz

Seit dem Beginn der Auseinandersetzung in Frankreich zwischen der politischen Ökonomie und dem Sozialismus wurde den sozialistischen Kritikern der Marktwirtschaft vorgeworfen, dass sie über keine praxistauglichen Alternativen verfügten, bzw. dass verschiedene bereits gemachte Experimente schmählich gescheitert seien.[32] Unter den neueren Ökonomen warf dann Eugen von Böhm-Bawerk, ein Vertreter der Österreichischen Schule, in Kapital und Kapitalzins (1884–1902) dem Marxismus gegenüber erstmals wieder das Problem der Wirtschaftsrechnung im Sozialismus auf, welches Argument von Ludwig von Mises in der Folge weiterhin ausgebaut wurde. Wenn Marktpreise fehlten, gäbe es keine Signale für Knappheit und damit keinerlei Möglichkeit, Investitionsalternativen rational zu bewerten.

Milton Friedman betont, dass sozialistisch gesteuerte Volkswirtschaften generell qualitativ schlechtere Produkte zu höheren Preisen produzieren.[33]

Mangelnde Individualrechte und Rechtsstaatlichkeit

Nach Ansicht von Mises' Schüler Friedrich August von Hayek kollidiert die Vergesellschaftung der Produktionsmittel zwangsläufig mit den Individualrechten und der Rechtsstaatlichkeit. Die Wahrung der Rechtsstaatlichkeit würde eine Selbstbeschränkung der Planungsbehörden erfordern, zu der diese nicht in der Lage seien, da sie sonst ihren Aufgaben nicht nachkommen könnten.[34]

Der Ökonom Jürgen Pätzold formuliert es so: „Die zentrale Planung verlangt in gesellschaftspolitischer Hinsicht den Kollektivismus und in staatspolitischer Hinsicht den Totalitarismus des Einparteiensystems. Eine Marktwirtschaft erfordert dagegen, soll sie funktionieren, die Einbettung in ein System politischer und ökonomischer Freiheiten. Ein vergleichbares System der Freiheiten ist mit der Zentralverwaltungswirtschaft unvereinbar. Die Handlungs- und Bewegungsfreiheit der Individuen bildet in der zentral verwalteten Wirtschaft einen latenten Störfaktor, den der Staat zurückzudrängen sucht.“'[35]

Unzeitgemäßheit des Sozialismus

Jean Baudrillard kritisiert in Die göttliche Linke – Chronik der Jahre 1977–1984 mit Blick auf die französischen Verhältnisse die aus seiner Sicht nicht mehr zeitgemäßen Ziele des Sozialismus. Während der Sozialismus noch immer von einer transparenten und kohärenten Gesellschaft träume, hätten die Menschen ein solches Bedürfnis nach Anschluss, Kontakt und Kommunikation kaum noch.[36]

Literatur

  • Rudolf Bahro: Die Alternative. Zur Kritik des real existierenden Sozialismus. 1977 Informationen
  • Max Beer: Allgemeine Geschichte des Sozialismus und der sozialen Kämpfe. Mit Ergänzungen von Hermann Duncker, 2. Auflage, Nachdruck der 7. Auflage von 1931, Erlangen 1973, ISBN 3-920531-17-5 (online „reprint“ mit Links zu den einzelnen Kapiteln)
  • B. Crick: Socialism. Milton Keynes, Open University Press. 1989.
  • Jacques Droz (Hrsg.): Geschichte des Sozialismus. 17 Bände. Ullstein, Frankfurt am Main-Berlin-Wien 1974ff.
  • Konrad Farner / Theodor Pinkus (Hrsg): Der Weg des Sozialismus. Quellen und Dokumente vom Erfurter Programm 1891 bis zur Erklärung von Havanna 1962. Rowohlt, Reinbek 1964.
  • Iring Fetscher: Für eine bessere Gesellschaft. Studien zu Sozialismus und Sozialdemokratie. Hrsg. von Clemens K. Stepina u. a. Wien: Lehner, 2007. ISBN 3-901749578
  • Georg Fülberth: Sozialismus, Köln: PapyRossa. 2010
  • S. Mukherjee / S. Ranaswamy: A History of Socialist Thought. London. Sage. 2000, ISBN 0-7619-9465-3
  • P. Weber: Sozialismus als Kulturbewegung. Frühsozialistische Arbeiterbewegung und das Entstehen zweier feindlicher Brüder Marxismus und Anarchismus, Düsseldorf: Droste. 2000.
Kritik

Weblinks

Wiktionary Wiktionary: Sozialismus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
 Commons: Sozialismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
 Commons: Sozialisten – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Werner Sombart: Sozialismus und soziale Bewegung, Jena, 1919, S. 60
  2. Bundeszentrale für politische Bildung
  3. a b Willi Albers: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, 1980, S. 4
  4. Cf. J.G. Buhle, Lehrbuch des Naturrechts, Göttingen 1798 (ND Brüssel 1969), 40.
  5. Jost Müller: Sozialismus, Rotbuch 3000, herausgegeben von Martin Hoffmann, Europäische Verlagsanstalt/Rotbuch Verlag Hamburg 2000, S. 6
  6. Jedermanns Lexikon in zehn Bänden, Band 8, Verlagsanstalt Hermann Klemm A.-G., Berlin-Grunewald 1930, S. 417
  7. Klaus Motschmann: Mythos Sozialismus – Von den Schwierigkeiten der Entmythologisierung einer Ideologie, MUT-Verlag, Asendorf 1990, S. 25
  8. Willi Albers: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Stichwort „Sozialismus“.
  9. Michael Newman: Socialism – A Very Short Introduction, Oxford University Press, 2005, S. 72
  10. Die Zeit: Lexikon in 20 Bänden, Zeitverlag, Hamburg 2005, ISBN 3-411-17560-5 (Gesamtwerk), Band 13, S. 554
  11. G. Endruweit und G. Trommsdorff: Wörterbuch der Soziologie, Band 3, 1989, S. 611
  12. Willi Albers: Handwörterbuch der Wirtschaftswissenschaft, Stichwort „Sozialismus“
  13. Theo Pirker: Die DDR war eine Hauswirtschaft. In: Der Plan als Befehl und Fiktion., Westdeutscher Verlag, 1995, S. 273
  14. Klaus Motschmann: Mythos Sozialismus – Von den Schwierigkeiten der Entmythologisierung einer Ideologie, MUT-Verlag, Asendorf 1990, S. 28
  15. Rosa Luxemburg: Sozialreform oder Revolution, 1900; zitiert nach: Cordula Koepcke: Revolution – Ursachen und Wirkungen, Günter Olzog Verlag, 1971, S. 130
  16. Sebastian Prüfer: Sozialismus statt Religion – Die deutsche Sozialdemokratie vor der religiösen Frage 1863–1890, Vandenhoeck und Ruprecht, 2002, S. 276
  17. Gerda Soecknick: Religiöser Sozialismus der neueren Zeit unter besonderer Berücksichtigung Deutschlands, 1926, S. 24
  18. Oscar Cullmann: Jesus und die Revolutionären seiner Zeit, J.C.B. Mohr (Paul Siebeck). Tübingen 1970, S. 19
  19. Hans Küng: Christ sein, dtv, München 1976, S. 219: „Und doch muß man die ganzen evangelischen Berichte verdrehen und uminterpretieren, muß man die Quellen völlig einseitig auswählen, unkontrolliert und willkürlich mit vereinzelten Jesus-Worten und Gemeindebildungen operieren und von Jesu Botschaft als ganzer weithin absehen, […] wenn man aus Jesus einen Guerillakämpfer, einen Putschisten, einen politischen Agitator und Revolutionär und seine Botschaft vom Gottesreich zu einem politisch-sozialen Aktionsprogramm machen will. […] Wie kein Mann des Systems, so war er auch kein sozialpolitischer Revolutionär. […]Ihm kann man nachfolgen auch ohne ein explizit politisches oder sozialkritisches Engagement“
  20. Friedrich Engels: Vorwort zur deutschen Ausgabe von 1890 (Auszug) zum „Kommunistischen Manifest“, Marx/Engels, Ausgewählte Schriften, Bd. I, Berlin 1968, S. 21ff.
  21. Jan Rohls: Geschichte der Ethik, Mohr Siebeck, 1999, S. 442 f.
  22. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes: „Sozialismus der Tat“
  23. Johann Braun: Einführung in die Rechtsphilosophie, Mohr Siebeck, 2006, S. 147
  24. 4. Juli 1930: Aufruf der Otto-Strasser-Gruppe – „Die Sozialisten verlassen die NSDAP“; auf www.ns-archiv.de
  25. Zeit.de: Der nationale Sozialismus
  26. Götz Aly:Rasse und Klasse. Frankfurt am Main 2003
  27. Joachim Fest: War Adolf Hitler ein Linker? (taz.de, 27. September 2003)
  28. Henry Ashby Turner, Die Großunternehmer und der Aufstieg Hitlers. Siedler Verlag, Berlin 1985, S. 92–106.
  29. Hans-Ulrich Wehler: Deutsche Gesellschaftsgeschichte, Bd. 4: Vom Beginn des ersten Weltkrieges bis zur Gründung der beiden deutschen Staaten 1914–1949 C.H. Beck Verlag, München 2003, S. 543
  30. Ulla Plener: »Sozialdemokratismus« – Instrument der SED-Führung im Kalten Krieg gegen Teile der Arbeiterbewegung (1948–1953). UTOPIE kreativ, H. 161 (März 2004), S. 248-256 online
  31. FAZ online (20. Oktober 2007): Gorbatschow gründet sozialdemokratische Bewegung
  32. „Ainsi, deux puissances se disputent le gouvernement du monde, et s'anathématisent avec la ferveur de deux cultes hostiles: l'économie politique, ou la tradition; et le socialisme, ou l'utopie“. Übersetzung: „So streiten sich zwei Mächte über die Herrschaft der Welt und verfluchen sich mit der Begeisterung feindseliger Glaubensrichtungen gegenseitig als Ketzer: die politische Ökonomie oder die Tradition und der Sozialismus oder die Utopie“ Pierre-Joseph Proudhon: Système des contradictions économiques, ou philosophie de la misère, Oeuvres Complètes, Bd. I, hrg. von C. Bouglé, H. Moysset, Genf Paris 1982, S. 66f
  33. „Socialized enterprises produce poor quality products at high prices with much conferred special benefits on small growers.“ Interview: Milton Friedman – Nobel Prize in Economics, 31. Januar 1991, Stanford, California
  34. Friedrich August von Hayek: The Road to Serfdom (dt. Der Weg zur Knechtschaft)
  35. Prof. Dr. Pätzold: Soziale Marktwirtschaft
  36. Wolfgang Welsch: Unsere Postmoderne Moderne, Akademie Verlag, 2002, S. 153

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