Emanuel Gat

Emanuel Gat

Emanuel Gat (* 1969 in Chadera, Israel) ist ein israelischer Tänzer und Choreograf.

2004 gründete er seine Kompanie Emanuel Gat Dance. Mit den Stücken Winter Voyage und Le sacre du printemps feierte die Kompanie ihre ersten Premieren auf dem Uzés Danse Festival im Juni 2004 in Frankreich. Die beiden Stücke wurden seither mehr als 300 Mal weltweit aufgeführt. 2005 erhielt die Kompanie den Kulturpreis des Staates Israel für außergewöhnliche Tanzstücke. 2006 wurde Gats Tanzkompanie für ihre Präsentation auf dem Lincoln Center Festival in New York mit dem Bessie-Award ausgezeichnet. Im selben Jahr ehrte ihn die israelische Kulturstiftung IcExcellence als "hervorragenden Künstler", eine der höchsten Auszeichnungen für Künstler in Israel.

Seit 2007 ist Gat mit seiner Kompanie im französischen Istres beheimatet und tourt weltweit erfolgreich mit diversen neuen Tanzproduktionen. Seine neueste Kreation Brilliant Corners feierte am 16. August 2011 deutsche Erstaufführung am Hebbel am Ufer im Rahmen des Tanz im August Festivals in Berlin.

Inhaltsverzeichnis

Werdegang

Gat kam zum ersten Mal im Alter von 23 Jahren mit Tanz in Berührung - in einem Workshop des israelischen Choreografen Nir Ben Gal im Jahr 1992. Ursprünglich wollte er Dirigent werden, hatte ein Semester an der Musikakademie studiert, entdeckte aber schließlich sein Talent für Tanz und Choreografie, die für ihn sehr viel mit Musikkomposition gemeinsam haben. Sechs Monate nach dem Workshop begann er für die Liat Dror Nir Ben Gal Company zu tanzen, mit der er auf Tourneen in Israel und weltweit unterwegs war. Ab 1994 arbeitete er als unabhängiger Choreograf. Sein erstes Stück war das Solo Four Dances (1994) zur Musik von Johann Sebastian Bach. In den darauf folgenden 10 Jahren kreierte Gat zahlreiche eigene Projekte als Tänzer und Choreograf, die sowohl in Israel als auch auf internationalen Festivals weltweit gezeigt wurden.

Gat erhielt eine Reihe von Stipendien und Auszeichnungen. Darunter ein Stipendium des Albert Gaubiers Fund (1995), den Rosenblum-Preis für Darstellende Künste (2003) und den Landau-Preis (2004).

Im Januar 2004 rief Gat seine eigene Kompanie Emanuel Gat Dance ins Leben, mit der er im folgenden Jahr den Kulturpreis des Staates Israel für außergewöhnliche Tanzstücke bekam.

Im Jahr 2006 wählte ihn die israelische Kulturstiftung IcExcellence in die Riege der "hervorragenden Künstler" - eine der höchsten Ehren für israelische Künstler. Ebenfalls 2006 erhielt seine Kompanie den Bessie-Award für die Aufführung von Winter Voyage und Le sacre du printemps auf dem Lincoln Center Festival in New York. Dies waren die erste beiden Stücke der neu gegründeten Kompanie Emanuel Gat Dance. Im Anschluss kreierte Gat K626, ein Stück für 8 Tänzer auf der Grundlage von Requiem von Mozart. Die Premiere war 2006 auf dem Festival de Marseilles. 2007 folgte 3for2007 - ein Programm mit drei Stücken, darunter My Favorite things, ein Solo getanzt von Gat selbst zu Musik von John Coltrane; Petit torn de dança, ein Duett zu französischen Liedern des Mittelalters; und Through the center..., ein Stück für 8 Tänzer zu elektronischer Musik von Squarepusher.

Im September 2007 zog Gat von Israel nach Frankreich und arbeitet seither mit seiner Kompanie in der französischen Kleinstadt Istres, Ouest Provence.

Silent Ballet, ein Stück für 8 Tänzer ohne Musik, feierte auf dem renommierten Montpellier Danse Festival im Juli 2008 Premiere. Koproduzenten dieser Arbeit waren Lincoln Center Festival New York, Romaeuropa Festival, Sadler's Wells Theater in London und Montpellier Dance Festival.

Im gleichen Jahr nahmen Gat und Roy Assaf ihre langjährige Zusammenarbeit wieder auf, um Winter Variations zu kreieren, ein 50-minütiges Duett mit Premiere auf dem American Dance Festival im Juni 2009 und späteren Aufführungen bei Montpellier Danse und Lincoln Center Festival in New York.

Gat erhält regelmäßig Aufträge, für Tanzkompanien zu choreografieren, u.a. für das Ballett der Pariser Oper, Sydney Dance Company, Le Ballet du Rhin, Tanztheater Bremen, Ballett des Grand Théâtre de Genève, Ballet de Marseille, Noord Nederlandse Dans und Staatsballett Polen.

Gat ist der Sohn israelischer Einwanderer. Seine Eltern stammen aus Marokko. Er ist verheiratet und hat fünf Kinder.[1]

Arbeitsweise und Stil

Weitreichende, internationale Aufmerksamkeit erhielt Gat zum ersten Mal mit seiner originellen Interpretation von Le sacre du printemps aus dem Jahr 2004. Salsaschritte hat er in diese Choreografie zu Strawinskis Musik eingeflochten. Das Verhältnis von Tanz und Musik neu auszuloten, ist eine der grundlegenden Eigenschaften seiner Werke.[2]Folgt man Gats Auffassung, können Musik und Tanz unabhängig voneinander existieren. Sein Interesse gilt der Spannung zwischen beiden: Wie wird das, was wir sehen, von dem beeinflusst, was wir hören? Das Tanzstück Silent Ballet (2008) für acht (ursprünglich neun) Tänzer hat er gänzlich ohne Musik kreiert:

"Wenn die acht Tänzer von Emanuel Gat Dance auf die Bühne schlendern, sich in einer Reihe aufstellen und reglos verharren, dann kreieren sie eine Spannung. Sobald ihre Körper zusammendrängen, um sich in den Raum aufzufächern, erinnert dies an eine erblühende Knospe. Das Öffnen und Entfalten ist choreografisch so instrumentiert, dass der Zuschauer ein musikalisches Thema zu hören meint. Doch „Silent Ballet“ kommt ohne Musik aus. Der Tanz behauptet seine Autonomie, und ist doch kein Exerzitium."[3]

Dass Gat vor Beginn seiner Karriere als Tänzer und Choreograf zunächst Musik studiert hat, werde merkwürdigerweise ausgerechnet in Silent Ballet am deutlichsten, schreibt The Guardian im Kontext der Auftritte in Großbritannien:

"Obwohl nur 8 Tänzer auf der Bühne sind entsteht ein fast orchestrales Gefühl durch die Art und Weise wie Gat sie koordiniert. Individuen und kleine Gruppen werden betont mittels Nuancen und Präzision, so dass sie die kontrastierenden Effekte verschiedener Instrumente bewirken. Ein dichtes Ensemble kleiner, nervöser Schritte und wedelnder Arme suggeriert die hohen Töne von Violinen; ein Paar, das den Raum mit schweren, schleichenden Schritten durchquert wird zur dunklen, vibrierenden Basslinie."[4]

Für Brilliant Corners (2011) hat Gat selbst die Musik komponiert, eine Klangcollage, entwickelt in einem aufwändigen Prozess, der über mehrere Jahre andauerte. Ein Part des Stückes wird ebenfalls in vollkommener Stille getanzt, was eigentlich gar nicht auffalle[5]. Wieder wird die Beziehung zwischen Tanz und Musik beobachtet, ihre Bedeutung füreinander untersucht. Brilliant Corners, als hochmusikalisches Werk von "brillianter Intelligenz" gefeiert[6], nimmt Bezug auf den Titel eines Albums von Jazzmusiker Thelonious Monk.

„Als ich das Stück choreografierte, hörte ich ständig die Alben von Monk. Er war immer in meinem Kopf. [...] Monk hat mich auch in der Weise beeinflusst, wie ich choreografiere, wie ich auf Strukturen schaue.“

In der Entstehungsgeschichte von Brilliant Corners, für ihn die Essenz aus 20 Jahren Arbeit, manifestiert sich Gats Selbstverständnis als Choreograf. Er erfinde die Choreografie nicht, er entdecke sie. Dazu bekommen die Tänzer bestimmte Aufgaben, in deren Rahmen sie experimentieren. Eine dieser Aufgaben bei Brilliant Corners war beispielsweise, sich in einem vordefinierten Abstand zu einem anderen Tänzer zu bewegen. Wenn sich daraufhin 10 Tänzer im Raum zueinander bewegen, ergibt sich ein komplexes Wechselspiel, das sich weiter verkompliziert, wenn vordefinierte Abstände zu 2 oder 3 Tänzern eingehalten werden sollen.

"Da ist eine Substanz, das sind Mechanismen, eine Logik in der Art und Weise, wie die Dinge stattfinden und das hängt von vielen Faktoren ab. Im Studio arbeiten wir daran, diese Mechanismen offfenzulegen, sichtbar zu machen, wie eine Gruppe von 10 Tänzern aufeinander reagiert."[7]

Auf der Bühne gleicht die Gruppe schließlich "einem atmenden Organismus der sich ausdehnt und spannt, verschiebt und beschleunigt"[8].

Gat arbeitet in seinen Stücken meist ohne Bühnen- und Kostümbild. Die Tänzer tragen in der Regel alltagsähnliche Kleidung. Die Beleuchtung wirkt oft eher wie Arbeitslicht, man findet kein aufwändiges Lichtdesign bei Gat. Musik und Choreografie entwickelt er getrennt voneinander und führt sie erst in den Endproben zusammen. Der israelische Choreograf gilt als Tanzpurist[9], der "sich weigert, eine Geschichte zu erzählen.[10].

"Etiketten wie 'formell' oder 'abstrakt' behagen mir nicht. Jede Aufführung hat kulturelle, intellektuelle und soziale Auswirkungen und Implikationen. Ich will die nicht vorbestimmen oder lenken und bin jedes Mal selbst überrascht von den vielen Geschichten, die auf der Bühne entstehen. [...] Wenn ich Stücke anderer Choreografen ansehe, achte ich nur auf die Energieflüsse zwischen den Tänzern. Warum läuft einer jetzt nach links oder nach rechts? Alles spielt sich in den Räumen zwischen den Tänzern ab. Da liegt die wahre Choreografie."[11].

Die Tänzer von Gats Kompanie unterscheiden sich bewusst in Herkunft und Tanzstil. Ihre individuellen Interpretationen von Gats Vorgaben lassen die Choreografie vor seinen Augen entstehen. Dabei seien die Tänzer relativ frei, ihren eigenen Ausdruck und ihre Motivationen einzubringen.[12]

Die Tänzer des Emanuel Gat Dance Ensembles sind Hervé Chaussard (F), Amala Dianor (F), Andrea Hackl (A), Fiona Jopp (AUS), Michael Löhr (D), Pansun Kim (Südkorea), Philippe Mesia (F), Geneviève Osborne (AUS), François Przybylski (F) und Rindra Rasoaveloson (F).

Werke (Auswahl)

Literatur

  • Eva-Elisabeth Fischer: Emanuel Gat. In: ballettanz. November 2009, S. 58. (online)
  • Thomas Hahn: brilliant corners. In: tanz. August/September 2011. (Ausschnitt online)
  • Katja Schneider: Perfektion und Hymnus – Neues von Itzik Galili und Emanuel Gat beim Festival Tanztheater International. In: Friedrich Berlin Verlagsgesellschaft (Hrsg.): Tanzjournal. Oktober 2006.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Eva-Elisabeth Fischer: Emanuel Gat. auf: kultiversum.de
  2. "In den Raum explodiert" - Kritik zur deutschen Erstaufführung von Brilliant Corners im HAU1 Berlin, von Sandra Luzina, 10. August 2011, abgerufen am 28. August 2011.
  3. "Reich die Hand. Emanuel Gat eröffnet das Tanzfestival Context" - Kritik zu Silent Ballet und Winter Variations im Hebbel am Ufer in Berlin, von Sandra Luzina, 22. Januar 2011, abgerufen am 28. August 2011.
  4. Judith Mackrell: Emanuel Gat. In: The Guardian. 22. September 2010, abgerufen am 28. August 2011.
  5. Thomas Hahn: brilliant corners. In: tanz. August/September 2011, S. 11. (Ausschnitt online)
  6. Videoreportage zu Brilliant Corners auf Arte - Mit Probenaufnahmen und Ausschnitten aus einem Interview mit Emanuel Gat. Von S.Luzina, M. Kotzurek, L. Naimi und N. Cohen. Produziert von Arte. 23. August 2011, abgerufen am 28. August 2011.
  7. Videoreportage zu Brilliant Corners auf Arte - Mit Probenaufnahmen und Ausschnitten aus einem Interview mit Emanuel Gat. Von S.Luzina, M. Kotzurek, L. Naimi und N. Cohen. Produziert von Arte. 23. August 2011, abgerufen am 28. August 2011.
  8. Videoreportage zu Brilliant Corners auf Arte - Mit Probenaufnahmen und Ausschnitten aus einem Interview mit Emanuel Gat. Von S. Luzina, M. Kotzurek, L. Naimi und N. Cohen. Produziert von Arte. 23. August 2011, abgerufen am 28. August 2011.
  9. La Biennale di Venezia 2011: Emanuel Gat Dance (France), abgerufen am 28. August 2011
  10. Thomas Hahn: brilliant corners. In: tanz. August/September 2011, S. 9. (Ausschnitt online)
  11. Thomas Hahn: brilliant corners. In: tanz. August/September 2011, S. 11. (Ausschnitt online)
  12. Thomas Hahn: brilliant corners. In: tanz. August/September 2011, S. 11. (Ausschnitt online)

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