Eran (Indien)

Eran (Indien)
Eran (Madhya Pradesh) − Der Gott Vishnu in Gestalt eines Ebers (Varaha) entstammt wahrscheinlich dem 5. oder 6. Jh. Ihm gegenüber erhebt sich eine Säule mit einer stehenden Figur - möglicherweise ein Garuda-Bildnis.

Eran (Hindi: ऐरण, Airaṇ) ist der heutige Name eines Dorfes und einer nur wenig entfernten, historisch bedeutsamen Tempelstätte im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Das Dorf Eran liegt etwa 75 km in nordwestlicher Richtung von der Stadt Sagar und etwa 12 km in östlicher Richtung von der kleinen Stadt Mandi-Bamora entfernt, die auch über einen Regionalbahnhof verfügt. Von dort ist Eran über Pisten mit einem gemieteten Auto beziehungsweise Fahrrad zu erreichen. Unweit der archäologischen Stätte fließt der Fluss Bina.

Geschichte

Die Geschichte der ehemaligen Stadt Eran reicht weit zurück. Ihr alter Name, der auch in einer Inschrift von Sanchi erwähnt wird, lautete Airikina. Verschiedene Gupta-Herrscher statteten die wahrscheinlich schon länger existierende Pilgerstätte mit Bauten und Skulpturen aus. Bei Ausgrabungsarbeiten im 19. und 20. Jahrhundert wurde eine Vielzahl von Münzen gefunden, die bis in die Zeit um 300 v. Chr. zurückreichen. Der älteste datierte Sati-Stein (s. u.) stammt aus dem Jahr 510 n. Chr.

Architektur

In der ehemals bedeutenden Anlage ist kein einziges Bauwerk mehr in gutem Zustand erhalten. Die Fundamente sowie einige reliefierte Säulen der Vorhalle (mandapa) und Teile des Portalgewändes eines frühen Gupta-Tempels, eines Narasimha-Tempels, sind noch vorhanden. Dieser ähnelte mit großer Wahrscheinlichkeit den Tempeln von Tigawa (Kankali-Devi-Tempel) und Sanchi (Tempel Nr. 17) und dürfte somit im 1. Viertel des 5. Jahrhunderts erbaut worden sein.

Skulpturen

Bedeutendste Relikte in Eran sind verschiedene Skulpturen und Sati-Steine, die einen Zeitraum von etwa 1500 Jahren umfassen.

Varaha-Skulptur

Die Hauptattraktion der archäologischen Stätte von Eran bildet eine etwa 3,50 m hohe und fast 5 m lange Varaha-Figur, die aus einem einzigen massigen Felsblock herausgearbeitet wurde. Varaha (Eber) ist die dritte Inkarnation (avatara) des Gottes Vishnu. Im 5. oder 6. Jahrhundert n. Chr. wurde der Monolith zu einer Varaha-Figur umgestaltet und möglicherweise von einem offenen überdachten Bau geschützt.

Legende

Gemäß einer Legende fiel dem Schöpfergott Brahma während der Erschaffung der Welt die Erde in den Urozean. Daraufhin bat er Vishnu um Hilfe, der die Gestalt eines Ebers annahm und in die Tiefen des Meeres hinabtauchte, wo er die Erde in Gestalt der Erdgöttin Bhudevi fand und sie behutsam auf seinen Hauern an die Oberfläche brachte.

Darstellung

Der massige Körper Varahas ist über und über mit kleinen Götterfiguren bedeckt, welche die alles überragende Bedeutung der Hauptfigur, d. h. Vishnus, unterstreichen. Seitlich des Kopfes ist Bhudevi zu sehen, die sich an den Hauern des ebergestaltigen Gottes festhält.

Garuda-Säule

Eine aufrecht stehende, durch eine Inschrift in das Jahr 485 datierbare, fast 13 m hohe und in einem Lotos-Kapitell endende Säule, die der Varaha-Figur gegenübersteht, ist noch gut erhalten. Oberhalb des glockenförmigen Kapitells befindet sich ein blockartiger und mit vier Löwen geschmückter Aufsatz, auf welchem eine Figur steht, die gemeinhin als Garuda angesehen wird, obwohl sie weder Flügel hat und die Hände auch nicht im Anbetungsgestus gefaltet sind.

Sati-Steine

Von großer kulturhistorischer Bedeutung sind etwa ein Dutzend mittelalterlicher und neuzeitlicher mit Inschriften versehene Sati-Steine, die in Eran gefunden wurden. Der älteste stammt wohl aus dem Jahr 510, der letzte aus dem Jahr 1910. Sie geben Auskunft über die jahrhundertealte und, trotz gesetzlicher Verbote, in einigen Fällen bis in die heutige Zeit praktizierte Tradition der Witwenverbrennung. Frauen, die ihren verstorbenen Ehemännern in den Tod folgten, wurden hoch geehrt. Zu ihrem Andenken wurden sogar Memorialsteine und -tafeln errichtet, während in sonstigen Inschriften fast nur Männernamen zu finden sind.

Andere Skulpturen

Auch andere Götterfiguren wurden in Eran gefunden – z.B. Krishna, Narasimha, Kubera, Chamunda, ein Shiva-Lingam etc. Letztgenannte verweisen darauf, dass in Eran nicht allein Vishnu verehrt wurde, sondern auch Götter aus dem shivaitischen Umfeld.

Bedeutung

Obwohl die Tempelbauten von Eran nicht mehr existieren bzw. in Ruinen liegen, gehört die archäologische Stätte zu den eindrucksvollsten, von Touristen allerdings nur selten besuchten Sehenswürdigkeiten im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh.

Siehe auch

Literatur

  • Michael W. Meister u.a. (Hrsg.): Encyclopaedia of Indian Temple Architecture – North India, Foundations of North Indian Style. Princeton University Press, Princeton 1988, S. 33f und S.40 ISBN 0-691-04053-2
  • Peter und Anneliese Keilhauer: Die Bildsprache des Hinduismus. Die indische Götterwelt und ihre Symbolik. DuMont, Köln 1986, S. 82ff ISBN 3-7701-1347-0
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