Fiene Scharp

Fiene Scharp

Fiene Scharp (* 1984 in Berlin) ist eine deutsche Künstlerin, deren Arbeiten sich in Grenzbereichen von Zeichnung, Installationen und Kleinobjekten bewegen. Auch Videokunst und Fotografie tauchen wiederholt in ihrem Werk auf.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Aufgewachsen in Berlin studierte Fiene Scharp nach dem Abitur von 2004 bis 2009 Kunst an der Universität der Künste Berlin und Literatur an der Humboldt-Universität zu Berlin. 2007 schloss sie mit dem Bachelor of Arts in der Klasse der Künstlerin Ursula Neugebauer. Nach einem Semester in der Klasse der Gastprofessorin Alicja Kwade studiert sie seit 2008 in der Klasse von Gregor Schneider.

Fiene Scharp lebt und arbeitet in Berlin. Sie ist mit dem Filmemacher Ingo J. Biermann verheiratet. Sie haben eine Tochter, die 2009 geboren wurde.

Rezeption

Während ihres Studiums bei der UdK-Professorin Ursula Neugebauer hatte Fiene Scharp im Juli 2007 ihre erste Einzelausstellung im Studio des Neuen Berliner Kunstvereins[1]. Dort stellte sie drei Arbeiten aus, die sich mit den Grenzen der körperlichen Wahrnehmung von Innen- und Außenraum beschäftigten. In ihren Objekten, Haarzeichnungen und Videoarbeiten geht es der Künstlerin im Wesentlichen um haptisch-visuelle Erfahrungen.

Die aus Wachs, Fett und menschlichem Haar gefertigten Objekte „changieren in ihrer filigranen Beschaffenheit zwischen Anziehung und Abstoßung“[2]. Fiene Scharp appliziert feine Härchen auf organische Materialien oder Lebensmitteln, so dass der Eindruck entsteht, diese wüchsen aus den Dingen heraus. Fiene Scharps Gebrauch von Haar fordert die Überschreitung der Grenzen von Betrachter und Objekt heraus: Der Anblick reizt, die Dinge zu berühren, erzeugt aber auch „einen Moment des Ekels. Die Haare verleihen den Objekten ein unerwartet biomorphes, bisweilen auch erotisches aber insgesamt befremdliches Eigenleben“[2]. Mit diesen Formen spielt die Künstlerin mit der Wahrnehmung von Weichheit und Festigkeit, von körperlicher und lebloser Erscheinung, von Anziehung und Abstoßung. So entlockt Scharp dem Betrachter „sublime und verborgene Empfindungen“[2].

Fiene Scharps surrealistisch angehauchte Objekte erinnern laut dem Kunstmagazin Art „ein wenig an Robert Gobers wächserne Mädchensandale, aus dessen Sohle fieses Männerhaar sprießt“[3]. So sind auch in Fiene Scharps aus Alltagsgegenständen zusammengesetzten Kleinobjekten an ungewohnten Stellen Haare angebracht und scheinen so aus einer frisch ausgepackten Butter oder einer vertrockneten Zitrone zu wachsen. Fiene Scharps Arbeiten mit Haut und Haar „konfrontieren uns tastend mit unserer Körperlichkeit, ihren Grenzen, Durchlässigkeit, Integrität und Auflösung“, schreibt etwa das österreichische Kunstportal CastYourArt.com[4].

Keines der Kleinobjekte, Zeichnungen und Haarinstallationen Fiene Scharps trägt einen Titel, genannt wird stattdessen üblicherweise nur das Material, aus dem das jeweilige Werk hergestellt wurde.

Videoarbeiten

Auch ihre Videoarbeiten spielen mit dem Moment der Sinneserweiterung. So sieht man in ihrem Video Haarreif ein Handgelenk, dem linear feine Haare appliziert werden. Im NBK-Studio wurde diese Videoarbeit senkrecht von oben auf ein Podest projiziert, so dass Assoziationen zum Schmuckstück geweckt und Grenzen von Körperlichkeit und Dinglichkeit reflektiert werden. Im Video Streicheln, das auf Fiene Scharps Internetseite zu sehen ist, scheinen zwischen zwei Fingen eingespannte Härchen elektrisch konnotierte Geräusche zu erzeugen.

Die Haut, an der man den Zustand der Getrenntheit wie auch der Durchlässigkeit und der Oberfläche zum Berühren und Fühlen erlebt, spielt neben Haar eine wichtige Rolle in den Arbeiten Fiene Scharps. Die Videoarbeit, Außer mir, die ebenfalls im NBK-Studio zu sehen war, zeigt, wie Metallbuchstaben in Haut eingedrückt werden und dann das Verblassen der Druckspuren. Dieses Video wurde auf die Fensterfront der Galerie projiziert, um anhand dieser Fläche die Grenze von Außen- zu Innenraum, von Körper und Objekt zu thematisieren.

Das Moment der Zeit, des Eingriffs, der Veränderung ist auch Thema der beiden Videoarbeiten Hinter Spiegeln und Intimität die im März 2009 im Frauenmuseum Berlin zu sehen waren.[5] Die beiden synchron nebeneinander ausgestellten Videos zeigten das Polieren einer Eisfläche mit den Handflächen und die Rasur eines Fells. Die Geräusche von Schaben, Schrubben und Polieren unterstreichen die immer gleichen Bewegungsabläufe, bis aus den rauen Strukturen jeweils eine glatte oder eine spiegelnde Oberfläche wird.

Haarzeichnungen

Seit 2009 arbeitet Fiene Scharp an sogenannten Haarzeichnungen, die sich im Grenzbereich von Zeichnung und Objektkunst bewegen. Diese meist großformatigen Werke sehen auf den ersten Blick aus wie Zeichnungen, doch beim näheren Hinschauen wird deutlich, dass hier in kleinteiliger Arbeit zentimeter- oder gar millimeterkurze, teils auf den ersten Blick gar nicht sichtbare, Härchen in strengen Mustern angeordnet wurden. Aktuell arbeitet sie an der Universität der Künste Berlin als Meisterschülerin in der Klasse von Gregor Schneider des Weiteren an Installationen, die diese angeordneten Haare in Bewegung versetzen, wenn sich der Betrachter den Werken nähert.

Ausstellungen (Auswahl)

Videos (Auswahl)

  • 2007 Streicheln 30’43 (Loop)
  • 2007 Außer mir 01’07’55 (projiziert auf halbdurchlässiges Schaufenster)
  • 2007 Haarreif, 12 min.
  • 2006 Hinter Spiegeln 13’23
  • 2006 Intimität 5'36
  • 2006 Blöße 30'03

Werke (Auswahl)

  • 2010 Pattern, Plot auf Papier, gefaltet, 150 x 280 cm
  • 2010 Haar, Graphit, Klebeband, Lackfolie, 100 x 100 cm
  • 2010 Haar, Graphit, Klebeband, Papier, 150 x 150 cm
  • 2010 Tusche auf Papier, 112 x 112 cm
  • 2009 Haar, Graphit, Klebeband, Papier, 150 x 150 cm
  • 2009 Tusche auf Papier, 20 x 20 cm (Serie aus mehreren gleich großen Zeichnungen)
  • 2009 Weiße Tusche auf Papier, 20 x 20 cm
  • 2009 Tusche auf Papier, 29,5 x 21 cm (Serie aus mehreren gleich großen Zeichnungen)
  • 2009/2007 Kubus (Haar, Haarspray, Haarfärbung), 100 x 100 x 100 cm
  • 2008 Tusche auf Papier, 25 x 17,5 cm (Serie aus mehreren gleich großen Zeichnungen)
  • 2007 Butter, Haar, Papier, 6,5 x 18 x 17 cm
  • 2007 Gummi, Haar, 2 x 5 x 2,5 cm
  • 2007 Zitrone, Haar, 5 x 7 x 5 cm
  • 2007 Kaffee, Graphit auf Papier, 35 x 25 cm
  • 2007 Haar auf Papier, 29,7 x 41 cm
  • 2007 Öl auf Papier, 29,5 x 21 cm
  • 2006 Haar auf Papier, 33 Zeichnungen à 5 x 5,5 cm
  • 2006 Gummi, Haar, 0,5 x 13 x 10 cm
  • 2006 Papier, Blut, Haar, 6,3 x 5,5 x 5 cm (5 x 180 cm)
  • 2006 Gummi, Haar, 2,5 x 23 x 10,5 cm
  • 2006 Seife, Haar, 3 x 8,5 x 5,5 cm, 18 x 18 cm
  • 2006 Haar, 19,5 x 28,7 cm
  • 2006 Mullbinde, Haar, 4 x 8,5 x 7,5 cm
  • 2006 Metall, Haar, 3,5 x 30 x 7 cm
  • 2005 Wachs, Haar, 3,5 x 6,8 x 4,5 cm
  • 2005 Stein, Wachs, 6 x 9, x 8 cm
  • 2005 Metall, Haar, 2 x 18,5 x 13 cm
  • 2005 Draht, Haar, 6 x 10 x 6 cm
  • 2005 Polyurethanschaum, Papier, ca. 21 x 16 x 3.5 cm
  • 2004 Öl, Wachs auf Leinwand, 20 x 20 cm
  • 2004 Öl, Wachs, Fotografie auf Leinwand, 20 x 20 cm

Literatur

  • Fliegendes Klassenzimmer. Klasse Gregor Schneider Berlin, Hrsg: Klasse Gregor Schneider Berlin, Projektgruppe UdK-Verlag, Juli 2010, ISBN 978-3-89462-191-9.
  • Hair'em Scare'em, Hrsg: R. Klanten, M. Huebner, S. Ehmann, Verlag Die Gestalten, Berlin 2009, ISBN 978-3-89955-275-1.[6]
  • Sandra Danicke im Art-Magazin: Haare und Kunst (Trend), Frankfurt 2009.[3]

Weblinks

Quellen

  1. Ausstellungsarchiv des NBK-Studio im Neuen Berliner Kunstverein
  2. a b c Zitiert nach: Katja Albers in der Pressemitteilung des Neuen Berliner Kunstvereins, Juni 2007
  3. a b Artikel über Haare in der zeitgenössischen Kunst von Sandra Danicke im Art-Magazin, abgerufen am 19. Januar 2011]
  4. Zitiert nach: Wolfgang Haas, Janima Nam, Fiene Scharp - mit Haut und Haar bei castyourart.com am 6. Januar 2010 (aufgerufen am 19. Januar 2011)
  5. Ausstellung Delikat im Frauenmuseum Berlin
  6. Buch Hair'em Scare'em beim Verlag Die Gestalten

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