Französische Kernwaffentests in Algerien

Französische Kernwaffentests in Algerien
Studenten aus Mali protestieren am 13. Februar 1960 in Leipzig gegen den französischen Atombombentest

Die französischen Kernwaffentests in Algerien fanden von 1960 bis 1965 statt. In den Verträgen von Évian vom März 1962, mit denen Algerien die Unabhängigkeit erlangte, wurde der force de frappe gestattet, die Testeinrichtungen für Raketen und Kernwaffen noch fünf Jahre zu nutzen. Insgesamt wurden siebzehn Explosionen, davon vier oberirdisch und dreizehn unterirdisch, durchgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Oberirdische Kernwaffenversuche

Etwa 50 km südwestlich von Reggane in der Provinz Adrar beziehungsweise 20 km südlich des Ortes Hamoudia befand sich bis 1965 das französische Kernwaffentestgelände Centre Saharien des Expérimentations Militaires (CSEM) (26° 21′ N, 0° 8′ W26.35-0.13333333333333).

Seinen ersten Kernwaffentest führte Frankreich am 13. Februar 1960 mit einer 70-kT-Atombombe durch, die den Namen Gerboise bleue (nach einer in der Region vorkommenden Springmaus) trug und etwa 4-mal so stark wie die Hiroshima-Bombe war. Am 1. April 1960, 27. Dezember 1960 und 25. April 1961 erfolgten auf dem Gelände drei weitere oberirdische Atombombentests mit jeweils weniger als 5 kT.

Die Sahara im Umkreis von 300 km südwestlich bis 300 km östlich von Hamoudia war seinerzeit praktisch menschenleer. Alle vier Explosionswolken wehten in diese Richtungen. Wie 2010 bekannt wurde, hat die französische Armee im Anschluss an den letzten Versuch am 25. April 1961 einen Trupp von 300 Soldaten wissentlich radioaktiver Strahlung ausgesetzt.[1] Bei diesem Versuch sollten laut dem einschlägigen Militärbericht die „physiologischen und psychologischen Wirkungen der Atomwaffe auf den Menschen“ untersucht werden, um die „nötigen Elemente für die physische Vorbereitung und moralische Ausbildung des modernen Kämpfers zu erhalten.“ Zu diesem Zweck mussten sich die Männer bis auf 700 Meter dem Explosionsort nähern. Viele von ihnen leiden bis heute an der Verstrahlung und sind teilweise an Krebs erkrankt.

Auf Wunsch Algeriens untersuchte die IAEA das Gelände und stellte in einem Bericht von 2005 fest, dass aufgrund der sehr schwachen restlichen Radioaktivität keine Maßnahmen nötig seien. Nur wenn es zu größeren Aktivitäten in der Gegend komme, solle der Zutritt zu den vier Explosionsorten untersagt werden.[2]

Unterirdische Kernwaffenversuche

Das das französische Kernwaffentestgelände Centre d'Expérimentations Militaires des Oasis (CEMO) befindet sich im Massiv Tan Affela bei In Ekker im Hoggar etwa 150 km nördlich Tamanrasset neben der Straße N 1 (24° 3′ N, 5° 3′ O24.055.0563888888889).

Hier erfolgten insgesamt 13 unterirdische Tests zwischen dem 7. November 1961 und dem 16. Februar 1966.

Beim zweiten Test Béryl hielt der Verschluss des Teststollens nicht stand. Es kam zu einem Ausstoß von radioaktivem Gas und Staub, der in östlicher Richtung geweht wurde. Von dem Fallout wurden nach Angaben des französischen Verteidigungsministeriums maximal 230 Menschen betroffen, ohne dass unmittelbar medizinische Folgen festgestellt wurden. Andererseits scheinen eine Reihe von mit dem Test befasster Personen Spätfolgen erlitten zu haben, die Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen in Frankreich waren. Die unmittelbare Umgebung des Teststollens scheint noch stark kontaminiert und nicht wirksam abgeschlossen zu sein.[3]

Entschädigung von Opfern

Schätzungen zufolge waren an den insgesamt 210 Tests in Algerien und in Polynesien 150.000 Militärangehörige und zivile Angestellte beteiligt. Hinzu kommt die in den Testgebieten lebende Zivilbevölkerung. Über die an Krebs und anderen Strahlungsfolgen erkrankten und gestorbenen Personen gibt es keine Zahlen. Laut Angaben der Opferorganisation AAVEN wurde die verstrahlte Umgebung bis heute auch nicht gereinigt.[4]

Mit den Versuchen und seinen Wirkungen beschäftigt sich der 2009 veröffentlichte Dokumentarfilm Gerboise bleue von Djamel Ouahab.[5][6]

Siehe auch: Entschädigung von Opfern von Atombombentests

Weblinks

  • Tagesschau: Frankreich entschädigt Atomtest-Opfer in der algerischen Sahara

Einzelnachweise

  1. „Soldaten für Atomtests missbraucht“, Bericht des orf vom 17. Februar 2010
  2. Bericht des fr. Verteidigungsministeriums, in französisch
  3. Bruno Barrillot: French Nuclear Tests in the Sahara, Science for Democratic Action, April 2008 [1]
  4. ntv (online)
  5. Informationen zum Film auf imdb.de
  6. Trailer

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