Genja Jonas

Genja Jonas
Genja Jonas: Selbstporträt
Signatur von Genja Jonas (1933)

Genja Jonas (* 2. September 1895 in Rogasen, Kreis Obornik, Provinz Posen als Jenny Jonas; † 8. Mai 1938 in Dresden) war eine deutsche Fotografin.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Jonas wurde als zweites Kind des jüdischen Zigarrenhändlers Simon Sigismund Jonas (* 1866) und der Laura Loewenthal (* 1867) geboren. Sie hatte drei Geschwister: Der ältere Bruder Max Jonas (* 1894) wurde wie sein Vater Zigarrenhändler und konnte nach der Machtergreifung Hitlers mit seiner Familie in die Niederlande emigrieren, wo er in Rotterdam arbeitete. Der jüngere Bruder Kurt (* 1898) wurde Arzt in Dresden. Ihrer Schwester Erna (* 1907), verheiratete Rosenbaum, gelang ebenfalls die Emigration.

Genja Jonas’ Eltern lebten ab den 1920er-Jahren bei ihren Kindern in Dresden. Sie konnten zunächst wie ihr Sohn Max in die Niederlande emigrieren. In Rotterdam wurde beide im März 1943 verhaftet und in das Konzentrationslager Westerbork und von dort in das Vernichtungslager Sobibor deportiert. Hier wurden sie am 23. Juli 1943 ermordet.

Leben und Wirken

Logo, das Genja Jonas in einem von ihr angefertigten Fotoalbum verwendete
Merz 20 aus dem Jahr 1927 mit einem Coverfoto Kurt Schwitters’ von Genja Jonas
Genja Jonas: Palucca, vermutlich 1930er-Jahre

Jonas wuchs in Bromberg auf und ging nach Berlin, wo sie sich als Fotografin ausbilden ließ. Sie ließ sich anschließend wie ihre Geschwister in Dresden nieder und eröffnete hier 1920 auf der Bürgerwiese 6 ihr Fotoatelier „Portikus“. Zu ihren Mitarbeitern zählte in den 1920er Jahren die von Hugo Erfurth ausgebildete Fotografin Erica Stroedel (1899–1984)[1]; der Künstler Wols ging 1931 für einige Monate bei ihr in die Lehre.

Jonas wurde eine der gefragtesten Porträtfotografen in Dresden, nahm an Internationalen Ausstellungen teil und nahm Aufträge im Ausland, unter anderem in Frankreich, wahr. In England durfte sie die Mitglieder des Königshauses porträtieren. Bedeutung erlangten ihre Fotografien der Tänzerin Gret Palucca. Palucca war mit Jonas’ Ehemann, dem Schriftsteller und Redakteur der DNN Alfred Günther, befreundet. Über ihn wurde der Kontakt zu Jonas hergestellt, die Palucca einen Tag lang in ihrem Atelier auf der Bürgerwiese fotografierte.

„Einen ganzen Tag haben wir da gearbeitet. Ich ließ ein und dieselbe Platte laufen, bis sie nur noch krächzte. Ohne Musik konnte ich nicht tanzen. Mir war es gleichgültig, ob es viele Stunden die gleiche Musik war. Wir hatten beide einen guten Tag. Da sind diese schönen Aufnahmen entstanden, alle an einem Tag. Da war irgendeine Beziehung, wie es das ja manchmal gibt. Uns hat das beide fasziniert.“

Gret Palucca über Genja Jonas[2]

Es entstanden verschiedene Aufnahme-Serien, die Jonas in Leporellos binden ließ.[2] Es ist nicht bekannt, ob Jonas außer der Palucca weitere Tänzer fotografierte. Über ihre Schwester Erna wiederum geriet Jonas in Kontakt mit Schauspieler Adolf Wohlbrück, den sie ebenfalls porträtierte. Ihre Wohnung war Treffpunkt der geistigen und künstlerischen Elite ihrer Zeit.

Neben bekannten Persönlichkeiten schuf Jonas auch Porträts Dresdner Bürger. Vor allem ihre Kinderaufnahmen ernteten das Lob ihrer Zeitgenossen, da sie in ihnen „weit von Niedlichkeit und Kitsch das echte rätselhafte Kindsein erspührte.“[3] Insgesamt entstanden rund 20.000 Aufnahmen, von denen einige in zeitgenössischen Publikationen abgedruckt wurden.[4] „Ihre eigenartige technische Methode fußte auf der kurzen Exposition der Momentaufnahme und auf einer höchst sensitiven Retouche; ausschlaggebend aber war immer ihr psychologisch tief eindringender Blick.“[3]

Neben Porträts fertigte Jonas auch surrealistische Fotocollagen. Über Kurt Schwitters, mit dem sie befreundet war und den sie mehrfach porträtierte, kam sie in Kontakt mit der Dada-Bewegung. Neben eigenen Fotocollagen, die unter anderem 1936 in Joachim Ringelnatz’ postum veröffentlichten Gedichtband Für die Mode, nicht dagegen sei der Mensch. Gedichte für Venus erschienen, entstanden auch Fotocollagen in Zusammenarbeit mit Schwitters, die 1929 auf der Werkbund-Ausstellung „Film und Foto“ in Stuttgart gezeigt wurden. Schwitters widmete ihr eine Collage, Pol Cassel schuf 1926 ein Ölporträt von ihr und Edmund Kesting fertigte eine experimentelles Foto in Mehrfachbelichtung von ihr an.

Jonas’ Mann Alfred Günther wurde 1933 aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen und emigrierte kurz darauf. Jonas wurde wegen ihrer „nichtarischen Herkunft“ 1935 aus der „Gesellschaft Deutscher Lichtbildner“ ausgeschlossen, so hieß es im Tagungsordnungbericht der GDL 1935: „Aus der Mitgliederliste der Gesellschaft sind zu streichen: die Damen und Herren Kurt Schallenberg [1883–1953], Hamburg; Genja Günther-Jonas, Dresden; Anneliese Kretschmer-Silberbach, Dortmund; Josef Rosner, Chemnitz; Josef Grieshaber, Frankfurt am Main; Prof. Dr. Pistor, Jena.“[5]

Jonas, die nach England emigrieren wollte, erkrankte schwer und verstarb 1938 in Dresden. Ihr Tod wurde vom seinerzeitigen Friedhofsinspektor Bruno Jacobsohn beim Standesamt am 9. Mai 1938 gemeldet; was mit dem Leichnam geschah, ist allerdings unbekannt. Auch die Suche nach der Grabstelle blieb bisher erfolglos. Gret Palucca berichtete in ihren Erinnerungen vom Tod Jonas’, an deren Krankenbett sie noch zu einer Arie aus Il trovatore getanzt habe.[2] Ihr Atelier übernahm die auf Tanzfotografie spezialisierte Charlotte Susanne Rudolph (1896–1983). Es wurde bei der Bombardierung Dresdens im Februar 1945 zerstört.[6]

Literatur

  • Familie Jonas. In: Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (Hrsg.): Buch der Erinnerung. Juden in Dresden – deportiert, ermordet, verschollen 1933–1945. w.e.b., Dresden 2006, ISBN 3-939888-14-1, S. 166–168.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Frank-Manuel Peter: Das tänzerische Lichtbild. Hugo Erfurth als Dokumentarist des frühen Ausdruckstanzes. In: Bodo von Dewitz, Karin Schuller-Procopovici (Hrsg.): Hugo Erfurth, 1874–1948. Photograph zwischen Tradition und Moderne. Köln 1992.
  2. a b c Künstler um Palucca. Ein anderer Weg zu Palucca. Ausstellungskatalog Kupferstich–Kabinett Staatliche Kunstsammlungen Dresden. Dresden 1987, S. 30.
  3. a b E. Büttner: Die Lichtbildnerin Genja Jonas [Nachruf]. In: Gemeindeblatt der Israelitischen Religionsgemeinde, Nr. 12, 15. Juni 1938, S. 9.
  4. Vgl. u.a. Alfred Günther: Das Bildnis des Kindes. Mit Illustrationen von Genja Jonas. In: Joh. Erich Gottschalch (Hrsg.): Dresdner Kalender. Jahrbuch über das künstlerische, geistige und wirtschaftliche Leben in Dresden. Verlag von Carl Creutzburg, Dresden [1927], S. 177–180.
  5. Franz Grainer: Jahresbericht 1935. Zit. nach: Christiane Kuhlmann: Charlotte Rudolph: Tanzfotografie 1924–1939. Steidl, Göttingen 2004, S. 11.
  6. Theaterwissenschaftliche Sammlung, Universität zu Köln (Hrsg.): Glanzrollen: Darstellerfotografie vom 19. Jahrhundert bis 1933. Deutsche Fototage 1995, S. 113.

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