Geschichte der Volksrepublik China von Maos Tod bis 1981

Geschichte der Volksrepublik China von Maos Tod bis 1981

Nach dem Tod Mao Zedongs kam in der Volksrepublik China Hua Guofeng an die Macht. Doch wenige Jahre später erstarkte der Einfluss Deng Xiaopings auf die Politik des Landes.

Inhaltsverzeichnis

Nach dem Tod Maos

Am 9. September 1976 starb Mao Zedong. Noch vor seinem Tode hatte er Hua Guofeng als seinen Nachfolger ernannt, der daraufhin die Schlüsselstellungen Parteivorsitzender, Ministerpräsident und Vorsitzender der Militärkommission zugesprochen bekam. Hua wollte keine größere Revision der Kulturrevolution, sondern möglichst alles beim alten lassen. Ausdruck dieser Bemühungen war seine „Zwei Alles Politik“, die besagte, dass nach wie vor sämtliche Lehren und Weisungen Maos unentwegt in die Tat umgesetzt werden müssten. Die Rückkehr Deng Xiaopings in die Politik wollte Hua verhindern, noch am 13. März 1977 forderte er die Fortsetzung der Kritik an Deng, musste jedoch der Mehrheit der Parteiführung nachgeben. Deng wurde im Mai rehabilitiert und im Juli in seine früheren Ämter wieder eingesetzt. Hua Guofeng wurde auf dem Parteitag im August 1977 als Parteivorsitzender bestätigt. Nach Misserfolgen in der Wirtschaftspolitik wurde Hua schrittweise entmachtet und ab dem 3. Plenum des elften Zentralkomitees im Dezember 1978 dominierte die Gruppe um Deng mit einer neuen Wirtschaftspolitik. Viele Opfer früherer Kampagnen wurden ab 1979 rehabilitiert, bis zum Jahr 1987 wurden 2,4 Millionen Urteile aus der Zeit 1949 bis 1976 aufgehoben.

Huas Wirtschaftskonzept

Bereits im Dezember 1976 legte Hua ein Neuaufbauprogramm vor, das an den alten Prinzipien festhielt und wieder, ganz im Geiste des Großen Sprungs, unrealisierbare Ziele vorgab. Die vier Hauptpunkte waren

  • Im ganzen Land „Kreise vom Dazhai-Typ“ aufzubauen. Dazhai war die Vorzeigevolkskommune Maos.
  • Bis zum Jahr 1985 die Getreideernte auf 400 Mio. t zu erhöhen
  • 12 Getreide-Hochleistungsgebiete auszubauen
  • Bis 1985 sollten 85 % der Hauptarbeitsgänge in der Landwirtschaft mechanisiert ablaufen.

Im Zeichen ähnlich überzogener Ziele stand auch der Zehnjahresplan (1976 bis 1985) den Hua auf der ersten Plenarsitzung des fünften Volkskongresses im Februar 1978 vorlegte. Durch „vier Modernisierungen“ sollte China bis zum Jahr 2000 in eine „moderne, industrielle, sozialistische Großmacht“ verwandelt werden. Der Plan hatte folgende Schwerpunkte:

  • Die Grund- und Schwerindustrien haben Vorrang vor der Landwirtschaft, die die zweite Priorität bekommt. Die Leicht- und Konsumgüterindustrien stehen erst an dritter Stelle.
  • Höchste Priorität bekommt die strikte zentrale Planung, die umfassender als je zuvor ausgebaut werden soll.
  • Die Bevölkerung soll durch ein allgemeines System von Leistungslöhnen und materiellen Anreizen zur Leistung motiviert werden.
  • Im Interesse der raschen Modernisierung werden, falls nötig, hohe Haushaltsdefizite und Anleihen aus dem Ausland in Kauf genommen.

Der Plan sah im Detail vor, 120 industrielle Großprojekte zu erstellen, darunter 10 Stahlwerke und 30 neue Kraftwerke. 10 neue Ölfelder sollten erschlossen werden. Die Stahlproduktion als „Hauptkettenglied“ der Wirtschaftsentwicklung sollte von 31 Mio. t auf 60 Mio. t gesteigert werden. In Wirklichkeit wurde dann 1985 eine Stahlproduktion von 46 Mio. t geschafft,

Dengs Aufstieg zur Macht

Ab Frühjahr 1978 begann Deng Gegenpositionen zu Hua aufzubauen und brach mit einer Grundregel Maos nach der anderen.

  • Am 18. März 1978 forderte er auf der Nationalen Wissenschaftskonferenz eine Anerkennung der Arbeit der Intellektuellen. Die Wissenschaft sei die wichtigste Produktivkraft überhaupt und die Wissenschaftler seinen keine „bürgerliche Intellektuellen“ sondern für China unverzichtbare „Kopfarbeiter“.
  • Am 28. März 1978 forderte Deng die Rückkehr zum Leistungsprinzip.
  • Am 5. April 1978 beschloss das ZK die so genannten „Rechten Elemente“ zu rehabilitieren und aus den Registern der Sicherheitsämter zu streichen. „Rechte Elemente“ warnen jene 540.000 Personen, denen im Rahmen der Rechtsabweichlerkampagne im Jahr 1957 „Rechtsabweichlertum“ vorgeworfen wurde. Seit dieser Zeit waren sie offiziell als Rechtsabweichler stigmatisiert und wurden staatlich benachteiligt.
  • Am 22. April 1978 forderte Deng auf der Landesbildungskonferenz die Wiedereinführung der Leistungsschule, des Prüfungswesens und der Vermittlung von Fachwissen. Die Gehälter der Lehrer müssten aufgebessert werden.
  • Im Mai gab Deng auf einer nationalen Konferenz von Politkommissaren die Parole aus, keine Doktrin oder Ideologie könne als Norm für die Wahrheit gelten. Die Norm der Wahrheit müsse in der Wirklichkeit gesucht werden, später abgekürzt zur Parole: „Die Wahrheit in den Tatsachen suchen.“ Eine klare Abgrenzung gegen die Verherrlichung der „Gedanken Mao Zedongs“.

Im Oktober 1978 sorgte die Gruppe um Deng dafür, dass die Möglichkeiten zur politischen Kritik in den Städten stark erweitert wurden und die Bevölkerung wurde zur Kritik mittels Wandzeitungen aufgerufen. Dies war der Startschuss für eine Bewegung, in der ab November 1978 auf Wandzeitungen wie auch anderen Veröffentlichungen Mao Zedong, die Kommunistische Patei Chinas, der Marxismus-Leninismus und auch Hua Guofeng massiv angegriffen wurden. Die Kritik wuchs immer weiter an und wurde, für viele völlig überraschend, im April 1979 von Deng teilweise gewaltsam, wieder beendet. Die Bewegung hatte ihre Aufgabe, aus der Sicht Dengs, erfüllt, die Herabsetzung der Maoisten, besonders von Hua Guofeng.

Auf dem 3. Plenum des elften Zentralkomitees im Dezember 1978 wurde Dengs Linie bestätigt und weiter ausgebaut. 11 erst kürzlich rehabilitierte Mitglieder aus der Umgebung Dengs wurden in das ZK gewählt und einer der engsten Mitarbeiter Dengs, Hu Yaobang, wurde, zusammen mit drei anderen Unterstützern des Kurses von Deng, in das Politbüro aufgenommen. Deng hatte sich mit seinem Kurs endgültig durchgesetzt. Die drei Kernbeschlüsse des Plenums waren, dass der Schwerpunkt der Arbeit der KP vom Klassenkampf zur Modernisierung des Landes zu verlagern sei, dass der Personenkult abzuschaffen sei und dass die Landwirtschaft bevorzugt zu fördern sei. Des Weiteren sei die Wirtschaft zu diversifizieren, dies bedeutete den Abbau des Vorrangs der „Hauptkettenglieder der Wirtschaft“ Stahl und Getreide. An Stelle des bisherigen Personenkults sollte die sozialistische Demokratie sowie das sozialistische Rechtssystem ausgebaut werden. Als Ziel wurde eine Rechts- statt Personenherrschaft ausgegeben.

Auf dem 4. Plenum im September 1979 und auf dem 5. Plenum im Februar 1980 konnte die Gruppe um Deng ihre Basis weiter ausbauen. Im höchsten politischen Gremium, dem Ständigen Ausschuss des Politbüros, wurde Dengs Politik inzwischen von vier Mitgliedern vertreten, zwei Mitglieder ließen sich nicht auf eine der beiden Linien festlegen, Hua stand mit seiner Position inzwischen jedoch alleine da.

Dengs Modernisierungskonzept

Im April 1979 wurde das Modernisierungskonzept Huas durch ein Konzept der Gruppe um Deng abgelöst. Huas Konzept hatte zu Beginn zwar Erfolge vorzuweisen, sie entsprachen oft aber einer „Tonnenideologie“, die Qualität war oft nicht ausreichend. Alarmierend war das im Jahr 1979 aufgelaufene Staatsdefizit von 15,5 % im Staatshaushalt sowie Außenhandelsdefizite von 1978 von 1 Mrd und 1979 von 2 Mrd. US-Dollar. Dies entsprach 1979 14,7 % des Exportvolumens Chinas.

Huas Konzept wurde durch ein Konzept mit folgenden Grundsätzen ersetzt.

  • Vorrang der Leicht- und Konsumgüterindustrie vor der Landwirtschaft und vor der Grundstoff- und Schwerindustrie.
  • Neben der zentralen Planung der Wirtschaft experimentelle Dezentralisierung in Einzelbetrieben der Leichtindustrie sowohl auf dörflicher Ebene in der Landwirtschaft.
  • Ergänzung des Lohnstufensystems für materielle Anreize durch begrenzte privatwirtschaftliche Initiativen in der Landwirtschaft und im Dienstleistungssektor.
  • Stetiger, aber kontrollierter und ausgewählter Technologieimport aus den wirtschaftlich hoch entwickelten Industriestaaten.
  • Strikte Haushaltsdisziplin.

Neuausrichtung der ländlichen Politik

Die ländliche Gesellschaftspolitik, und auf dem Land lebten drei Viertel aller Chinesen, wurde ab 1978 erheblich geändert. Die Rolle der Produktionsgruppen wurde gegenüber den Produktionsbrigaden und den Volkskommunen gestärkt. Die Volkskommunen selbst nahmen fast nur noch Verwaltungsaufgaben wahr. Die meisten Beschränkungen für die privaten Familiennebentätigkeiten wurden abgeschafft und der Anteil des Privatlandes an der Nutzfläche wurde von 5-7 % auf 10-12 % erhöht. Die freien Märkten in den Dörfern unterlagen keinen Beschränkungen mehr und die Bauern konnten ihre erwirtschafteten Überschussgüter auch auf den Märkten in den Städten verkaufen.

Ab April 1980 ging man dazu über, Ackerland auch an Produktionsgruppen von wenigen Familien oder auch an Einzelfamilien zu verpachten. Die Pächter mussten im Rahmen der „Produktionsverantwortung der Einzelhaushalte“ der Produktionsbrigade zusichern, eine festgelegte Menge eines genannten Produkts nach der Ernte an die Produktionsbrigade abzuliefern. Der Überschuss blieb beim Pächter, Nichterfüllung der Verpflichtungen konnte bestraft werden. Dieses System wurde 1981 in ganz China verbreitet und in der neuen Verfassung 1982 wurde die Volkskommune endgültig gestrichen. Es gab keine Volkskommunen mehr.

Das System der „Produktionsverantwortung der Einzelhaushalte“ hatte folgende Grundsätze:

  • Die Eigentumsrechte am Boden blieben beim Kollektiv.
  • Pächter durften kein Arbeiter einstellen und auch kein Land weiterverpachten.
  • Die Produktionsgruppe hatte die Lebensmittelversorgung von Kaderfamilien, Soldatenfamilien sowie dem Personal sicherzustellen.
  • Betriebe und Werkstätten in Kollektiveigentum waren weiterzuführen.
  • Die Produktionsgruppe war verantwortlich, Kollektivaufgaben, z.B. Bewässerung durchzuführen und konnte dazu Bauern rekrutieren.

Neuausrichtung der Industriepolitik

In der Industrie wurde das mehrstufige Leistungslohnsystem wieder eingeführt und die Entscheidungsfreiheiten der Direktoren stark ausgeweitet. Im Frühjahr 1979 erhielten sie weitgehende Befugnisse bei Ankauf- und Absatzentscheidungen. Im November 1979 wurden für über 10.000 Produkte die Preise freigegeben. Starke Preissteigerungen erzwangen aber 1980/81 eine teilweise Rückkehr zur Preisbindung.

Im Dienstleistungsbereich wurden ab Winter 1979/80 wieder Privatbetriebe zugelassen. Offiziell wurden sie allerdings noch unter der Bezeichnung „Kollektivunternehmen“ geführt.

Erziehungspolitik

In der Erziehungspolitik wurde wieder ein strenges Leistungsprinzip mit dem Ziel einer Fachausbildung ohne politische Indoktrinierung eingeführt. Das erste Mal seit Beginn der Volksrepublik wurden Stipendien für Auslandsstudien an Studenten vergeben.

Die neuen Vier „Grundprinzipien des Staates“

Ab Frühjahr 1979 häuften sich Proteste und oppositionelle Strömungen. Bereits im Januar 1979 demonstrierten Tausende verelendeter Bauern für die Verbesserung ihrer Lange, anderseits demonstrierten viele aufs Land verschickte Jugendliche für ihre Rückkehr in die Städte. Am 29. März untersagte die Stadtverwaltung von Peking jegliche weitere Demonstrationen. Es wurden daraufhin die allgemeinen Grenzen für politische Aktivitäten bekannt gemacht, die später als „die vier Grundprinzipien“ in der Politik festgelegt wurden. Diese Grundprinzipien sind Sozialismus, die Diktatur des Proletariats, die Führungsrolle der Partei und die Gedanken Mao Zedongs.

Ende November 1979 wurde die Mauer der Demokratie in der Pekinger Innenstadt abgebaut und das verfassungsmäßig garantierte Recht, Wandzeitungen zu veröffentlichen, wurde im Sommer 1980 abgeschafft.

Der Sturz Huas

Nach dem Machtverlust Huas im Politbüro war Hua im November und Dezember 1980 heftigen Angriffen ausgesetzt. Das Politbüro beschloss, dass Hua zwar bis zum 6. Plenum des Zentralkomitees im Juni 1981 im Amt bleiben könne, dass er aber de facto seine Ämter unverzüglich an seine Nachfolger, Hu Yaobang als Vorsitzendem des ZK und Deng Xiaoping als Vorsitzendem der Militärkommission, abzutreten habe. Damit war erstmals in der Geschichte der Volksrepublik China ein Machtwechsel ohne Gewalt zustande gekommen.

Offizielles Urteil über Mao

Im Februar 1980 wurde vom ZK ein Ausschuss zur Überprüfung der Rolle Maos in der Geschichte der Volksrepublik Chinas eingerichtet. Auf dem 6. Plenum des ZK im Juni 1981 präsentierte dieser Ausschuss sein Urteil, welches einstimmig angenommen wurde. Es wurden Fehler Maos eingestanden, aber insgesamt fiel das Urteil milde aus. Maos „Fehler“ wurden auf Entscheidungen während des Großen Sprungs und der Kulturrevolution reduziert. Das Dokument räumte zwar ein, dass die Kulturrevolution auf Maos falsche Führung zurückginge, bezeichnete die Irrtümer aber als diejenigen einen großen proletarischen Revolutionärs. „Während er schwere Fehler beging“, so wird im Bericht festgestellt, „glaubte er nach wie vor, dass seine Theorie und Praxis marxistisch wären, und darin liegt seine Tragik.“

Die milde Beurteilung Maos war nicht überraschend. Bereits im Vorfeld dieses Berichts, im Oktober 1980, hatte Deng eine Richtung vorgegeben: „Wir können Verwirrung vermeiden, indem wir zwischen den Gedanken Mao Zedongs und seinen Ideen in den letzten Lebensjahren unterscheiden.“

Die Verteufelung der „Viererbande“

Während das Urteil über die „Fehler“ Maos sehr zurückhaltend ausfiel, wurde die Gruppe um Jiang Qing zu Sündenböcken aufgebaut. Es gab kaum eine Schandtat, die man Jiang Qing nicht zugetraut oder auch in die Schuhe geschoben hätte, aber mit keinem Wort durfte erwähnt werden, dass die Kulturrevolutionäre eigentlich nur Werkzeuge Maos gewesen waren. Im November 1980 begann der Schauprozess gegen die „Viererbande“ sowie sechs Militärs. Er endete am 25. Januar 1981 mit der Todesstrafe für Jiang Qing sowie Zhang Chunqiao, dem früheren Shanghaier Pateichef, allerdings mit Vollzugsaufschub, sowie langjährigen Haftstrafen für die anderen Angeklagten. Andere bereits verstorbene führende Kulturrevolutionäre wurden noch nachträglich aus der Partei ausgeschlossen und ihre sterblichen Überreste aus dem Ehrenfriedhof der chinesischen Führungselite entfernt.

Die „Große Rehabilitierung“

Neben der Verteufelung der Kulturrevolutionäre wurde ab 1979 ein Programm zu einer breit angelegten Rehabilitierung aufgelegt. Rehabilitiert wurden zunächst die prominenten Opfer der Kulturrevolution, z.B. Peng Dehuai und Liu Shaoqi, für die offizielle Trauerfeiern stattfanden. Rehabilitiert wurden aber vor allem zahllose kleine Opfer vergangener Kampagnen. Dies waren Mitglieder der "nationalen Bourggoisie", Grundbesitzer, Reiche Bauern, "Konterrevolutionäre", "schlechte Elemente" sowie die "Rechtsabweichler", deren Gruppe seit 1957 inzwischen auf zwei Millionen Personen angewachsen war. Insgesamt wurden zwischen 1979 und 1987 2,4 Millionen Urteile aus der Zeit von 1949 bis 1976 aufgehoben. Die Partei hatte zugegeben, dass sie über Jahrzehnte hinaus Millionen Menschen durch Fehlurteile geschadet hat.

Literatur

  • Oskar Weggel: Geschichte Chinas im 20.Jahrhundert. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1989, ISBN 3-520-41401-5
  • Jürgen Domes, Marie-Luise Näth: Geschichte der Volksrepublik China. B.I. Taschenbuchverlag, Mannheim 1992, ISBN 3-411-10191-1

Einzelnachweise


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