- Geschichte der Volksrepublik China von 1949 bis 1957
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Die Geschichte der Volksrepublik China von 1949 bis 1957 beschreibt die Geschichte Chinas nach den Irrungen und Wirren der Zeit davor.
Die Zeit 1949-1952
Als die Volksrepublik China gegründet wurde, war China, durch ein Jahrhundert mit fremder Invasion und Bürgerkrieg verwüstet, eines der ärmsten Länder der Welt, mit Hungersnöten und einer Lebenserwartung von 35 Jahren[1]. Seit dem Sturz des Kaisers im Jahr 1911 gab es keine Zentralgewalt mehr und in den Provinzen herrschten Kriegsherren, Großgrundbesitzer oder auch Banditen, die sich ihre eigene "Armee" aus hungernden Arbeitslosen rekrutiert hatten. Die Hauptproblematik zeigte der amerikanische Außenminister Dean Achinson auf, der in seinem berühmt gewordenen Brief vom 30.Juli 1949 an Präsident Truman schrieb: "Im achzehnten und im neunzehnten Jahrhundert hat sich die chinesische Bevölkerung verdoppelt, was einen unerträglichen Druck auf das Land ausübt. Die wichtigste Aufgabe jeder chinesischen Regierung besteht darin, diese Bevölkerung zu ernähren. Bislang ist noch jede erfolglos geblieben." [2]
Nach der Gründung des neuen Staates wurde eine neue politische und wirtschaftliche Ordnung aufgebaut und China erlebte eine Stabilität, wie sie seit den Opiumkriegen nicht mehr existierte. Die Furcht vor einem erneuten Auseinanderbrechen Chinas und ein daraus abgeleiteter oft übertriebener Kampf gegen vermeintliche Abweichler und Konterrevolutionäre blieb aber eine Konstante in der chinesischen Politik.
Die Landreform war ein entscheidendes Thema der Politik, da 85% der Bevölkerung Bauern waren. Die Bauern wurden von der Regierung aufgerufen, das Land der Großgrundbesitzer unter sich aufzuteilen. Die Klasse der Großgrundbesitzer wurde ausgeschaltet, viele von ihnen getötet. Die Einkommensunterschiede der Bauern wurden eingeebnet. Auf dem Land wurde eine quasi klassenlose Gesellschaft geschaffen.
Zunächst war die Partei auf die Mithilfe des Bürgertums angewiesen. Mao proklamierte deshalb im Frühjahr 1949 die langfristige Zusammenarbeit mit den bürgerlichen Parteien und bezeichnete diese Zusammenarbeit als „demokratische Diktatur“. Neben der Kommunistischen Partei wurden 8 weitere Parteien zugelassen, die mithelfen sollten, die verschiedenen Bevölkerungsgruppen in den neuen Staat zu integrieren und es wurde eine „Allianz der Proletarier, Mittelbauern, Kleinbürger und der nationalen Bourgeoisie“ in der Volksrepublik China ausgerufen. Mittelbauern waren Bauern mit 15 bis 25 Ar Grundbesitz, zur nationalen Bourgeoisie gehörten die kleineren Unternehmer. Politische Macht hatte jedoch nur die Kommunistische Partei, die sich selbst die Vertretung der Arbeiter und Bauern vorbehielt.
Nach der Konsolidierung des Staates machten sich die chinesischen Kommunisten daran, die Menschen umzuerziehen. In Anbetracht der wirtschaftlichen Rückständigkeit des Landes wollten sie ein noch nicht vorhandenes „proletarisches Bewusstsein“ in der Bevölkerung durch entsprechende Ausbildung schaffen.
China brauchte seine gebildeten Eliten, seine Experten, um den Aufbau des Landes voranzutreiben, besonders weil es nur so wenige waren. Die breite Masse der Bevölkerung waren Analphabeten. Doch ideologisch waren die Intellektuellen und Fachleute den Bauern und einfachen Arbeitern untergeordnet und seitens der kommunistischen Regierung klar benachteiligt. Mao waren die Intellektuellen suspekt und er sagte über sie: „Mögen die Hände der Bauern schwarz und ihre Füße mit Kuhmist beschmutzt sein, sie sind dennoch sauberer als die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Intellektuellen.“
Konsolidierung und erste Weichenstellungen
Bei der Gründung der Volksrepublik stand die Kommunistische Partei China vor einem Berg von Problemen. Die Landwirtschaft war angeschlagen, das Bewässerungssystem durch Sprengung der Flussdeiche beschädigt, Transportwesen und Industrie nur noch bedingt funktionstüchtig. In manchen Städten war die Lebensmittelversorgung wegen Spekulation und Korruption zusammengebrochen, die Menschen verhungerten auf der Straße. In dieser Phase brauchte es eine Organisation, welche mit festem Zupacken und Disziplin die dringendsten Probleme anging. Die KPCh und die Volksbefreiungsarmee brachten zu diesem Zeitpunkt dafür die besten Voraussetzungen mit. Die Kommunisten, die seit 20 Jahren nur noch wenig Berührung mit Chinas Städten hatten, gingen in einer Weise an die Arbeit, die den Städtern Respekt und teilweise auch Bewunderung abnötigte. Noch wurden die Trümmer beseitigt, die Umkrempelung der Gesellschaft sollte später kommen.
Der neue Stil zeigte sich schon dadurch, dass die Truppen bei der Bevölkerung keinen Wohnraum beanspruchten. Die Soldaten kampierten, wie im Krieg, im Freien, sorgten dafür, dass wieder Ordnung in den Städten einkehrte und halfen bei der Reparatur der Kriegsschäden. Für die Unterbringung der Bettler wurde gesorgt und die Lebensmittelverteilung organisiert. Dabei kam den neuen Herren das Glück zu Hilfe, dass die KMD (Kuomintang) große Lager von Lebensmitteln zurückgelassen hatte. Zusätzlich wurden 1 Mio. Tonnen Getreide von der Mandschurei nach Ostchina transportiert. All dies, während der Bürgerkrieg noch weiterging. Bei der Gründung der Volksrepublik standen noch 2 Mio. Soldaten der KMD auf dem Boden von Festlandchina.
Die Verstaatlichung von größeren Betrieben wurde sofort nach der Gründung des Staates in die Wege geleitet. Übernahmekomitees besetzten die Betriebe und Betriebsverwaltungskomitees wurden gegründet. Sie bestanden aus einem Direktor, einem Stellvertreter und Aufpassern der Kommunistischen Partei. Die Kleinbetriebe waren von den Verstaatlichungen ausgenommen. Mao verkündete die Nationale Allianz der Proletarier, Mittelbauern, Kleinbürger und nationalen Bourgeoisie.
Mitte des Jahres 1950 waren die dringendsten Probleme im Griff. Die Kommunistische Staatsführung konnte damit beginnen, die Gesellschaft in ihrem Sinne umzugestalten. Überschattet waren die ersten Jahre der Volksrepublik durch den Koreakrieg. Er dauerte von Juni 1950 bis Juli 1953, kostete eine Million chinesischer Soldaten das Leben und verschärfte das innenpolitische Klima. Die Kommunisten betrachteten das Vorrücken der amerikanischen Armee bis an die chinesische Grenze als eine existenzielle Bedrohung für die eben erst gegründete Volksrepublik.
Zerschlagung der bisherigen Gesellschaftsordnung
Kampagnen als Element des Veränderungsprozesses
Mit dem Ziel der Zerschlagung der alten feudalistischen Ordnung und der Schaffung einer neuen Gesellschaft mit veränderten Menschen, wurden ab Mitte 1950 exakt organisierte Massenkampagnen durchgeführt. Die Massenkampagnen sollten das Bewusstsein der Volksmassen verändern. Jede Kampagne stand unter sorgfältiger Lenkung der Kommunistischen Partei, die die Durchführung der vier Elemente einer Kampagne (Vorbereitung, Mobilisierung des Umfelds, Durchführung und Ergebniszusammenfassung) einschließlich der Zeitdauer genau festlegte.
Richtete sich eine Kampagne gegen eine bestimmte Schicht in der Bevölkerung, wie gegen die ehemaligen Grundbesitzer oder Vertreter des alten Staats, so wurden die Anzahl der zu ermittelnden Opfer und ihre Behandlung schon im Voraus festgelegt. Die Opfer einer Kampagne hatten ihre Rolle zu spielen, auf individuelle Schuld kam es nicht so sehr an. Ein Opfer hatte sich nicht zu verteidigen, sondern zerknirscht und schuldbewusst zu sein, andernfalls bekam es sofort „die Wut der Volkesmassen“ zu spüren. Auch durfte kein Familienmitglied oder Freund die tiefe „Schuld“ des Opfers anzweifeln oder vielleicht Mitgefühl oder Verständnis zeigen, und damit den Ablauf der Kampagne stören. Die Verurteilung des Opfers sollte durch Anfrage an die anwesenden Volksmassen erfolgen und war in aller Regel ein Todesurteil. Von 1949 bis 1952 wurden sechs große Kampagnen durchgeführt.
Die Kampagnen
Bodenreform
Die mit Abstand einschneidendste Massenkampagne war die Bodenreform. Im dicht besiedelten China hatte sich die Ackerfläche pro Kopf der Bevölkerung durch die Zunahme der Bevölkerung bis auf ein Minimum verringert und das Land war ungleichmäßig verteilt. Es gab Grundbesitzer, die von der Verpachtung ihres Bodens lebten, es gab reiche Bauern die ihren Boden selber bearbeiteten, es gab aber auch arme Bauern und völlig Landlose. Die armen Bauern und die Landlosen waren völlig abhängig von den Grundbesitzern. Ohne Pacht von deren Land gab es kein Überleben. Chinaweite Statistiken über die Landverteilung weichen stark voneinander ab. Ein Beispiel für Landverteilung in den chinesischen Dörfern wurde 1948 von C.K.Yang anhand des Dorfes Nanjing in Guangdong vorgestellt.
Das Dorf Nanjing bestand aus 230 Familien und teilte sich folgendermaßen auf: 5 Grundbesitzer mit im Durchschnitt jeweils 2 Ha Land, 25 reiche Bauern mit jeweils 30 - 70 Ar, 70 Mittelbauern mit 20 – 30 Ar, 100 Arme Bauern mit 5 – 15 Ar, 20 Familien hatten gar keinen Grundbesitz. 70% des Ackerlands des Dorfes wurde von den Grundbesitzern verpachtet, 30% wurde von den Eigentümern selbst bearbeitet.
Das Ergebnis dieser Aufstellung ist: Der Ertrag der Mittleren Bauern lage in normalen Jahren noch knapp über dem Ernährungsminimum, der Ertrag der armen Bauern nicht, sie waren darauf angewiesen, von den Grundbesitzern Boden pachten zu können. Die Pachtgebühr für ein Reisfeld mittlerer Qualität war jedoch 40%. Dazu kamen noch 7% Steuer und 7% für Saatgut und Düngemittel. Es war ein Schlüssel für den Sieg der Kommunisten, dass die Bauern daran glaubten, dass nach einem Sieg der Kommunisten das Land neu verteilt würde.
Am 30. Juni 1950 wurde ein Bodenreformgesetz verabschiedet. Die Grundbesitzer, d.h. Personen die ihr Land verpachteten, seien zu enteignen und das Land sei einheitlich und gleich an die bisher landlosen und armen Bauern zu verteilen. Die reichen Bauern und die Mittelbauern durften ihr Land noch behalten. Insgesamt wurden 300 Mio. ehemals Landlosen oder armen Bauern 700 Mio. Mu (1 Mu = 6,6 Ar) Land zugeteilt.
Die nach dem Bodenreformgesetz definierten Grundbesitzer waren bald der tödlichen Gefahr von Schauprozessen ausgesetzt. Arbeitsgruppen aus den Kreisparteikomitees kamen auf das Land um die Bauern aufzustacheln und mit ihnen Schauprozesse gegen die Grundbesitzer vorzubereiten. Der alte Landadel, die früheren Großgrundbesitzer, wurden bei diesen Schauprozessen nicht mehr erreicht. Sie hatten sich schon lange vorher in Sicherheit gebracht. Auf dem Land übrig blieben nur die kleinen Fische, die sich nicht aus dem Staub machen konnten.
Die für den Angeklagten stets tödlichen Schauprozesse dienten nicht nur zur Auslöschung der Klasse der Grundbesitzer, die Bauern sollten sich am Prozess gegen den Grundbesitzer beteiligen und dadurch eigenes Selbstvertrauen und eigenes Klassenbewusstsein entwickeln. Sie sollten miterleben, wie sich die Machtverhältnisse umgedreht hatten.
Der Prozess begann meist mit einer Anklage, bei der der „Ortskaiser“ vor versammelter Bauernschaft vorgeführt und schlimmster Verbrechen angeklagt wurde. Anschließend erging an die Dorfbewohner die Aufforderung, einzeln vorzutreten und dem Angeklagten seine Verbrechen ins Gesicht zu schreien. Bisher hatte kein Bauer gewagt, dem Grundbesitzer offen entgegenzutreten, doch das gut einstudierte Schauspiel nahm seinen Lauf. Langsam kochte die Wut bei den Bauern hoch, und das „ins Gesicht schreien“ steigerte sich zum „ins Gesicht schlagen“. Als die Wut der bisherigen Habenichtse richtig hochkochte, kam der Augenblick, an dem der Tribunalrichter die Menge um einen „gerechten Urteilsspruch“ bat. Es konnte eigentlich nur das Todesurteil sein.
Während der Bodenreformkampagne von Juni 1950 bis Ende 1952 wurden mehrere Millionen Menschen hingerichtet. Aber auch die Überlebenden wurden den Makel ihrer Herkunft nicht los. Als „Schwarze“ waren und blieben sie Parias der Gesellschaft. Erst 1978 wurde die Registrierung der Grundbesitzer bei den Sicherheitsbehörden aufgehoben.
Kampagne gegen die „Konterrevolutionäre“
Was die Kampagne gegen die Grundbesitzer auf dem Land war, das war die Kampagne gegen die „Konterrevolutionäre“ in den Städten. Die Kampagne wurde im Herbst 1950 gestartet. Der Begriff „Konterrevolutionär“ blieb sehr verschwommen, er bedeutete Unterminierung des Staates, und konnte gegen jeden Missliebigen angewandt werden.. Die Hauptzielgruppe war politische wie administrative Schicht im früheren Kuomintangstaat, aber auch jeder der zu Personen dieser Schicht irgendwelche Beziehungen gehabt hatte, war gefährdet. Es gab, wie meist bei den Kampagnen, keine Prozessvorschriften und so konnte jeder Verdächtige zu „Kampfversammlungen“ geführt werden, die vor einer großen Menschenmenge, manchmal in Sportstadien, abgehalten wurden. Die Angeklagten wurden gefesselt ins Stadion gebracht, von einem Ankläger beschimpft und der grauenhaftesten Verbrechen beschuldigt und anschließend durch das „Votum der Massen“ zum Tode verurteilt. Es gibt keine offiziellen Angaben über die Getöteten, es werden aber mehr als eine Million geschätzt.[3]
Ehereform
Das bisherige Eherecht war bestimmt gewesen von der Herrschaft des Mannes über die Frau und der des Alters über die Jugend. Die Ehe wurde als Kaufvertrag betrachtet. Die Frau ging bei der Eheschließung, gegen Leistung eines ansehnlichen Geschenks an den Ehemann, an die Familie des Bräutigams über. Konkubinat des Mannes war erlaubt, Wiederverheiratung einer Witwe nicht. Die Ehereform förderte die Gleichstellung von Mann und Frau und die Frauenemanzipation.
Antiamerikanismus
Diese Kampagne startete während des Koreakrieg es und hieß offiziell „Kampagne zum Widerstand gegen Amerika und zur Hilfe für Korea“. In dieser Kampagne ging es gegen westliche Einflüsse. Zielscheiben waren besonders Kirchen und Religionsgemeinschaften. Evangelische wie katholische Kirchenvertreter wurden verfolgt, in Umerziehungslager geschickt, etliche getötet. Ausländisches Personal wurde des Landes verwiesen. Von den Katholiken wurde gefordert, dass sie sich öffentlich vom Papst lossagen. Die Kirchen wurden der „Patriotischen Drei-Selbst-Bewegung“ unterstellt. Sie hatten von nun an in dreifacher Hinsicht vom Ausland unabhängig zu sein, nämlich organisatorisch, finanziell und in der Lehre.
Drei- und Fünf-Anti-Kampagne
Die Bewegung gegen die drei Übel Korruption, Verschwendung und Bürokratismus richtete sich gegen Funktionäre in den eigenen Reihen. Es zeigte sich nämlich, dass die kommunistischen Funktionäre, die nach der Machtübernahme ein Vorbild in Disziplin und selbstlosem Einsatz darstellten, schnell sich der früheren Verwaltung anglichen. Sie sonnten sich in ihrer Macht, wurden arrogant gegenüber der Bevölkerung und viele waren tief in Korruption und Vetternwirtschaft eingetaucht. Die ursprünglich recht rigorosen Ziele der Kampagne wurden schnell abgeschwächt und es wurden 5% der Kader aus der Verwaltung entfernt. Trotz dieser Kampagne entwickelte sich durch die Funktionäre eine neue, von der übrigen Bevölkerung abgesetzte, neue Klasse.
Die Fünf-Anti-Bewegung der Übel Bestechung, Steuerhinterziehung, Veruntreuung von Staatseigentum, Betrug und Verrat von Staatsgeheimnissen begann im März 1952. Zielgruppe dieser Bewegung waren die verbliebenen kleinen Unternehmer, Handwerker und Kaufleute. Die Kampagne war Teil der Politik der Sozialisierung der gesamten Wirtschaft. Die Geschäftleute sollten bereit gemacht werden, ihre Unternehmen an den Staat zu verkaufen. Von den 160000 Kaufleuten in Shanghai wurden 500 zum Tode und 30000 zu Gefängnisstrafen verurteilt.
Gedankenreform
Am 17. November 1951 erging der Beschluss zur „Reform des Denkens“, der die Intellektuellen zur Zielgruppe hatte. Unter Intellektuellem wurde jeder „Kopfarbeiter“ mit entsprechender Ausbildung verstanden. Die Intellektuellen standen im Verdacht, dem neuen Staat skeptisch gegenüber zu stehen, und diese Distanz sollte umerzogen werden. Die Umerziehung verlief in Standardlehrgängen, denen sechs bis zehn Personen angehörten und die in drei Phasen abliefen. Erst ein Zusammenfinden der Gemeinschaft unter der Leitung eines erfahrenen Kommunisten und Studium des Kommunismus, dann ein Umschwung vom Ideologischen zum Persönlichen, der Einzelne sollte bekennen, was er bisher falsch gemacht und falsch gedacht habe. In der dritten Phase sollte das Erlernte noch einmal zusammengefasst werden und ein Bekenntnis zur neuen gemeinsamen Sache formuliert werden.
Der Koreakrieg
siehe auch Koreakrieg
Der Koreakrieg verschärfte die politische Lage nachhaltig. Nach anfänglichen Erfolgen der Nordkoreaner starteten die Amerikaner die Gegenoffensive. Am 1. Oktober 1950 überschritten die Südkoreaner den 38. Breitengrad, acht Tage später folgten, mit großer militärischer Überlegenheit, die Amerikaner. Am 28. Oktober befahl MacArthur den Vormarsch bis zum Yalu, dem Grenzfluss zu China. Ministerpräsident Zhou Enlai hatte die Amerikaner am 2. Oktober über den indischen Botschafter Panikkar wissen lassen, dass China nicht mit verschränkten Armen zusehen werde, wenn die Amerikaner den 38. Breitengrad überschritten, schon gar nicht, wenn sie sich dem Grenzfluss Yalu nähern würden, in diesem Falle würden sie in Korea eingreifen. Die CIA hielt dies für Bluff, der kommandierende General MacArthur desgleichen. Sollten die Chinesen einen Vorstoß auf Pjöngjang unternehmen, erklärte er Truman, würde es eine große Schlächterei an den Chinesen geben. General MacArthur wollte, anders als Präsident Truman, den Krieg nach China hineintragen, er wollte die kommunistische Volksrepublik „niederbomben“, notfalls mit Atomwaffen. Im Oktober 1950 griff China in den Krieg ein. Im Krieg starben eine Million chinesische und 30000 amerikanische Soldaten. General MacArthur wurde wegen seiner Differenzen mit Präsident Truman am 10. April 1951 entlassen, aber das Gefühl der Bedrohung durch die militärisch weit überlegenen und mit Atomwaffen drohenden Vereinigten Staaten blieb ein wesentliches Element der chinesischen Politik, im Innern wie nach Außen. Erst im Juli 1953 wurde der Krieg durch einen Waffenstillstand beendet.[4][5]
Wirtschaftliche Bilanz
Die wirtschaftliche Bilanz der Jahre 1949 bis 1952 war gut. Der Produktionswert von Industrie und Landwirtschaft war zusammengenommen bei Preisen von 1952 von 46,6 Mrd. Yuan auf 82,7 Mrd.[6] Yuan gestiegen. Die Konsolidierung der Wirtschaft nach dem Krieg war geglückt und es wurde ein Sozialsystem aufgebaut. Besonders die vor der Gründung der Volksrepublik meist bitter armen und wenig geachteten Bauern und Arbeiter profitierten von der Entwicklung. Das Einkommen, das waren im Wesentlichen die Lebensmittelzuteilungen, der Arbeiter überstieg häufig das der Intellektuellen. Größere öffentliche Gesundheitsorganisationen wurden sowohl in der Stadt wie auf dem Land aufgebaut. Im Jahr 1951 wurden für die Arbeiter und Angestellten in den staatlichen Betrieben und für die Staatsbediensteten die Arbeitslosen-, Renten-, Kranken-, Erwerbsunfähigkeits- und Berufsunfallversicherung sowie der Mutterschutz eingeführt. Die ländlichen Gebiete waren davon jedoch ausgenommen. Dort wurde die soziale Absicherung in eigenen genossenschaftlichen Strukturen organisiert.
Die Zeit 1953-1957
Der erste Fünfjahresplan
Für die Zeit von 1953 bis 1957 wurde der erste Fünfjahresplan aufgesetzt und erfolgreich umgesetzt. Es wurde ein jährliches Wachstum des Nationalprodukts von 8 bis 9%.
Dem ersten Fünfjahresplan ging ab 1951 eine Diskussion über die Generallinie für die Übergangsperiode voraus. Es ging darum, das bisherige Prinzip der Maoisten der „stürmischen Massenbewegungen“ an die inzwischen konsolidierte Situation anzupassen. Für den neuen Fünfjahresplan wurde eine Schritt-für-Schritt-Strategie der Umgestaltung von Landwirtschaft, Industrie, Handel und Handwerk unter strenger Parteikontrolle und innerhalb einer 15 jährigen Übergangszeit bis 1967 festgelegt. Es war eine klare Abkehr von Maos Strategie des Aufrufens der Volksmassen zu Massenkampagnen. Mao kritisierte zunehmend das Anwachsen der Bürokratie und den Aufbau eines umfangreichen Funktionärs- und Spezialistenapparats, der sich teilweise wie eine neue abgeschottete herrschende Klasse darstellte.
Im ersten Fünf-Jahres-Plan lag, nach sowjetischem Muster, der Schwerpunkt auf der Schwerindustrie, während die Landwirtschaft den Aufbau der Industrie zu bezahlen hatte. Der Fünf-Jahres-Plan war, auch Dank sowjetischer Hilfe, erfolgreich. Die sowjetische Hilfe musste allerdings mit Agrarausfuhren bezahlt werden, was zu Versorgungsengpässen im eigenen Land führte.
Das „Auskaufen“ der Nationalen Bourgeoisie
Bei der Gründung der Volksrepublik wurde den Kleinunternehmern der Schutz ihres Eigentums zugesichert, aber ab Beginn der 50er Jahre begannen Schikanen. Die Schikanen konnten wirtschaftlicher Art sein, wie Benachteiligung bei der Zuteilung von Rohstoffen oder die Festsetzung von hohen Steuern, es waren aber auch psychologische Repressalien. In den Jahren 1951 und 1952 wurden dann die beiden Kampagnen „Bewegung der drei Anti“ und die „Bewegung der fünf Anti“ durchgeführt. Offiziell waren es Kampagnen gegen die aufkommende Korruption, darüber hinaus waren sie aber auch gegen die Unternehmer gerichtet. Die drei Vergehen denen jeder Unternehmer bei der „Bewegung der drei Anti“ verdächtigt wurde waren Korruption, Verschwendung und Bürokratismus. Die Vergehen der „Bewegung der fünf Anti“ waren Beamtenbestechung, Steuerhinterziehung, Diebstahl von Staatseigentum, Betrug bei Staatsverträgen, ungesetzliche Aneignung staatlicher Wirtschaftsinformationen zum Zweck der Spekulation. Seit Beginn der Volksrepublik waren so viele Gesetze und Bestimmungen gegen die Privatunternehmer erlassen worden, dass es nicht schwer war, bei jedem Einzelnen einen Regelverstoß zu finden. Ein Unternehmer der Pech hatte konnte leicht vor ein wüstes „Volksgericht“ mit sehr ungewissem Ausgang gezerrt werden.
Im Jahr 1954 war den Unternehmern klar, dass sie als Unternehmer in China keine Zukunft mehr hatten, und so gingen sie in der Regel auf das Angebot der Regierung ein, ihr Unternehmen an den Staat zu verkaufen und das Unternehmen als Geschäftsführer weiter zu leiten. Offiziell bekamen die Unternehmer zehn Jahre lang 10% des Wertes des Unternehmens bei der Übergabe ausbezahlt, in der Regel wurde das Unternehmen aber unter dem realen Wert eingeschätzt. Im Jahr 1955 wurde der Handel mit für die Bevölkerung lebenswichtigen Konsumgütern wie Getreide, Baumwolle, Speiseöl und Fleisch vom Staat monopolisiert.
Kollektivierung der Landwirtschaft
Durch Landreformen, bis hin zur vollständigen Kollektivierung in den späten 1950er Jahren, wollte die Regierung die Produktivität der Landwirtschaft verbessern. Ein Durchschnittsbauer mit 15 Ar Land konnte sich keine Maschine kaufen und sie wäre auch nie ausgelastet gewesen. Die erste Landreform begann im Jahr 1952. Sie ermutigte die Bauern, Gruppen von sechs bis neun Haushalten zu bilden. Die Gruppen legten ihre Geräte zusammen. Die zweite Phase begann 1954 und wurde später die „niedrige Kollektivierung“ genannt. Oft wurde gewünscht, dass sich alle Haushalte eines Dorfes zusammenschlossen. Offiziell war der Beitritt zu solch einem Kollektiv freiwillig und es war zumindest theoretisch auch möglich, wieder auszutreten. Das jeweilige Einkommen wurde nach eingebrachtem Land und Geräten sowie nach der Arbeitsleistung berechnet, ein weiterer Schritt zur Angleichung der Einkommen zwischen armen und reichen Bauern. In dieser Zeit stiegen die Ernteerträge, die Regierung betrachtete dies als einen Erfolg der Kollektivierung, die im Kollektiv möglichen Investitionen zahlten sich aus. Während der „niedrigen Kollektivierung“ mussten die Bauern eine bestimmte Menge Getreide an die Regierung verkaufen, der darüber hinaus erwirtschaftete Rest konnte auf dem freien Markt verkauft werden. Ungefähr 5% der landwirtschaftlichen Fläche stand den Bauern zur freien Verfügung. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der landwirtschaftlichen Produktion kam von diesen Flächen.
Alphabetisierung- und Schriftreformkampagne
Im Oktober 1955 wurde das Programm zur Schriftreform verabschiedet. Es wurden 2200 Schriftzeichen vereinfacht, eine nationale Einheitssprache auf Basis des Pekinger Dialekts und eine chinesische Lautumschrift auf der Basis der lateinischen Schriftzeichen (das Pinyin) eingeführt. Offiziell ist das Pinyin seit 1979 für alle chinesischen Publikationen verbindlich.
Verhältnis zu den Intellektuellen
Das Bildungsniveau war bei der Gründung der Volksrepublik sehr niedrig, nur eine kleine Minderheit konnte lesen und schreiben und jeder mit guter Schulbildung galt als „Intellektueller“. Dabei war die Eingrenzung stets sehr ungenau. Mao selbst sprach von 4 bis 5 Mio. Intellektuellen. Das Verhältnis zwischen Mao und den Intellektuellen war zwiespältig. Während Mao keinen Zweifel an der Loyalität der Bauern zu der kommunistischen Führung hatte, misstraute er den Intellektuellen. Einerseits wurde akzeptiert, dass die Intellektuellen, besonders die Fachleute, für die Entwicklung Chinas gebraucht wurden, andererseits misstraute man ihnen und betrachtete sie als mögliche Gefahr für die Einheit und Stabilität des neuen Staates. Nach Maos Überzeugung mussten im politischen Bereich alle dasselbe sagen, sonst drohte der Staat auseinander zu brechen und die Intellektuellen legten eine Unabhängigkeit des Denkens an den Tag, die Mao für gefährlich hielt. Dieses Misstrauen wurde verstärkt durch die Rolle der Intellektuellen bei den Unruhen in Ungarn im Jahr 1956. Darüber hinaus standen die Intellektuellen der Revolution, ganz anders als die Bauern, eher distanziert gegenüber. Mao betrachtete die Intellektuellen als Bestandteil der „nationalen Bourgeoisie“. Mao hatte Respekt vor „dem Geist“ und er glaubte an das Erlernen des Marxismus/Leninismus durch die Intellektuellen, was aber für die Intellektuellen die Verpflichtung zur Teilnahme an Umerziehungskursen bedeutete. In vielen Kursen sollte jeder Einzelne von seinen Lernerfolgen und von seinen bisherigen bürgerlichen Denkfehlern berichten, mit der Versicherung, weiter intensiv an sich selbst zu arbeiten, um ein neuer Mensch zu werden. Insgesamt wurden die Intellektuellen im Staat gegenüber den Arbeitern und Bauern als nachrangig betrachtet. So bekam zum Beispiel ein Chirurg weniger Lebensmittel zugeteilt als körperlich arbeitende Arbeiter. Ab 1952 ebbten die Kampagnen der Gedankenreform gegen die Intellektuellen ab, denn es zeigte sich, dass viele Fachleute nur noch sehr zurückhaltend ihrer Arbeit nachgingen. Ab Mitte der 50er Jahre setzte eine Bemühung um des Vertrauen und die staatstragende Mitarbeit der geistigen Schicht ein. Im Jahr 1956 entspannte sich das Verhältnis der Partei zu den Intellektuellen. Im Januar versprach Ministerpräsident Zhou Enlai den Intellektuellen bessere Lebensbedingungen und eine geringere Inanspruchnahme durch politische Schulungen. Zhou schob auch einen Teil der „gewissen Distanz“ zwischen den Intellektuellen und der Partei den Funktionären zu. Auch sollte sich die Partei für die Intellektuellen öffnen. Bisher waren für die Intellektuellen ja die nichtkommunistischen Parteien zuständig gewesen. Mit den Kampagnen der 100 Blumen und dem Kampf gegen die „Rechtsabweichler“ spannte sich das Verhältnis wieder an.
Die Funktionäre im neuen China
Im neuen China wurde von den Funktionären besonders hohe Einsatzbereitschaft erwartet und es zahlte sich noch die im Krieg gelernte Disziplin aus. Die meisten Funktionäre hatten zunächst kaum persönlichen Besitz, lebten an ihren Arbeitsplätzen und kamen nur an den Wochenenden nach hause.
Auf der anderen Seite gab es bei der Gründung der Volksrepublik auf der kommunistischen Seite viel zu wenig erfahrene Funktionäre und die meisten davon waren in nur ländlichen Fragen erfahren. Den Kommunisten, die die Städte vom Dorf aus erobert hatten, fehlten die Funktionäre für die städtische wie der industriellen Verwaltung weitgehend. In dieser Situation stellte die Partei alle ideologischen Vorbehalte zurück und behielt die große Masse der mittleren und unteren Angestellten in ihren Ämtern, wie auch die Masse der Unternehmer ihre Betriebe zunächst behielt.
Recht schnell hatte auch das neue China das Problem der aufkommenden Korruption und Vetternwirtschaft bei den Funktionären. Deshalb wurde im Jahr 1951 die „Drei-Anti-Kampagne“ durchgeführt aber das Problem blieb. Seilschaften entwickelten sich zu machtvollen „Parteimaschinen“, die Kampagnen gegen „bürokratische Deformationen“ und Korruption locker manipulierten und zum Kaltstellen missliebiger Kader und Kritiker missbrauchten.
Da die chinesische Wirtschaft sich mit ihrem ersten Fünfjahresplan an das sowjetische Modell des „demokratischen Zentralismus“ anlehnte, wuchs der Bedarf an Funktionären mit strenger fachlicher Schulung weiter stark an. Wichtig war die Leistung für die Produktion und den wirtschaftlichen Aufbau. Gebraucht wurde der Spezialist, der Techniker und der Manager, politische Ansichten wurden zweitrangig.
Verschärfend kam hinzu, dass sich, bedingt durch die zentralistisch geplante Wirtschaft, ein riesiger Partei- und Kaderapparat etablierte, der sich über alle Formen des wirtschaftlichen wie gesellschaftlichen Lebens legte. Zhou Enlai sprach 1956 auf dem 8.Parteitag von einem Apparat, der „Mammutformen“ angenommen hatte.
Im Jahr 1954 wurden 25 Eingruppierungsklassen für Staatsbedienstete eingeführt. Es war von Stufe zu Stufe jedoch nicht nur das Gehalt unterschiedlich, die verschiedenen Stufen berechtigten zu jeweils unterschiedlichen Privilegien. Wohnung, Reisemöglichkeiten, Zugang zu Information und Möglichkeiten der Unterhaltung waren an die jeweiligen Eingruppierungen gebunden. Für die führende Funktionärsschicht wurden eigene Wohnviertel angelegt und die Kinder wurden in eigenen Schulen unterrichtet. Der Luxus war im Vergleich zur Zeit vor der Gründung der Volksrepublik sehr beschränkt, aber die Abkapselung der Funktionäre samt ihrer Familien wurde zu einem Problem. Die Parteikader waren wirtschaftlich erfolgreich, aber sie entwickelten sich zu einer neuen, vom Volk abgehobenen, Herrschaftsschicht. Die Auseinandersetzung zwischen jenen, die diese Entwicklung als ein notwendiges Übel für eine rasche Entwicklung des Landes akzeptierten und den Maoisten, die darauf verwiesen, dass sich bisher alle chinesischen Bauernerhebungen an der langen bürokratischen Tradition des Landes gebrochen hatten, und dass die Volksrepublik Gefahr laufe, alle sozialistischen und demokratischen Errungenschaften wieder zu verlieren, war ein Dauerthema der chinesischen Politik ab der Stabilisierung der Staates Mitte der 50er Jahre.
Massenkampagnen zur Überwachung der Funktionäre
Zur Überwachung der Beamten und Angestellten des Staates wurden spezielle Massenkampagnen durchgeführt. Zu diesem Zweck wurden Arbeitsteams gebildet. Die Arbeitsteams wurden hierarchisch aufgebaut. Die obersten Arbeitsteams wurden von Beschäftigten von Regierungsstellen in Peking unter der Leitung eines höheren Parteifunktionärs gebildet. Diese Arbeitsteams wurden in die Provinzen geschickt um die dortigen führenden Beamten und Angestellten zu kontrollieren und zu überwachen. Die erfolgreich kontrollierten Beamten und Angestellten bildeten neue Teams, um die Beamten und Angestellten der nächsten Schicht zu kontrollieren. Auf diese Weise wurde jeder von der Kampagne Betroffene bis in die untersten Verwaltungsebenen hinunter überwacht. Einsprüche gegen die Urteile der Arbeitsteams waren nicht möglich. Die Überwachung durch die Arbeitsteams war eine höchst effiziente Methode um die Korruption und Vetternwirtschaft einzudämmen, wie auch die Einhaltung der aktuellen politischen Linie durchzusetzen. Da die Bevölkerung aufgerufen war, Anschuldigungen auch anonym vorzubringen, eigens dafür wurden Zettelkästen aufgestellt, war jedoch das Denunziantenunwesen weit verbreitet. Jeder der untersuchten Gruppe konnte das Opfer eines rein persönlichen Rachefeldzugs werden, niemand war mehr sicher. Große Kampagnen zur Aufspürung von politischen „Gegnern“ waren die Kampagne gegen „versteckte Konterrevolutionäre“ (1954) und die Rechtsabweichlerkampagne (1957). Für die große Mehrheit der Bevölkerung hatten die Kampagnen jedoch kaum Auswirkungen. Die Bauern und Arbeiter bekamen von diesen Kampagnen kaum etwas mit.
Die Hundert-Blumen-Kampagne
Für die Intellektuellen war die allgemeine Stimmung im Jahr 1956 entspannter denn je seit Gründung der Volksrepublik. China trat in eine neue Phase seiner Entwicklung ein, die so genannte „Nachaufbauphase“. Dazu brauchte es die aktive Unterstützung der gebildeten Kreise. Am 2.Mai 1956 zitierte der Propagandachef der Partei, Lu Tingyi, Mao folgendermaßen: „Den Künstlern und Schriftstellern sagen wir: Lasst hundert Blumen blühen. Den Wissenschaftlern sagen wir: Lasst hundert Schulen miteinander wetteifern“. Am 27.Februar 1957 hielt Mao eine Rede in der er selbst zu freimütiger Kritik an den Maßnahmen der Partei aufrief. Mao sagte: „Die Marxisten dürfen Kritik von keiner Seite fürchten. Im Gegensatz, im Kampf mit der Kritik… müssen sie sich stählen, verbessern und neue Positionen erobern.“ Trotz dieser Aufforderung traute sich kaum jemand zur Kritik. Am 1.Mai 1957 wurde dann die „Ausrichtungsbewegung“ formell angekündigt und nochmals zu mutiger Stellungnahme aufgefordert, dann allerdings schwoll die Kritik an Partei und Verwaltung an, eine Kritik, die teilweise das gesamte System der Alleinherrschaft der KPCh in Frage stellte. Das Ausmaß und die Heftigkeit der Kritik waren für alle, auch für die zum Regime kritisch eingestellten Chinesen, eine große Überraschung. Auch Mao scheint im Frühjahr geglaubt zu haben, dass die endlosen Schulungen der Gedankenreform erfolgreich gewesen seien und es nur noch beschränkt Kritik geben würde.
Die Rechtsabweichler-Kampagne
Am 8.Juni 1957 veröffentlichte die Parteizeitung Renmin Ribao eine Anweisung des Zentralkomitees zum Kampf gegen die Feinde des Staates, und ein Kesseltreiben gegen alle, die zuvor kritische Bemerkungen gemacht hatten, begann. Zehntausenden, die offen Kritik geübt hatten, wurde ihre Kritik vorgehalten. Studenten, die sich an der Kritik beteiligt hatten, wurden die Sommerferien gestrichen. Sie mussten täglich "Sozialismus" büffeln, mit Selbstkritik und Bezichtigung von Studienkameraden. 550 000 Personen wurden als Rechtsabweichler verurteilt, Das Verhältnis der Partei zu den Intellektuellen wurde frostig.
Wie bei früheren Kampagnen begannen wieder die „Kampfversammlungen“ bei denen die Opfer öffentlich vorgeführt wurden und sich beschimpfen lassen mussten. Es gab sechs abgestufte Strafen. Gefängnis, Entlassung, vorübergehende Entsendung zu Arbeit bei den Bauern, Gehaltskürzung, körperliche Arbeit in eigener Umgebung und offizielle Brandmarkung als „Rechtsabweichler“. Das Attribut „Rechtsabweichler“ wurde wie die Attribute „Grundbesitzer“, „Reicher Bauer“ oder „Schlechtes Element“ bei den Behörden offiziell registriert und erst 1978 wieder gelöscht. Es wurde erwartet, dass man mit Personen, denen solche Attribute angeheftet waren, keine Kontakte unterhielt. Das Vorgehen gegen jene, die der Aufforderung zur Kritik gefolgt waren, wurde von Mao dadurch erklärt, dass die Aufforderung zur Kritik nur dazu gedient habe, die Gegner des Sozialismus aus ihren Verstecken zu locken. Der Hauptgrund war ein anderer. Die Hundert Blumen Bewegung stand im Zeichen eines hinter den Kulissen ausgefochtenen Richtungsstreits. Mao wollte Fehlentwicklungen in Partei und Verwaltung durch „das Volk“ aufklären lassen, daher die Aufforderung zu öffentlicher Kritik, während Politiker wie Liu Shaoqi Kritik und Korrektur von Missständen nur innerhalb und durch die Partei wollten. Durch die ausufernde Kritik kam Mao mit seinen Vorstellungen in die Defensive und seine Widersacher stellten die „Autorität“ der Partei durch hartes Durchgreifen gegen die Kritiker an der Partei wieder her. Eine ähnliche Auseinandersetzung über die Korrektur von Missständen gab es zehn Jahre später – die Kulturrevolution wurde ausgerufen.
Das Sowjetmodell stößt an seine Grenzen
Die Wirtschaftsentwicklung während des ersten Fünfjahrsplans war mit einem jährlichen Wirtschaftswachstum von 15% sehr ansprechend, dennoch ergaben sich Probleme. Um die Wirtschaft zu entwickeln wurde zunächst auf das sowjetische Modell der Wirtschaftsentwicklung gesetzt, dies bedeutete eine Planwirtschaft mit strikter Zentralisierung und einer Orientierung auf technisierte Großbetriebe in den Städten. Der Schwerpunkt der Investitionen lag auf der Produktion von Investitionsgütern. Das Verhältnis der Investitionen in Investitionsgüter zu denen für Konsumgütern lag ungefähr bei 8 zu 1. Zu den Schattenseiten gehörte ein Ausufern der Bürokratie und ein Verhindern von Flexibilität an der Basis und im Mittelbau. Darüber hinaus war der Wirtschaftsaufbau teuer. Finanziert wurde er zum Teil über Kredite aus der Sowjetunion, zum größten Teil aber durch Abgaben die den Bauern auferlegt waren. Die Bauern mussten den Wirtschaftsaufbau finanzieren. Das chinesische Modell einer raschen Modernisierung und Industrialisierung war dadurch abhängig von der Schaffung einer leistungsfähigen Landwirtschaft. Aber gerade dies war eine Schwachstelle und seit der Enteignung der Grundbesitzer und dem Verteilen des Landes an die Bauern hatte sich auf dem Land nur noch wenig verändert. Das Land war extrem parzelliert, eine Bauernfamilie besaß im Durchschnitt etwa ein drittel Hektar Land, und wurde mit reiner Handarbeit bearbeitet. Für Maschinen fehlte das Geld und sie hätten sich auch nicht rentiert. Um die Produktion zu steigern wurde ab 1953 versucht, Bauern zu überzeugen, sich in landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG) zusammenzuschließen. Die Regierung wertete diese LPGs mit einer Ertragssteigerung von 10 bis 20% als einen Erfolg. Dennoch blieb die vom Staat abschöpfbare Masse klein und die Bauern blieben arm.
Die Ernte des Jahres 1954 war schlecht und im Frühjahr 1955 es in einigen Landesteilen Bauernunruhen. Die Frage, wie die Wirtschaftsentwicklung weitergetrieben werden sollte, wurde dringend. Sollte die schwerindustrielle Entwicklung weiter nach Sowjetmuster betrieben werden, so hätte versucht werden müssen, die Produktivität auf dem Land durch liberale Märkte, materielle Anreize und eine „Reiche-Bauern-Politik“ zu steigern. Wesentliche Teile der Partei standen hinter diesen Vorschlägen.
Die Politiker um Mao, Liu, Deng und Zhou favorisierten einen anderen Weg. Der Aufbau des Landes sollte nicht weiter durch kapitalintensive, hochtechnisierte Großprojekte in den Städten, sondern über Basisinitiativen in den Dörfern weitergeführt werden. Statt alles in Großbetrieben zu produzieren, sollte Vieles auch in kleinen Betrieben in den Dörfern und kleinen Städten, mit viel Handarbeit und wenig Kapital und möglichst unabhängig von den höheren Ebenen hergestellt werden. Um diese beiden Alternativen ging die Diskussion, die ab Winter 1954/55 viele entscheidende Sitzungen beherrschte.
Mitte 1955 hatte Mao mit seiner Forderung der Neuausrichtung auf Basisinitiativen auf dem Land die Mehrheit in der Partei. Entscheidend war die Unterstützung der lokalen Parteikader, die die ländliche Misere miterlebten und die Neuausrichtung auf das Land unterstützten. Die Anzahl der Bauern in LPGs stieg von 17 Mio. im Juli 1955 auf 70 Mio. Ende 1955. Bis Oktober 1956 sollten alle Bauern in LPGs organisiert sein.
Ab März 1956 häuften sich die Meldungen, dass es zu lokalen Fehlentwicklungen gekommen war. Lokale Parteifunktionäre hatten sich zu wenig abgesprochen, so kam es zu oft zu Fehlplanungen und Verschwendung. Die Planer der Pekinger Großbürokratie bekamen wieder Oberwasser, die Neuausrichtung der Wirtschaft wurde gestoppt und auf der Sitzung des Zentralkomitees im September 1956 wurde die Stellung Maos stark abgewertet. Liu und Deng stellten sich jedoch entschieden auf die Seite Maos.
Der Sieg der Zentralisten und die Abkehr von den LPGs änderte jedoch nichts an der schlechten Versorgungslage. Im Jahr 1956 wurden die Lebensmittel knapp und die Rationen mussten gekürzt werden und auch die Ernte im Jahr 1957 war nicht besser. Das Problem, die Lebensbedingungen der Bauern, die sich zu Recht gegenüber den städtischen Arbeitern benachteiligt fühlten, zu verbessern und die Getreideproduktion zu steigern, wurde immer drängender. Gleichzeitig hatte der Kritiksturm im Rahmen der Hundert-Blumen-Bewegung eine unerwartet starke bürgerliche Ablehnung gegen die Partei gezeigt. Sich auf liberale Märkte und reiche Bauern zu stützen, erschien nicht mehr als eine reale Option. Maos Programm, über eine rasche Kollektivierung eine Erhöhung der Produktion zu erreichen, erschien nun als der einzig gangbare Weg. Am Vorabend des Großen Sprungs war den meisten führenden Politikern klar, dass das Sowjetmodell zu den chinesischen Verhältnissen nicht passte. Die zu großen Investitionen in die Schwerindustrie hatten den grundlegenden landwirtschaftlichen Sektor geschwächt. Darüber hinaus gab es in Osteuropa Aufstände, die sowjetische Regierung musste die dortigen Regierungen unterstützen und fuhr die Unterstützung Chinas herunter. Mao schien eine Lösung für die drückenden Probleme Chinas zu haben, während den Vertretern des zentralisierten Sowjetmodells die Argumente wegbrachen. [7]
Zwischenbilanz
Nach hundert Jahren Zerfall, Krieg und Fremdbestimmung (gerechnet seit dem ersten Opiumkrieg) war China wieder geeint, stabil und die Chinesen waren wieder Herr im eigenen Land. Die schlimmsten Verlierer waren die ehemaligen Grundbesitzer auf dem Land, von denen über eine Million hingerichtet wurde und die übrigen blieben als „Schwarze“ Personen minderer Rechte. Der Führungsschicht des alten Staates in den Städten ging es nicht besser. Sie wurden massenweise in Schauprozessen verurteilt und getötet. Die Intellektuellen, also die Schicht der Gebildeten, waren den Arbeitern und Bauern nachgestellt und benachteiligt. Den ehemaligen Kleinunternehmern hatte man, oft recht unsanft, klargemacht, dass die Zeit des Privateigentums ablief und ihre Unternehmen aufgekauft. Immerhin bekamen sie noch Geld dafür und als Geschäftsführer ihres bisherigen Unternehmens lebte man auch nicht schlecht. Insgesamt war die Industrieproduktion deutlich gestiegen. Die Entwicklung für die Basisgüter Stahl, Strom und Zement zeigt die folgende Tabelle.
Produktion von Basisgütern der Wirtschaft[8] 1950 1952 1957 Stahl in Mio. t 0.8 1.4 5.4 Elektrizität in Mrd. Kwst 3.8 7.3 19.3 Zement in Mio. t 1.4 2.9 6.9 Profitiert vom neuen Staat hatten die Arbeiter und die Kleinbauern, und das waren über 90% der Bevölkerung. Sie waren die bevorzugte Schicht im neuen sozialistischen Staat, die anderen sollten sich an ihnen orientieren. Die Grundbesitzer waren enteignet, die Produktion war gestiegen, der Hunger zurückgedrängt, eine Sozialgesetzgebung realisiert und von den politischen Kampagnen, unter denen die Intellektuellen zu leiden hatten, bekamen die Bauern und Arbeiter allenfalls am Rande etwas mit. Trotzdem, die Bevölkerung lebte immer noch am Rand des Existenzminimums und die Frage der weiteren wirtschaftlichen Entwicklung war ungeklärt. Weiterhin waren die Frauen die Gewinner, für deren Gleichberechtigung, in China bisher undenkbar, sich der Staat einsetzte.
Der "Große Sprung" wird vorbereitet
Im Jahr 1957 setzte sich die Gruppe um Mao durch, im nächsten Fünfjahresplan wieder verstärkt auf Massenkampagnen zu setzen. Anstelle der vielen kleinen Schritte sollte China durch die „Kraft der Volksmassen“ zu einem Entwicklungssprung nach vorne ansetzen. Als wichtiger Schritt dazu sollte die Stahlproduktion von 5,35 Millionen Tonnen im Jahr 1957 auf dann 10,7 Millionen Tonnen im Jahr 1958 verdoppelt werden. Die Bauern sollten beim Ausbau der Stahlproduktion wie auch bei vielen Infrastrukturprojekten mithelfen. Die Tragödie des „großen Sprungs nach vorn“ begann.
Der Kampf der beiden Linien
Nach der Stabilisierung der Volksrepublik und dem Auskaufen der Unternehmer schälten sich zwei Sichtweisen für die weitere Entwicklung Chinas heraus.
Die einen, mit Liu Shaoqi als bekanntestem Vertreter, betrachteten den sozialistischen Umbau für im Wesentlichen abgeschlossen. Im Jahr 1956 waren über 95% der Bauern und über 90% der Handwerker in Genossenschaften integriert, die Industrie war fast vollständig und 85% des Handels war verstaatlicht. Die Bourgeoisie sei verschwunden und damit die Zeit des Klassenkampfes vorbei. Das Schwergewicht sollte sich in Zukunft auf die weitere wirtschaftliche Entwicklung des neuen Staates legen, um für die Bevölkerung Wohlstand und Sicherheit aufzubauen. Liu Shaoqi sagte zu diesem Thema Ende 1954: „Jetzt haben wir die verschiedenen gesellschaftlichen Reformprogramme im wesentlichen abgeschlossen. Wir treten nun in die Phase des geplanten wirtschaftlichen Aufbaus ein.“ Da der Primat in Zukunft also auf der Entwicklung der wirtschaftlichen Produktion liegen sollte, wird nicht der politisch korrekte Klassenkämpfer sondern der Fachmann, der Experte gebraucht, der technische Probleme löst, seine politische Meinung ist nicht wichtig. Das Bildungssystem muss sich an diese Erfordernisse anpassen. Was gebraucht wird, sind technische Fachschulen in denen, auch mittels harter Auslese, die Experten ausgebildet werden. Die Führung in diesem Entwicklungsprozess hat die Kommunistische Partei, die für Stabilität zu sorgen hat. Fehler innerhalb der Kommunistischen Partei, wie das Übel der Korruption, dürfen nur durch Gremien der Partei bekämpft werden.
Die Gruppe um Mao sah die Dinge deutlich anders. Nach dieser Sichtweise war zwar die frühere herrschende Klasse entmachtet, Mao sah aber, dass sich Funktionäre der Kommunistischen Partei zusehends als eine vom Volk abgehobene Herrenschicht, als neue herrschende Klasse, einrichteten. Für Mao nicht weiter überraschend, denn nach seiner Überzeugung verwandelt sich nach dem Sturz einer herrschenden Klasse eine Klassengesellschaft keineswegs in eine klassenlose Gesellschaft. Wenn nichts dagegen unternommen wird, dann entwickelt sich anstelle der alten eine neue herrschende Klasse. Daher seine Forderung, dass auch im neuen China mit dem Klassenkampf nicht nachgelassen werden dürfe. Die wirtschaftliche Entwicklung dürfe nicht auf Kosten des Kampfes gegen die sich neu entwickelnde, vom Volk abgehobene, herrschende Schicht geführt werden. Aus dem Jahr 1975 stammt sein Satz: „Und da wundert man sich, wo die Bourgeoisie sitzt. Sie sitzt mitten in der Kommunistischen Partei!“ Anders als die Gruppe um Liu glaubte Mao nicht daran, dass die Kommunistische Partei selbst diese Probleme abstellen könne. Nur wenn die Volksmassen die Funktionäre kontrollierten, wenn Basisdemokratie praktiziert würde, dann könne die Entwicklung einer neuen, vom Volk abgehobenen, neuen herrschenden Klasse verhindert werden und die Gesellschaft sich zu einer klassenlosen Gesellschaft entwickeln. Ein Fachmann mit politisch falscher Gesinnung ist, bei dieser Sichtweise, für die Gesellschaft ein Problem.
Diese Fragen über die Entwicklung der Wirtschaft und den Kampf gegen die Entwicklung einer neuen Klassengesellschaft war ein Dauerthema in China bis Mitte der siebziger Jahre. Zur Zeit des ersten Fünfjahresplans (1953-1957) war Mao mit seiner Forderung nach weiterem Klassenkampf in der Minderheit, zu Beginn des Großen Sprungs, der Zeit der Drei Roten Banner (1957-1958), konnte sich Mao durchsetzen.
Literatur
- Oskar Weggel: Geschichte Chinas im 20.Jahrhundert. Alfred Kröner Verlag, Stuttgart 1989, ISBN 3-520-41401-5
- Klaus Mehnert: Peking und Moskau. Deutsche Verlags-Anstalt, 1962
- Rainer Hoffmann: Kampf zweier Linien. Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 1978
Einzelnachweise
- ↑ Joseph Ball: Did Mao really kill millions in the Great Lead Forward? Monthly review, September 2006
- ↑ Rainer Hoffmann: Kampf zweier Linien, Seite 12, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 1978
- ↑ Oskar Weggel: Geschichte Chinas im 20.Jahrhundert, S.161 Alfred Kröner Verlag, 1989
- ↑ Theo Sommer: Überfall im Morgengrauen Die Zeit 26/2000
- ↑ Für bessere Zeiten Der Spiegel, 50/1950
- ↑ Khaled M. Kayali: Political integration of the chinese communist party elite 1952-1966 Dezember,1970
- ↑ Rainer Hoffmann: Kampf zweier Linien, Ernst Klett Verlag, Stuttgart, 1978
- ↑ Khaled M. Kayali: Political integration of the chinese communist party elite 1952-1966 Dezember,1970
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