Grad der Schädigungsfolgen

Grad der Schädigungsfolgen

Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist ein Rechtsbegriff aus dem sozialen Entschädigungsrecht, der den Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) in § 30 Abs. 1 BVG seit dem 21. Dezember 2007 abgelöst hat.[1]

Inhaltsverzeichnis

Motive des Gesetzgebers

Durch die Änderung des Begriffs soll deutlicher als zuvor zum Ausdruck gebracht werden, dass zwischen der auszugleichenden Schädigung und dem zu entschädigenden Gesundheitsschaden eine ursächliche (kausale) Beziehung bestehen muss.[2] Der bisherige Begriff der MdE habe auch den Anschein erweckt, dass sich die Bewertung der gesundheitlichen Schädigung allein oder überwiegend nach deren Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit oder die Erwerbsaussichten der Beschädigten richte.[3] Der Gesetzgeber hat betont, dass mit der Neufassung keine Schlechterstellung verbunden sein soll. Auch soll es aufgrund dessen nicht zu Neufeststellungsverfahren kommen.[4]

Die Änderung wurde zunächst nur im Bundesversorgungsgesetz vorgenommen; für den Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung, wo zur Bemessung der Kompensation nach Eintritt eines Versicherungsfalls ebenfalls auf die MdE abgestellt wird, sollte sie in einem späteren Gesetzgebungsverfahren erfolgen.[5]

Bemessung des GdS

Nach § 30 Abs. 1 BVG ist der Grad der Schädigungsfolgen in Zehnergraden von 10 bis 100 festzusetzen. Dabei sind geringfügige Gesundheitsstörungen, die weniger als sechs Monate andauern, nicht zu berücksichtigen. Kinder sind Erwachsenen gleichzustellen.

Die Begutachtung richtet sich seit dem 1. Januar 2009 nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ in der Anlage zu § 2 der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV; früher nach den Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, AHP).

Die Rechtsprechung hatte den „Anhaltspunkten“ den Status eines „antizipierten Sachverständigengutachtens“ zugesprochen. Dies hatte zur Folge, dass eine Begutachtung, die auf sie gestützt worden war, nicht mit einem Gutachten im Einzelfall angegriffen werden konnte. Man konnte deshalb gegen eine Begutachtung meist nur vorgehen, indem man rügte, dass die AHP mit dem aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht mehr zu vereinbaren seien, dass also eine veraltete Fassung dem Gutachten zugrundegelegt worden war.[6] Es ist davon auszugehen, dass diese Rechtsprechung auch für die „Versorgungsmedizinischen Grundsätze“ weiterhin Anwendung finden wird.

Abgrenzung zum Grad der Behinderung

Der Grad der Schädigungsfolgen ist vom Grad der Behinderung (GdB) zu unterscheiden, der nach § 69 SGB IX von den Versorgungsämtern nach Behindertenrecht festgesetzt wird und der – soweit ein GdB von mehr als 50 festgestellt worden ist – in den Schwerbehindertenausweis eingetragen werden kann, der auf Antrag ausgestellt wird. Der GdB ist im Gegensatz zum GdS nicht auf einen bestimmten Schaden ursächlich, also kausal bezogen, sondern er bezieht sich auf Beeinträchtigungen in allen Lebensbereichen und soll „final“ den Zugang zu diesbezüglichen Ausgleichen eröffnen.[7][8] Das Bundessozialgericht hat allerdings zum Ausdruck gebracht, dass trotz dieser Unterschiede im Einzelnen der Grad der Behinderung und der Grad der Schädigungsfolgen auch in Zukunft in aller Regel entsprechen sollen.[9]

Weblinks

Literatur

  • Stefanie Vogl: Soziales Versorgungsrecht: „Grad der Schädigungsfolge“ bestimmt jetzt den Rentenanspruch. „Versorgungsmedizinische Grundsätze“ ersetzen „Anhaltspunkte“ – auch bei Feststellung eines Grades der Behinderung. In: SozSich. 2009, S. 353.
  • Manfred Benz: Die Festsetzung des Gesamt-GdB (Schwerbehindertenrecht) und der Gesamt-MdE (gesetzliche Unfallversicherung). In: Die Sozialgerichtsbarkeit. 2009, S. 353.

Einzelnachweise

  1. Gesetz zur Änderung des Bundesversorgungsgesetzes und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts. In: BGBl. I 2904. 20. Dezember 2007, abgerufen am 20. September 2010.
  2. Bundesrat: BR-Drs. 541/07. 10. August 2007, S. 2, 80, abgerufen am 20. September 2010.
  3. Bundesrat: BR-Drs. 541/07. 10. August 2007, S. 80, abgerufen am 20. September 2010.
  4. Bundesrat: BR-Drs. 541/07. 10. August 2007, S. 80, abgerufen am 20. September 2010.
  5. Bundesrat: BR-Drs. 541/07. 10. August 2007, S. 2, abgerufen am 20. September 2010.
  6. BSG: Urteil – B 9 SB 3/02 R. 18. September 2003, abgerufen am 20. September 2010: „Dabei handelt es sich nach der Rechtsprechung um antizipierte Sachverständigengutachten, deren Beachtlichkeit im konkreten Verwaltungs- und Gerichtsverfahren sich zum einen daraus ergibt, dass eine dem allgemeinen Gleichheitssatz entsprechende Rechtsanwendung nur dann gewährleistet ist, wenn die verschiedenen Behinderungen nach gleichen Maßstäben beurteilt werden; zum anderen stellen die AHP 1996 (ebenso wie ihre Vorgänger) nach den Erfahrungen des BSG ein geeignetes, auf Erfahrungswerten der Versorgungsverwaltung und Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft beruhendes Beurteilungsgefüge zur Einschätzung des GdB dar (vgl BSGE 72, 285, 286 f = SozR 3-3870 § 4 Nr 6; BSGE 75, 176, 177 f = SozR 3-3870 § 3 Nr 5; BVerfG SozR 3-3870 § 3 Nr 6). Die AHP wirken insofern normähnlich. Ihre generelle Richtigkeit kann deshalb durch Einzelfallgutachten nicht widerlegt werden. Sie sind allerdings - wie untergesetzliche Rechtsnormen - zu prüfen: auf ihre Vereinbarkeit mit Gesetz und Verfassung, auf Berücksichtigung des gegenwärtigen Kenntnisstandes der sozialmedizinischen Wissenschaft sowie auf Lücken in Sonderfällen, die wegen der individuellen Verhältnisse gesondert zu beurteilen sind.“
  7. VdK: Grad der Behinderung (GdB) und Grad der Schädigungsfolgen (GdS). Abgerufen am 20. September 2010 (ohne Datum).
  8. Zur Unterscheidung von Final- und Kausalprinzip im Sozialrecht vgl. nur Gerhard Igl und Felix Welti: Sozialrecht. 8. Auflage. Werner Verlag, Neuwied 2007, ISBN 978-3-8041-4196-4 (§ 2 Rn. 4).
  9. Gerhard Igl und Felix Welti: Sozialrecht. 8. Auflage. Werner Verlag, Neuwied 2007, ISBN 978-3-8041-4196-4 (§ 69 Rn. 14 unter Bezugnahme auf BSGE 89, 199).
Rechtshinweis Bitte den Hinweis zu Rechtsthemen beachten!

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем сделать НИР

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Grad der Behinderung — Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein Begriff aus dem deutschen Schwerbehindertenrecht. Es handelt sich um eine Maßeinheit für den Grad der Beeinträchtigung durch eine Behinderung. Benutzt wird der Begriff im Neunten Buch Sozialgesetzbuch… …   Deutsch Wikipedia

  • Minderung der Erwerbsfähigkeit — Der Begriff der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) ist ein Rechtsbegriff aus dem Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung (SGB VII), der früher auch für das soziale Entschädigungsrecht bedeutsam war. Er ist nicht gleichzusetzen mit den… …   Deutsch Wikipedia

  • Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) — 1. Begriff v.a. der gesetzlichen ⇡ Unfallversicherung (§ 56 II SGB VII) und des ⇡ sozialen Entschädigungsrechts (Absicherung von Kriegsfolgen, Opferentschädigungsgesetz (OEG) etc.). a) Bezeichnung des Ausmaßes, um das die normale körperliche und… …   Lexikon der Economics

  • GdB — Der Grad der Behinderung (GdB) ist ein Begriff aus dem deutschen Schwerbehindertenrecht. Es handelt sich um eine Maßeinheit für den Grad der Beeinträchtigung durch eine Behinderung. Benutzt wird der Begriff im Neunten Buch Sozialgesetzbuch… …   Deutsch Wikipedia

  • Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes — Basisdaten Titel: Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 des Bundesversorgungsgesetzes Kurztitel: Versorgungsmedizin Verordnung Abkürzung: VersMedV Art …   Deutsch Wikipedia

  • Schwerbehindertenausweis — Ein Schwerbehindertenausweis ist ein in Deutschland bundeseinheitlicher Nachweis über die Eigenschaft als schwerbehinderter Mensch, der vom Versorgungsamt bzw. einer anderen nach Landesrecht zuständigen Behörde auf Antrag ausgestellt wird. Die… …   Deutsch Wikipedia

  • Unentgeltliche Beförderung — Die unentgeltliche Beförderung (ungangssprachlich auch als Freifahrt bezeichnet) in öffentlichen Verkehrsmitteln des Nahverkehrs können in Deutschland schwerbehinderte Menschen in Anspruch nehmen, denen vom Versorgungsamt zum… …   Deutsch Wikipedia

  • GDS — Die Abkürzung GDS steht für: Grad der Schädigungsfolgen, die im sozialen Entschädigungsrecht und zukünftig auch in der gesetzlichen Unfallversicherung nach den „Versorgungsmedizinischen Grundsätzen“ der Versorgungsmedizin Verordnung (VersMedV)… …   Deutsch Wikipedia

  • Schwerbehindertenrecht (Deutschland) — Seit dem 1. Juli 2001 gilt das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Mit diesem Gesetz wurde das bisher zersplitterte und unübersichtliche Recht der Rehabilitation zusammengefasst und… …   Deutsch Wikipedia

  • Behindertenrecht — Seit dem 1. Juli 2001 gilt das Neunte Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen. Mit diesem Gesetz wurde das bisher zersplitterte und unübersichtliche Recht der Rehabilitation zusammengefasst und… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”