Sozialrecht (Deutschland)

Sozialrecht (Deutschland)

Sozialrecht dient der Erfüllung des grundgesetzlichen Auftrags zur Sicherung des Sozialstaatspostulats. Der Begriff ist vergleichsweise neu und wird in Deutschland einheitlich erst seit den 1970er Jahren verwendet; er ist beeinflusst durch den Begriff der „sozialen Sicherung“, der im internationalen Gebrauch üblich geworden ist. Sozialrecht ist öffentliches (hoheitliches) Recht und damit geprägt von einem Über- und Unterordnungsverhältnis zwischen der öffentlichen Verwaltung und dem Bürger als Sozialversichertem, Antragsteller oder Leistungsempfänger.

Inhaltsverzeichnis

Begriff und System des Sozialrechts

Versuche, das Sozialrecht (zusammen mit dem Arbeitsrecht und weiteren Rechtsmaterien) einem selbstständigen dritten Zweig der (deutschen) Rechtsordnung, neben öffentlichem und privatem Recht zuzuordnen, wie es in manchen ausländischen Rechtsordnungen und im europäischen Gemeinschaftsrecht üblich ist, haben sich nicht durchsetzen können.

Das Sozialrecht ist eine Sammel- und Querschnittsmaterie, die zahlreiche einzelne Rechtsgebiete und Gesetzesmaterien in sich vereint. Es unterteilt sich nach der traditionellen Klassifikation in die Bereiche

Nach der Kompetenzordnung des Grundgesetzes lassen sich die Bereiche Sozialversicherung, Fürsorge und Kriegsopferversorgung unterscheiden.

Als „Sozialrecht im formellen Sinn“ wird das Recht des Sozialgesetzbuchs verstanden, während das „Sozialrecht im materiellen Sinn“ darüberhinausgehend Materien umfasst, die in anderen Gesetzen geregelt sind, beispielsweise das Recht des Lastenausgleichs und der Wiedergutmachung oder regionale sowie berufsständische Sondervorsorgesysteme (Versorgungswerke).

In einem noch weiteren Sinn können mit dem funktionalen Begriff des „sozialen Rechts“ alle rechtlichen Regelungen erfasst werden, die eine besondere soziale Zielsetzung verfolgen und insbesondere Ausdruck des verfassungsrechtlichen Staatszieles des Sozialstaatsprinzips sind (Art. 20 Absatz 1 Grundgesetz), beispielsweise Bestimmungen über den sozialen Mieterschutz (Mietrecht), den arbeitsrechtlichen Kündigungsschutz oder Vorschriften zum Schutz von Verbrauchern.

Gesetzliche Normierung

Mit der Einführung der Sozialgesetzbücher (SGB) I bis XII, sind die Kernmaterien des Sozialrechts, die beginnend im Jahre 1982 zu einer zusammenhängenden Kodifikation zusammengefügt wurden.

Allgemeine Regelungen, insbesondere das Verwaltungsverfahren und der Datenschutz, sind in den SGB I und X enthalten. SGB IV ist ein Allgemeiner Teil des Sozialversicherungsrechts, SGB IX ein allgemeiner Teil des Rechts der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen.

Besondere Teile sind das SGB II (Grundsicherung für Arbeitssuchende), SGB III (Arbeitsförderung), SGB V (Krankenversicherung), SGB VI (Rentenversicherung), SGB VII (Unfallversicherung), SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfe), SGB XI (Pflegeversicherung) und SGB XII (Sozialhilfe).

Regelungsmaterien des Sozialrechts im engeren und formellen Sinne (vgl. § 68 SGB I) sind darüber hinaus das Recht der Kriegsopferversorgung und der sozialen Entschädigung im übrigen (Bundesversorgungsgesetz; Opferentschädigungsgesetz; Infektionsschutzgesetz), das Ausbildungsförderungsrecht (BAföG), das Elterngeldrecht, das Unterhaltsvorschussgesetz das Wohngeldgesetz sowie die Spezialgesetze der landwirtschaftlichen Sozialversicherung (Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte - ALG (vor 1995: GAL), 2. Gesetz über die Krankenversicherung der Landwirte - KVLG), die als besondere Teile des Sozialgesetzbuches gelten, bis sie in das SGB aufgenommen sind. Daher gelten auch für diese Gesetze das SGB I, das SGB IV und das SGB X. Das Sozialgerichtsgesetz (SGG) regelt sowohl das Vorverfahren (Widerspruchsverfahren) als auch die sich daran ggf. anschließenden Gerichtsverfahren vor den Sozialgerichten.

Sozialversicherung

Die Sozialversicherung ist wesentlicher Bestandteil des Rechts der sozialen Sicherung (siehe Einleitung). Als Teilbereich des Sozialrechts wird er auch manchmal als Sozialversicherungsrecht bezeichnet.

Derzeit sind folgende Sozialversicherungszweige gesetzlich vorgesehen:

Arbeitsförderung

Die Arbeitslosenversicherung ist im SGB III geregelt. Sie wird nicht zur Sozialversicherung gerechnet. Das rührt zum einen aus dem Wortlaut in Art. 74 I Nr. 12 GG, der sie als eigenen Zweig von der Kranken-, Pflege-, Renten- und Unfallversicherung abhebt und ausdrücklich erwähnt. Dem folgt auch das einfache Recht in § 4 II 1 SGB I. § 1 I 3 SGB IV ordnet ausdrücklich an, dass die Bundesagentur für Arbeit als Sozialversicherungsträger im Organisationsrecht und im Beitragswesen gelte. Zum anderen wird dies aus den deutlich abweichenden Strukturen bei der Organisation und der Finanzierung der Arbeitsförderung hergeleitet.[1] Eine im vordringen befindliche Meinung rechnet aber auch sie zur Sozialversicherung.[2]

Sozialrecht betreffend Familie, Eltern, Kinder

Daneben gibt es eine Reihe von Gesetzen, die als sog. „soziales Recht“ Eltern, Familien und Kinder fördern und sozial absichern, insbesondere im Arbeitsrecht das Mutterschutzgesetz und das Kündigungsschutzgesetz (darin: Begünstigung von unterhaltspflichtigen Arbeitnehmern in § 1 III KSchG) oder im Steuerrecht das Kindergeld.

Verfahrensrecht

  • Sozialgesetzbuch, Erstes Buch : SGB I - Allgemeiner Teil -
  • Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch : SGB X - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz -
  • Sozialgerichtsgesetz (SGG) - Widerspruchs- und Gerichtsverfahren

Literatur

Einzelnachweise

  1. Gerhard Igl und Felix Welti: Sozialrecht.. 8. Auflage. Werner Verlag, Neuwied 2007, ISBN 978-3-8041-4196-4, S. 49 (§ 8 Rn. 3).
  2. Stefan Muckel: Sozialrecht. 3. Auflage. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-57624-9, S. 48f. (§ 7 Rn. 2, ohne Nachweise zur h. M.).
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