Großer trotzkistischer Rat

Großer trotzkistischer Rat

Der Große trotzkistische Rat, tschechisch Velká trockistická rada, war ein Konstrukt der tschechoslowakischen Geheimpolizei Státní bezpečnost mit dem Ziel, einen politischen Schauprozess gegen angebliche Trotzkisten zu inszenieren. Der Prozess fand 1954 statt.

Hintergründe

Unter den zahlreichen und wechselnden Anschuldigungen, die während der Schauprozesse in der Tschechoslowakei konstruiert wurden („bürgerlicher Nationalismus“, „staatsfeindliche Verschwörung“, „Titoismus“ usw.), spielte eine wichtige Rolle auch der Trotzkismus. Er gehörte zu den üblichen Beschuldigungen für meist kommunistische Funktionäre, die des Verrats bezichtigt werden sollten. Der Trotzkismus galt automatisch als feindliche Straftat, die gegen den Sozialismus und die Sowjetunion gerichtet ist.

Der Trotzkismus tauchte auch im Prozess gegen Milada Horáková und Rudolf Slánský auf, größere reine Trotzkisten-Prozesse gab es jedoch nur zwei. Neben dem Prozess gegen Záviš Kalandra und 12 weitere Mitangeklagte (Juni 1950) ist besonders der Prozess gegen den sogenannten „Großen trotzkistischen Rat“ bekannt geworden; einige weitere Personen, die des Trotzkismus und Verrats beschuldigt wurden, sind einzeln vor Gericht gestellt worden.[1] [2]

Prozess

Bei dem „Großen trotzkistischen Rat“ handelte sich um eine informelle Gruppe linksorientierter Intellektueller. Einige von ihnen traten vor dem Zweiten Weltkrieg in Erscheinung als Kritiker der Prozesse gegen Trotzkisten in der Sowjetunion. Dadurch gerieten sie nach der kommunistischen Machtergreifung 1948 in der Tschechoslowakei in eine Liste sogenannter trotzkistischer Elemente, die im Sekretariat der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei und später in der Kommission für Parteikontrolle (KSK) geführt wurde. Sie trafen sich gelegentlich zu allgemeinen Diskussionen über politische Themen und nannten sich selber der „große Rat“.[2] Wie später selbst einer der Ermittler, Bohumil Doubek, berichtete, haben die Verhöre keine Hinweise auf illegale, fraktionelle oder feindlich gesinnte Absichten ergeben.[2]

Am 21. Dezember 1953 entschied dieses Gremium, die Gruppe des Trotzkismus zu bezichtigen und es änderte den Namen in "Großer trotzkistischer Rat"; dieses Gremium genehmigte zugleich auch den Wortlaut der Anklage und die Höhe der später verhängten Strafen.[3]

Der Prozess fand vom 23. Februar bis 25. Februar 1954 statt, die Verurteilten wurden zu Freiheitsentzug verurteilt, gleichzeitig wurde ihre Habe konfisziert und ihnen die Bürgerrechte für 70 Jahre entzogen.[3] Im einzelnen wurden folgende Urteile gefält:[2]

  • František Novák, 8 Jahre
  • Stanislav Pluhař, 10 Jahre
  • František Roušar, 10 Jahre
  • Bohumil Holátko, 14 Jahre
  • Václav Vlk, 15 Jahre
  • Pavel Hrubý, 18 Jahre
  • Oldřich Černý, 20 Jahre

Eine durch die Partei eingesetzte Kommission, welche die Rechtmäßigkeit des Prozesses überprüfen sollte, hat 1955 in ihrem Abschlussbericht empfohlen, die Urteile nicht zu verändern. Das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei hat das Ergebnis angenommen und zusätzlich Ermittlungen gegen weitere zwei Personen, Kálal und Dvořák, angeordnet, die an den Sitzungen des sog. Rates ebenfalls teilnahmen, aber noch nicht verurteilt wurden.[3] Erst 1963 wurden die Verurteilten rehabilitiert.

Einzelnachweise

  1. Karel Kaplan, Politische Persekution in der Tschechoslowakei 1948 - 1972, Studie Nr. 3 des Forschungsprojektes Krisen in den Systemen sowjetischen Typs, Köln, Index 1983, S. 23
  2. a b c d Státní bezpečnost o sobě, Mit Begleitwort des Historikers Karel Kaplan, Materialien des Innenministeriums der Tschechischen Republik (Word-Dokument), online auf: aplikace.mvcr.cz/archiv2008, tschechisch mit deutscher Zusammenfassung (Karel Kaplan: Die StB über sich selbst – Aussage des Ermittlers Bohumil Doubek), S. 143 bzw. 144 (Anm. 64), abgerufen am 25. Januar 2011
  3. a b c Zakázaný dokument. Zpráva komise ÚV KSČ o politických procesech a rehabilitacích v Československu 1949-68 (Verbotenes Dokument. Bericht der Kommission des ZK der KSČ über die politischen Prozesse und Rehabilitationen in der Tschechoslowakei 1949-68), Europa-Verlag, Wien 1970 (tschechische Ausgabe; englische Ausgabe The Czechoslovak Political Trials 1950 - 1954, Stanford University Press, 1971, online auf: books.google.com)

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