Gyaraspur

Gyaraspur
Gyaraspur - Der aus mehreren aneinandergefügten Bauteilen bestehende Maladevi-Tempel (ca. 875) steht auf einer künstlich angelegten und teilweise aus dem Felsgestein herausgearbeiteten Felsterrasse. Er ist ein Beispiel für den späten Pratihara-Stil.

In Gyaraspur − heute ein Ort von etwa 2500 Einwohnern im indischen Bundesstaat Madhya Pradesh − standen ehemals mehrere außergewöhnliche Tempelbauten, von denen jedoch ein Großteil zerstört ist.

Inhaltsverzeichnis

Lage

Gyaraspur liegt etwa 45 km nordöstlich von Sanchi bzw. etwa 35 km nordöstlich von Vidisha und ist von dort aus mit Bussen gut zu erreichen.

Geschichte

Schriftliche Zeugnisse über die Geschichte des Ortes liegen nicht vor. In mittelalterlicher Zeit muss der Ort jedoch eine nicht unbedeutende Rolle gespielt haben, denn es haben sich die Ruinen mehrerer Tempel erhalten, die wahrscheinlich bei islamischen Eroberungs- und Beutezügen zerstört worden sind. Lediglich der etwa 1,5 km abseits des Ortes gelegene und gut zu verteidigende Maladevi-Tempel ist vergleichsweise gut erhalten.

Maladevi-Tempel

Weihe

Die Zuschreibung des Maladevi-Tempels ist unklar: Im Innern sind mehrere kleinere und größere Jaina-Figuren zu sehen, die jedoch − nach der Auffassung R. K. Trivedis − nicht so recht zum Bau passen und deshalb in einer späteren Zeit hierher gebracht worden sein könnten. Andererseits spricht die etwas abseitige Lage des Tempels durchaus für eine Jaina-Kultstätte, was von K. Deva auch entsprechend akzeptiert wird, doch bieten sich im − nahezu fehlenden − Figurenschmuck der Außenwand keinerlei Anhaltspunkte für diese Theorie.

Gyaraspur - Am Maladevi-Tempel haben sich mehrere Balkone mit gedrechselten Steinsäulchen erhalten. Unterhalb befinden sich jeweils Nischen, die von Dekorpaneelen (udgamas) überhöht werden, die wiederum die dahinter liegenden Bauteile und deren Dekor überschneiden.

Architektur

Die Lage des nach Osten orientierten Tempels an einer Felskante oberhalb einer Schlucht ist ziemlich ungewöhnlich. Die Baumeister des indischen Mittelalters haben es dennoch geschafft, eine Terrasse aus dem Fels herauszuarbeiten und einen vergleichsweise großen Tempel von etwa 31,20 m (Länge) × 16,50 m (Breite) zu errichten. Ein Teil der Plattform (jagati) und des Sanktumsbereichs sind aus der rückwärtigen Felswand herausgearbeitet. Im Unterschied zu den frühen Pratihara-Tempeln besteht dieser relativ späte Bau (ca. 875) aus mehreren Bauteilen: Säulenvorhalle (mukhamandapa), Vorhalle (mandapa), Portalzone (antarala) und Cella (garbhagriha) mit einem Umgang (pradakshinapatha). Vorhalle (mandapa) und Umgangsbereich sind im Innern in etwa quadratisch und gleich groß (ca. 10 m × 10 m); sie sind durch Balkone nach außen − nach dem frühen Vorbild des Kalika-Mata-Tempels in Chittorgarh − geöffnet. Das Dach der Vorhalle wird von sechs massiven Pfeilern getragen und selbst im Innern der innen wie außen reich gegliederten Cella (garbhagriha) stehen − bis dahin absolut ungewöhnlich − drei schlanke Pfeiler. Die Cella mit einem großen hineinragenden Felsstück, das auch den vierten Pfeiler ersetzt, macht einen unvollendeten Eindruck.

Bauschmuck

Der Tempelbau wird aufgelockert durch mehrere Balkone mit − in Dreiergruppen angeordneten und in Nordindien sehr seltenen − gedrechselten Steinsäulchen; die Wand zum Umgang ist von mehreren Jali-Fenstern mit Schachbrettmustern durchbrochen. Die Bauzier der Außenwände besteht im Wesentlichen aus großflächigen Dekorfeldern (udgamas) oberhalb der leeren Wandnischen und am Shikhara-Turm; diese − für die Pratihara-Zeit typischen − Dekorfelder sind aus übereinander gestapelten kleinen Fensternischen (chandrasalas) zusammengesetzt und kehren − in verkleinerter Form − auch an verschiedenen Stellen im Innern wieder. Die Pfeiler der Vorhalle sind reich dekoriert (Krüge, Vasen, Glöckchen etc.); das Portalgewände ist mehrfach zurückgestuft und zeigt − neben den obligatorischen Ganga- und Yamuna-Figuren und den stets wiederkehrenden Feldern mit 'Himmlischen Liebespaaren' (mithunas) − reiches vegetabilisches Rankenwerk, in welches − in Indien sehr selten − auch kleine menschliche und tierische Figuren eingearbeitet sind.

Andere Tempelruinen

Gyaraspur (Hindola-Torana und Chaukambha). Von vielen Tempeln des 10. und 11. Jh. sind nur noch - rekonstruierte - Ruinen erhalten, die jedoch einen Eindruck vom ehemals reichhaltigen Dekor der Bauten vermitteln.
  • Bhajra-Matha-Tempel (10. Jh.)

Der Tempel besteht heutzutage nur noch aus drei nebeneinanderliegenden Schreinen, die auf einer einheitlichen Plattform liegen − eine in Indien eher ungewöhnliche Konstellation. Die Schreine waren ursprünglich wohl − wie es aus erhaltenen Inschriften herzuleiten ist − der Hindu-Trinität von Brahma, Shiva und Vishnu geweiht; auch die erhaltenen Skulpturen im Äußeren (Narasimha, Varaha u.a.) deuten auf einen Hindu-Tempel hin. Später, d. h. nach dessen Zerstörung, wurden die Schreine von den Jainas rekonstruiert und okkupiert.

  • Athakambha (10. Jh.)

Acht − auf einer Plattform stehende − an den Ecken zurückgestufte und reich verzierte Pfeiler mit einem schönen Torana-Bogen haben sich von dem ehemaligen Tempelbau noch erhalten und wurden wieder aufgebaut.

  • Hindola-Torana (10./11 Jh.)

Links des Weges zum Maladevi-Tempel steht ein schöner freistehender Torbau mit zwei Torana-Bögen, der ehemals wohl vor einem − längst zerstörten − Tempel platziert war. Der Torbau wurde im 20. Jh. rekonstruiert.

  • Chaukambha (10. Jh.)

Die vier reichdekorierten Säulen mit ausladenden Löwenkapitellen und erhaltenen Architraven deuten auf eine Vorhalle (mandapa) zu einem zerstörten Tempelbau hin. Auch dieser Bau wurde rekonstruiert.

Bedeutung

Der Maladevi-Tempel ist ein spätes Beispiel des zentralindischen Pratihara-Stils aus der Zeit des späten 9. Jahrhunderts. Die weitgehend zerstörten Bauten aus dem 10. und 11. Jahrhundert legen mit ihrer außergewöhnlichen Dekorfreude, von der sich jedoch nur wenig erhalten hat, Zeugnis ab für die herausragende handwerkliche Qualität und künstlerische Ausdruckskraft ihrer Erbauer.

In ganz Indien berühmt ist Gyaraspur auch wegen des erhaltenen Torsos einer Baumnymphe (salabhanjika) oder einer 'Himmlischen Tänzerin' (apsara), welcher heute im Gujari-Mahal-Museum in Gwalior aufbewahrt wird (siehe Weblink).

Umgebung

Etwa 2 km außerhalb von Gyaraspur befindet sich der etwa 10 m hohe Dhaikinath-Stupa mit einem Durchmesser von etwa 18,50 m, der jedoch im Wesentlichen nur noch als Erdhügel wahrzunehmen ist. Reste der Zauneinfassung und eines Buddha-Bildnisses haben sich erhalten.

Siehe auch

Literatur

  • R. D. Trivedi: Temples of the Pratihara Period in Central India. Archaeological Survey of India, New Delhi 1990, S. 155ff
  • Michael W. Meister, M. A. Dhaky (Hrsg.): Encyclopaedia of Indian Temple Architecture. North India − Period of Early Maturity. Princeton University Press, Princeton 1991, S. 49ff ISBN 0-691-04094-X

Weblinks

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