Handhaftverfahren

Handhaftverfahren

Das Handhaftverfahren war eine Verfahrensart des mittelalterlichen Strafverfahrens, die insbesondere im Sachsenspiegel zum Ausdruck kam.

Im Gegensatz zum ordentlichen Verfahren, in dem die Täterschaft des vermeintlichen Täters für eine Verurteilung erst bewiesen werden musste, lief das Handhaftverfahren, das zum Zug kam, wenn der Täter bei der Begehung einer Straftat in flagranti betreten wurde, ohne solch ein kompliziertes Beweisverfahren ab. Der handhafte Täter konnte vom durch die Tat Betroffenen auf der Stelle ergriffen werden - für diese Tat blieb der Ergreifende straflos. Auch war das sofortige Töten des Täters möglich, vom Sachsenspiegel aber nur für Ehebrecher[1] vorgesehen.

Nach oder während des Ergreifens musste das sogenannte Gerüft[2] erhoben werden: gleichsam als Zeugnis der geübten Rache wurden mittels Geschrei sämtliche Nachbarn ("Schreimannen") zusammengerufen, ehe der Ergriffene vom Betroffenen und den zusammengerufenen Nachbarn vor Gericht gestellt wurde. Wenn noch nicht am Tatort Anklage erhoben wurde, so geschah dies nun vor Gericht. Auch gegen einen sofort getöteten Täter wurde Anklage erhoben (Klage gegen den toten Mann).

Der gefesselte Täter, dem überdies seine Waffen sowie das bei ihm gefundene Deliktsgut aufgebunden wurde[3], konnte vor Gericht nicht aussagen. Gehört wurde nur der durch den handhaften Täter Verletzte. Mittels eines Überfuhrungseides konnte dieser gemeinsam mit sechs Zeugen (den Schreimannen) die offenkundige Rechtsverletzung des Ergriffenen begehren. Durch den Eid des Klägers und der sechs Wahrnehmungszeugen war die Rechtsverletzung besiegelt. Dem Täter blieb keine Möglichkeit der Verteidigung, insbesondere konnte er im Handhaftverfahren nicht auf den Reinigungseid zurückgreifen.

Bei der Klage gegen den toten Mann, bei der die Leiche des Getöteten als deutliches Zeichen des Rechtsbruches ebenfalls gefesselt vor Gericht gebracht wurde, war der Eid des Täters (und der sechs Schreimannen) gleichzeitig Beweis für die Rechtswidrigkeit der verbrecherischen Handlung des Getöteten wie auch Rechtfertigung der Tötungshandlung.

Einzelnachweise

  1. http://www.brandenburg1260.de/recht-sachsenspiegel.html
  2. http://ius.unibas.ch/typo3conf/ext/x4eunical/scripts/handleFile.php?file=4871
  3. http://www.brandenburg1260.de/recht-sachsenspiegel.html

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