Reinigungseid

Reinigungseid

Als Reinigungseid bezeichnet man ein Verfahrenselement der Gerichtsbarkeit aus dem frühen und hohen Mittelalter.

Der Reinigungseid wird dabei einem Angeklagten auferlegt, um sich durch die Erfüllung selbigen seiner Schuld reinzuwaschen bzw. seine Unschuld zu bezeugen. Nur wenn der Reinigungseid dem Angeklagten „gelingt“, gilt er als unschuldig, anderenfalls wird er verurteilt. Das Gelingen des Reinigungseides konnte mitunter sehr abstruse Formen annehmen. So galt schon das bloße Versprechen/Verhaspeln bei der Wiederholung der vom Gericht auferlegten Reinigungseid-Formel als Schuldbekenntnis.

Die Methodik des Reinigungseides beruhte auf der Überzeugung, dass insbesondere überirdische Mächte im Falle eines Meineidversuchs sofort eingreifen und den Eid misslingen lassen würden. Es konnte auch vorkommen, dass dem Angeklagten nicht das Recht zum Reinigungseid zugesprochen wurde, nämlich dann, wenn er auf frischer Tat in flagranti betroffen wurde, ein Tatbestand, den man in der mittelalterlichen Prozessordnung bei „handhafter Tat“ nannte. In diesem speziellen Falle - dem sogenannten Handhaftverfahren - durfte der Kläger einen Anklageeid aussprechen, der – wenn er gelang – den Angeklagten automatisch schuldig sprach.

Manchmal kam es auch vor, dass Eideshelfer aus der Verwandtschaft den Angeklagten beim Schwören des Reinigungseides unterstützen mussten. Fremde, die über keine Verwandtschaft aus unmittelbarer Nähe verfügten bzw. keinen Eideshelfer beischaffen konnten, mussten sich sodann einem Gottesurteil unterziehen, wie z.B. das Laufen über glühende Kohlen oder das Tragen eines glühenden Hufeisens, wobei keine Brandmarken entstehen durften. Im späten Mittelalter jedoch verschwanden unter Einwirken der Kirche die Gottesurteile mehr und mehr, welche vom Prinzip her noch aus heidnischer Zeit übernommen worden waren.

Gegen Ende des Mittelalters verliert auch der Reinigungseid langsam an Bedeutung und an seine Stelle tritt die Überführung des Angeklagten durch die Aussage zweier glaubwürdiger Zeugen, die sogenannte Beweisung oder – was bevorzugt wurde – es erfolgt sogleich das Geständnis des Angeklagten, das sogenannte Urgicht. Problematisch wurde es dann, wenn es weder ein Geständnis gab, noch eine „Beweisung“ stattfinden konnte, trotzdem aber dringender Tatverdacht bestand. Da ohne Geständnis der Angeklagte nicht verurteilt werden konnte, wurde daher in letzter Konsequenz das Geständnis „erzwungen“. Dies fand mittels der sogenannten peinlichen Befragung statt, sprich der Folter. Die „peinliche Befragung“ musste sich jedoch an einem genau festgelegten Fragenkatalog orientieren, um die Prozessordnung nicht zu verletzen. Wenn der Angeklagte auch nach der „peinlichen Befragung“ nicht seine Schuld eingestand, musste er als „unschuldig“ freigelassen werden. Daraufhin musste der Angeklagte dann die sogenannte Urfehde ablegen, d.h. das Versprechen, dass er sich für die ihm rechtmäßig zugefügte Behandlung anschließend nicht rächen würde.

Problem:
Vor allem für reiche und mächtige Personen, vornehmlich den Adel, war es zu dieser Zeit einfach möglich, sich auf Grund eines Reinigungseides im Sinne der Beweisung von jeglichem Unrecht „reinzuwaschen“, da es ihnen stets gelang, „genügend viele glaubwürdige Zeugen“ vor Gericht auftreten zu lassen, um ihre Unschuld zu bekunden, wie zum Beispiel die Anklage gegen den Ritter Kahlbutz zeigt.


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