Hirschengraben (Zürich)

Hirschengraben (Zürich)
mittlerer Hirschengraben
Seilergraben
Seiler- und Hirschengraben um 1750
1744: Brand eines Hirschhäuschens beim Wolfsturm. Blick nach Südwesten; links der Flammen das Haus zum Lindengarten, links das heutige Haus des Kammertheaters Stok

Der Hirschengraben war ein Teil der mittelalterlichen Stadtbefestigung der Stadt Zürich. Der Name stammt von den Hirschen, die von 1533 bis 1784 im Graben untergebracht waren.

östliche Stadthälfte auf dem Murerplan von 1576

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Der heutige Hirschengraben, früher «Stadtgraben» oder auch «Hirzengraben» genannt, bestand ursprünglich aus einem längs der alten Stadtmauer verlaufenden Graben, der den östlichen Teil der Stadt umgab. Er begann beim Niederdorftor beim Anfang der Niederdorfstrasse beim heutigen Central und verlief in einem grossen Bogen zum Oberdorftor (Kreuzung Torgasse/Oberdorfstrasse). Sein Verlauf ist auf dem Murerplan von 1576 gut erkennbar. Der Name «Hirschengraben» wird erst seit der Mitte des 16. Jahrhunderts verwendet. Früher wurde der Graben nach den Türmen und angrenzenden Gassen benannt: burggraben zu des Schettelis turm oder burggraben ze Niumargte.

Erwähnt wird der Stadtgraben erstmals 1335 im Zusammenhang mit einer Erweiterung des Marktplatzes. Um 1450 durften Schutt und Kehricht abgelagert werden. 1527 wurde der Viehtrieb in die Stadtgräben eingeschränkt und schon 1529 erscheint in den Rechnungsbüchern ein Posten über das Jagen von Wild im Stadtgraben. Ein Hirschhüter fütterte die Tiere und säuberte den Graben. Der Tiergarten im Stadtgraben entwickelte sich zu einer Besucherattraktion.

Am 13. September 1744 wurde das Hirschenhäuschen beim Wolfsturm während des Morgengottesdienstes vom jugendlichen Christoph Froschauer in Brand gesteckt. Zu Strafe wurde der Jugendliche enthauptet.[1] Es wurde anschliessend wieder aufgebaut. 1774 wurden die Tiere abgeschafft; es bestanden Pläne, das Areal des Grabens in eine Fahrstrasse umzuwandeln. 1780 wurde der innere und untere Teil des Grabens vom Niederdorf- bis zum Neumarkttor eingeebnet und den Seilern abgetreten; daher der heutige Name «Seilergraben». Der äussere und höher gelegene Teil des unteren Grabens heisst heute noch Hirschengraben. Er wurde 1790 zu einer breiten Fahrstrasse und Allee für Fussgänger ausgebaut. Zwischen 1796 und 1878 wurden dort Jahrmärkte abgehalten.

Zwischen 1784 und 1790 wurden die Arbeiten beim mittleren Abschnitt weitergeführt. Im Winter 1784/85 wurden die Ringmauer und der Wolfs- oder Schrätteliturm abgetragen und deren Material zum Auffüllen des Grabens verwendet. Der Abschnitt zwischen dem Kronentor beim Neumarkt und dem Lindentor beim Eingang zur Kirchgasse wurde 1784 zu einer Promenade umgebaut und mit Bäumen bepflanzt. Der Stadtmauer entlang wurden 1790 Schuppen und Magazine errichtet.

Blick über die Florhofgasse zum oberen Hirschengraben

Der oberste Teil des Hirschengrabens war der Abschnitt zwischen dem Brunnen unterhalb der Kirchgasse und der Einmündung in die heutige Rämistrasse. Damit der tief eingeschnittene Graben ab 1784 als Fahrstrasse dienen konnte, wurden Stützmauern an den Seiten errichtet. ab 1955 musste die Häuserzeile an diesem des Abschnitt nach und nach der Erweiterung des Kunsthauses weichen. Am längsten blieb das «Landolthaus» stehen, im Bild ganz rechts. An der Stelle des Fussweges entstand die Ausfahrtsrampe des Parkhaueses «Hohe Promenade».

Gebäude

Rechberg

Wohl das auffallendste Gebäude am Hirschengraben ist das Haus «Rechberg», das ehemalige «Haus zur Krone». Der Bau wurde 1759 von David Morf anstelle eines Wirtshauses gleichen Namens begonnen und 1770 von Conrad Bluntschli fertig gestellt. Die lange Bauzeit erklärt sich durch die Gewohnheit, damals nur im Sommer zu bauen. Zwischen 1798 und 1800 diente das Haus als Quartier für die Befehlshaber fremder Heere, anschliessend war es bis 1830 Mittelpunkt des diplomatischen Lebens. Die neuen Eigentümer Adolf Friedrich und Carl Gustav von Schulthess-Rechberg gaben dem Gebäude 1839 den Namen «Rechberg», den es heute noch trägt. 1899 wurde das Gebäude vom Kanton Zürich übernommen. Seit 1937 ist ein Institut der Universität Zürich darin untergebracht.

Schulhaus Hirschengraben

1890 hatte die Stadt Zürich zu einem Preis von 52 Franken pro Quadratmeter fast 6000 Quadratmeter Reb- und Gartenland vom benachbarten Stockargut oberhalb des Hirschengrabens erworben, um dort ein Mädchenschulhaus zu errichten. Den Zuschlag bekam der in London lebende Zürcher Architekt Alexander Koch. [2] Das Schulhaus wurde 1893 - 94 erbaut. Heute werden darin Kinder und Jugendliche vom 1. bis zum 9. Schuljahr unterrichtet. [3]

Haus Lindengarten

Das Haus Lindengarten am Hirschengraben 18 ist neben dem benachbarten «Haus zum Kiel» eines der wenigen Häuser, das auf dieser Seite des oberen Hirschengrabens stehen geblieben ist. Im 18. Jahrhundert wurde es von David Herrliberger dargestellt.

Haus zum Kiel

Das «Haus zum Kiel» am Hirschengraben 20 entstand im ersten Viertel des 18. Jahrhunderts. In den letzten Jahrzehnten wurde es von Johann Bürkli bewohnt, der vom Bildhauser Valentin Sonnenschein einen Musiksalon einrichten liess und dort zahlreiche literarische und musikalische Anlässe durchführte. Seine Witwe heiratete den Theologen und Literaten Jakob Heinrich (Henry) Meister (1744-1826), der im «Haus zum Kiel» seine letzten Lebensjahre verbrachte. Heute sind im Haus unter anderem Räume für Ausstellungen und Musikvorträge untergebracht.

Casino

Das Casino am Hirschengraben. Zeichnung von Franz Schmid, 1839

1806 erwarb die Assemblee-Gesellschaft am oberen Hirschengraben vom Staat einen Gebäudeteil des ehemaligen Barfüsserklosters, den «Trottkeller» nordöstlich des alten Kreuzganges. Nach Plänen von Hans Caspar Escher wurde für 40'000 Franken ein Neubau in streng klassizistischem Stil errichtet, der als eines der schönsten Gebäude der Stadt galt. 1874 kaufte der Staat das Casino zurück und baute es zum Obergericht um.

Anwohner

Am Haus Hirschengraben 56 steht das Geburtshaus von Alfred Escher. Das Geburtshaus von Johann Heinrich Pestalozzi am Hirschengraben 8 steht heute nicht mehr, es fiel einer Erweiterung des Kunsthauses zum Opfer. Von 1855 bis 1868 wohnte die Schriftstellerin Johanna Spyri zuerst drei Jahre am Hirschengraben 10, nachher bis 1868 am Hirschengraben 6. [4]

Literatur

  • Thomas Germann: Zürich im Zeitraffer, Band II, Werd-Verlag Zürich, 2000
  • Christine Barraud Wiener, Peter Jezler: Kunstdenkmäler des Kantons Zürich; Die Stadt Zürich I. Stadt vor der Mauer, mittelalterliche Befestigung und Limmatraum. Wiese Verlag, Basel 1999, S. 98/99

Weblinks

Einzelnachweise

  1. http://www.berufsfeuerwehr.ch/museum/chronikdesfeuerwehrwesens.htm Chronik Berufsfeuerwehr
  2. Nationale Informationsstelle für Kulturgüter-Erhaltung
  3. Schulhaus
  4. Regine Schindler: Johanna Spyri: Spurensuche Pendo Verlag, Zürich 1997

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