Klassizismus

Klassizismus

Klassizismus bezeichnet als kunstgeschichtliche Epoche den Zeitraum etwa zwischen 1770 und 1840. Der Klassizismus löste den Barock ab. Eine Form des Klassizismus ist das Biedermeier. Die Epoche wurde in der Architektur von der Romantik begleitet und vom Historismus abgelöst.

Im Verhältnis zum Barock kann der Klassizismus als künstlerisches Gegenprogramm aufgefasst werden. Gegen Ende des 18. Jahrhunderts gelangte er nach einer ersten Phase der Koexistenz durch die anhaltenden Diskussionen über die ästhetischen Leitbilder des Barocks zur Vorherrschaft. Der Klassizismus in der Architektur basiert auf dem Formenkanon des griechischen Tempelbaus, lehnt sich teilweise aber auch an die italienische Frührenaissance an.

Außerhalb des deutschsprachigen Raums wird der Klassizismus als 'Neoklassizismus' bezeichnet, dagegen bezeichnet Neoklassizismus im Deutschen die klassizistischen Strömungen im 20. Jahrhundert.

Inhaltsverzeichnis

Begriff

Der Begriff findet auch in dem Sinn eines künstlerischen Rückgriffs auf antike griechische oder römische Vorbilder seine Verwendung. So trat er bereits seit dem 17. Jahrhundert in den europäischen Künsten in verschiedenen Strömungen, Themenstellungen und unterschiedlichen regionalen Ausprägungen in Architektur, Malerei und Plastik in Erscheinung (siehe Classicisme).

Der Begriff ist im europäischen Sprachraum mehrdeutig und bezieht sich meist nicht auf ein und dieselbe Kunstepoche. So bezeichnet man beispielsweise die Baukunst Palladios (1508 bis 1580) und seiner Nachfolger als Klassizismus (siehe Palladianismus). Als Klassizismus benennt man ferner die Kunst Frankreichs, Hollands und Englands im 17. Jahrhundert. Seit der Renaissance entstanden klassizistische Unterströmungen, die auch in der Zeit des Barocks immer wirksam waren. Besonders ausgeprägt ist diese Strömung in Frankreich und England (siehe Klassizistischer Barock). So wird für den im deutschsprachigen Raum als Klassizismus bezeichnete Epoche in England, Frankreich, Spanien und Italien der Begriff Neo-Klassizismus verwendet, der teilweise auch im Deutschen übernommen wurde.

Geschichtliche Entwicklung

Die Prinzessinnengruppe von Johann Gottfried Schadow

Frühklassizismus

Im späten 18. Jahrhundert galt der Klassizismus mit einer purifizierenden Vereinfachung der Formen als Gegenmodell zur Kunst des Barocks, die mit dem Feudalismus assoziiert wurde. Gegenüber dem vorangegangenen Rokoko zeichnet sich der Klassizismus durch eine Rückkehr zu geradlinigen, klaren Formen und einer stärkeren Anlehnung an klassisch-antike Vorbilder aus.

Als geistiger Begründer im deutschsprachigen Raum gilt Johann Joachim Winckelmann („Der einzige Weg für uns, groß, ja, wenn es möglich ist, unnachahmlich zu werden, ist die Nachahmung der Alten“[1]). Der Übergang von spätbarocken Formen zum Klassizismus wird vor allem in der älteren deutschen Kunstgeschichte bisweilen als Zopfstil bezeichnet. Benannt ist er nach dem Zopf, in dem die barocke Blumengirlande zu einem dünnen Band reduziert wird.

In Frankreich beginnt die Epoche des Klassizismus, die in Frankreich als neo-classicisme bezeichnet wird, gegen Ende der Regierungszeit von Ludwig XV.. Der vergleichbare Stil wird Louis-seize (vorrevolutionärer Klassizismus) genannt. Während einer Übergangszeit von 1750 bis 1760, die als style transition bezeichnet wird, finden sowohl Elemente des Rokoko, des goût pittoresque als auch klassische Formen Verwendung. Der Frühklassizismus wird in Frankreich auch als goût grec bezeichnet, geht nach 1770 in den goût étrusque des Louis-seize aus der Regierungszeit Ludwig XVI. über.

In Österreich fällt dies mit der Regierungszeit Josephs II. zusammen, der auch neue Bauaufgaben initiiert (Kirchen für neue Pfarrsprengel, Krankenhäuser, öffentliche Schulen und Parks) (siehe Josephinismus).

In Großbritannien nennt man die frühklassizistische Phase Late Georgian.

Der Klassizismus der Revolution und des Empires

Triumphbogen in Paris

Ab den 1790er Jahren galt der Klassizismus als der „Stil der Revolution“, vor allem in der Architektur, wo wuchtige Formen bevorzugt werden. Mit der Vereinnahmung der Revolution durch Napoleon Bonaparte kommt es dann zum dekorativeren Empirestil, der sich mit der Herrschaft des Kaisers über ganz Westeuropa ausbreitet. Auch Jacques-Louis David, der Begründer des Klassizismus in der Malerei, wird zum Anhänger der Revolution und dann Hofmaler Napoleons.

In Großbritannien fasst man diese Zeit als Regency zusammen (nach der Herrschaft des Prinzregenten und künftigen Königs Georg IV.).

Zeit der Restauration

Die Architektur und Malerei des Biedermeier stellt ihm gegenüber eine weitere Wendung ins Dekorative dar, die gleichwohl keine grundsätzliche ästhetische Abwendung bedeutet. In der Malerei hält sich diese Ästhetik bis in die 1870er Jahre, in der Architektur wird sie schon in der ersten Jahrhunderthälfte durch alternative Bauformen, am frühesten von der Neugotik in Frage gestellt. Gesellschaftlich werden die neuen Bauformen mit dem aufstrebenden Bürgertum und seiner Wünsche nach Repräsentation assoziiert. Paul Sprenger, ein wichtiger Repräsentant der späten klassizistischen Architektur in Österreich, wurde geradezu als „Metternich der Architektur“ bezeichnet.

Klassizistische Formen im folgenden Historismus

Um die Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine Entwicklung vom Klassizismus hin zum Historismus ein. Eine prägende Stilform dieses Übergangs ist der Rundbogenstil, der ab etwa 1828, gedanklich untermauert durch die Schrift „In welchem Style sollen wir bauen?“ von Heinrich Hübsch, eine erste stilistische Transformation des Klassizismus einleitete. Die Abgrenzung des Klassizismus zum Historismus ist weder chronologisch noch stilistisch ganz einfach. Einerseits ist der Klassizismus selbst ein „historisierender“ Stil, der sich an die Antike und ihrer Interpretation in der Renaissance anlehnt. Andererseits teilt der Historismus zum Teil dasselbe Formenrepertoire, besonders deutlich in der Neorenaissance. Dazu kommt noch, dass der späte Klassizismus durchaus eine Vorliebe für bestimmte Dekorationsformen, etwa aus der byzantinischen oder arabischen Kunst, zeigt. Der Grundzug des Historismus ist dann auch nicht so sehr die „Ablösung“ vom Klassizismus, sondern sein Einfügen in einen pluralistischen Kanon von Stilen – daher auch der Alternativbegriff Eklektizismus. Der schlagendste Unterschied ist die weitaus größere Dekorfreudigkeit der historistischen Bauten und Ausstattungen, die dem in der Gründerzeit reichgewordenen Bürgertum eher zusagte als der spartanische Stil der ersten Jahrhunderthälfte.

Als Übergangsbauwerk zwischen Klassizismus und Historismus in Österreich gilt die Altlerchenfelder Pfarrkirche, bei deren Bau eine Debatte über den „richtigen Stil“ geführt wurde, was schon die Geisteshaltung des Historismus ankündigt.

Unterschiede zum Historismus

Historismus, klassizierend: Parlament in Wien

Der programmatische Schwerpunkt auf die klassische Antike unterscheidet den Klassizismus vom Historismus.

Im Gegensatz zum Klassizismus greift der Historismus auf zahlreiche andere Strömungen zurück: Neuromanik, Neugotik, Neorenaissance, Neobarock, Neorokoko. Ebenso existiert eine Neudeutung seiner selbst im Neohistorismus. Ferner findet der Klassizismus zur Wende des 19. zum 20. Jahrhundert als Neoklassizismus eine Neugeburt.

Im Historismus fehlt der Bezug auf die theoretischen Konzeptionen, wie sie etwa Vitruv und andere römische Bauforscher entwickelt haben, und die im Klassizismus als Kanon zugrundegelegt werden. Der Zugang des Historismus zur klassisch-antikisierenden Formensprache ist eklektisch (siehe → Eklektizismus) und auf formale Aspekte beschränkt.

Malerei des Klassizismus

Hauptartikel: Klassizismus (Malerei)

In der Malerei lösten sich die Künstler von dem allegorischen Programm der Barockzeit und malten Szenen aus der griechischen und römischen Antike, die oft einen „patriotischen“ Hintersinn haben. Die Konturen werden klarer und die pastose Farbgebung verschwindet zugunsten eines flächigen Farbauftrages. Die koloristischen Aspekte der Malerei traten in den Hintergrund. Auf Farbigkeit konnte ein strenger Klassizist im Prinzip auch verzichten. Eine klar überschaubare und harmonische Komposition der Figuren, ein ruhiges Zeitmaß waltet in allen Gebärden.[2]

In Illustrationen sind Umrissradierungen für den Klassizismus charakteristisch.

Architektur des Klassizismus

Die Glyptothek in München

Die Architektur des Klassizismus orientiert sich stärker als vorherige Stile an dem antiken Bauen, vornehmlich griechischen Vorbildern. Portikus und Säulenordnung sind nun häufiger anzutreffen. Anwendung findet der Stil in bürgerlichen Repräsentationsbauten, aber auch bei Bauwerken in traditionellen Bautechniken wie im Fachwerkbau. Seltener sind klassizistische Kirchen, hierbei dient der achteckige Turm der Winde oder das Pantheon als Vorbild.

Künstler des Klassizismus

Künstler, die dem Klassizismus zugeordnet werden, siehe:

  • Kategorie:Architekt des Klassizismus
  • Kategorie:Bildhauer des Klassizismus
  • Kategorie:Maler des Klassizismus

Literatur

  • Alexander Tzonis u. Liane Lefaivre: Das Klassische in der Architektur. Die Poetik einer Ordnung. Übs. a. d. Amerikanischen: Susanne Siepl. Braunschweig 1987.
  • Claude Pommerau (Hg.): L’Antiquité rêvée. Innovations et résistances au XVIIIe siècle. Paris 2010. ISBN 978-2-84278-777-6, (Ausstellungskatalog zur gleichnamigen Ausstellung im Louvre vom 2. Dez. 2010 bis 14. Feb. 2011)
  • Marc-Antoine Laugier: Manifest des Klassizismus. Nach dem Originaltitel „Essai sur L’architectur“ (1753). Zurich und München 1989. ISBN 3-7608-8124-6.
  • Martin Dönike: Pathos, Ausdruck und Bewegung. Zur Ästhetik des Weimarer Klassizismus 1796–1806, de Gruyter, Berlin 2005, ISBN 3-11-018237-8, Rezension von Reinhard Wegner online
  • R. Toman: Klassizismus und Romantik. Architektur-Skulptur-Malerei-Zeichnung. Könemann im Tandem-Verlag, 2006, ISBN 3-8331-1430-4.

Weblinks

 Commons: Klassizismus – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Johann Joachim Winckelmann: Gedanken über die Nachahmung der griechischen Werke in der Malerey und Bildhauerkunst. 2. vermehrte Auflage. Waltherische Handlung, Dresden und Leipzig 1756, S. 2
  2. Peter H. Feist: Französischer Impressionismus, S. 15-17

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