Hypermobilitätssyndrom

Hypermobilitätssyndrom
Klassifikation nach ICD-10
Q87.4 Marfan-Syndrom
Q79.6 Ehlers-Danlos-Syndrom
M24.4 Habituelle Luxation und Subluxation eines Gelenkes
ICD-10 online (WHO-Version 2011)

Einem Hypermobilitätssyndrom liegt in der Regel eine erblich bedingte Hypermobilität zugrunde. Diese muss nicht nur auf die Gelenke beschränkt sein, sondern kann auch andere Manifestationen wie Mitralklappenprolaps, schlaffe Haut, Neigung zu Knochenbrüchen, Wanderniere und Muskelschwäche umfassen.[1]

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung und Verbreitung

Vom Hypermobilitätssyndrom spricht man dann, wenn bei Betroffenen allein durch die Hypermobilität Symptome wie Schmerzen und Funktionseinschränkungen auftreten, die sonst keiner anderer Krankheit (z.B. Rheuma) zuzuordnen sind. Es ist nicht bekannt, wie viele Menschen unter dem Hypermobilitätssyndrom leiden.

Die Hypermobilität der Gelenke ist bei Kleinkindern physiologisch und variiert bei Erwachsenen je nach ethnischer Zugehörigkeit, bei den Europäern von ca. 10-15% und den Asiaten bis zu 35%. Frauen sind häufiger betroffen als Männer. Gleichzeitig können diese anatomischen Voraussetzungen auch besondere Fähigkeiten (Ballett, Eiskunstlauf, Kunstturnen, rhythmische Sportgymnastik etc.) verleihen. Aber Menschen mit überbeweglichen Gelenken ohne Symptome sind einfach nur hypermobil.

Klinische Erscheinungen/Diagnose

Die klinischen Merkmale des Hypermobilitätssyndroms sind vielfältig im Erscheinungsbild und der Ausprägung; Schmerz ist aber allen vorrangig.
Defekte Kollagene und Proteine beeinflussen den Bindegewebeaufbau und somit können Knorpel, Gelenke, Sehnen, Muskeln, Weichteile und die Haut betroffen sein. Signifikantestes äusseres Zeichen ist die Überstreckbarkeit von Gelenken. Betroffen können alle Gelenke sein, einzelne oder Gelenkgruppen.

Betroffene klagen über abnormal gehäufte Verrenkungen, Verspannungen, Sehnenansatzentzündungen, Bandscheibenvorfälle, Luxationen und Subluxationen von Gelenken und Paresen. Andere Abnormitäten sind Balance- und Koordinationsprobleme, bsd. im Zusammenhang mit unbewussten Bewegungen, das verminderte Ansprechen auf Lokalanästhetikum, Panikattacken und eben verstärktes Schmerzempfinden. Im Zusammenhang damit wurden noch nicht alle auslösenden Prozesse umfassend erforscht und verstanden.

Zur Erfassung der Hypermobilität gelten die Kriterien des Beighton- Score als das Standardmessinstrument.[2] Im Weiteren werden Familienhistorie, Schmerzempfinden und Verlauf der Erkrankung zur Diagnosesicherung eines Hypermobilitätssyndroms herangezogen. Patienten fühlen sich oft missverstanden, da diese Krankheit in dem Bewusstsein der Ärzteschaft noch nicht weit verbreitet ist und durch ihre Mannigfaltigkeit es schwer fällt, sie eindeutig zuzuordnen.

Beginn/Prognose/Therapie

Der Beginn der Beschwerden beim Hypermobilitätssyndrom variiert bei den Betroffenen und ist ebenso vielfältig wie die Symptome. Früheste Erscheinungsform ist bei Kleinkindern mit Schwierigkeiten beim Laufen lernen. Eine zweite Gruppe erlebt die ersten Probleme während der Pubertät bzw. der späten Wachstumsphase. Das späteste Auftreten wird meist in den dreißiger Jahren der Betroffenen verzeichnet, wenn nach einer Veränderung der Lebensumstände oder nach einem Unfall erste ernsthafte Symptome auftreten. Für alle gilt aber, dass die Krankheit meist einen progressiven, fortschreitenden Verlauf nimmt und nicht selten als eine Abwärtsspirale wahrgenommen wird. Zwar ist allgemein bekannt, dass Hypermobilität mit zunehmenden Alter nachlässt, nur leider ist das bei den Betroffenen nicht der Fall.

Es gibt zurzeit weder in der Ursache noch in den Symptomen eine Behandlung der Erkrankung.

Um die Lebensqualität weitgehend zu erhalten, sollten Umstände geschaffen werden, bei denen die Risikofaktoren minimiert und die stabilisierenden Muskelfunktionen gestärkt werden. Das bedeutet die Vermeidung von lang anhaltenden, ausdauernden oder sich oft wiederholenden Tätigkeiten und die parallele Muskelstärkung durch spezielle Physiotherapie. Temporäre Bandagen und Schienen können helfen, die Anforderungen von schwierigen Alltagsaufgaben zu meistern, ohne jedoch dauerhaft die Muskeln zusätzlich zu schwächen. Operationen am Muskel-Skelett-Apparat bringen meistens nicht den gewünschten Erfolg und sollten weitgehend vermieden werden.

Die Lebenserwartung ist normal, wenn man von den wenigen Fällen mit starker Gefäßbeteiligung absieht. Die Lebensqualität ist durch die auftretenden Schmerzen und Funktionseinschränkungen aber deutlich eingeschränkt.

Literatur

Dt. Ges. f. Orthopädie und orthopäd. Chirurgie + BV d. Ärzte f. Orthopädie (Hrsg.) Leitlinien der Orthopädie, Dt. Ärzte-Verlag, 2. Auflage, Köln 2002

Becker-Capeller D, MH Weber: Primary Generalized Fibromyalgia Syndrome ,Rheumatology.1994; 33: 889

Beighton score

Hasler C; Dick W (2002) Spondylolyse und Spondylolisthese im Wachstumsalter.; Spondylolysis and Spondylolisthese during growth. Der Orthopäde, Vol. 31 (1), p: 78-87

Keer, R., Grahame, R. (2003) Hypermobility Syndrome - Recognition and Management for Physiotherapists

Sachse, J. (2004) Die lokale pathologische Hypermobilität. Eine Übersicht. Manuelle Medizin, Vol. 42(1): 17-26

Schilling F, Stofft E (2003) Das Hypermobiliät-Syndrom – Übersicht und Pathologie der Kollagentextur. Osteologie, Vol 12 (4): 205-232

Virta L; Rönnemaa T (1993) The association of mild-moderate isthmic lumbar Spondylolisthese and low back pain in middle-aged patients is weak and it only occurs in women. Spine, Vol. 18 (11), p: 1496-503

Einzelnachweise
  1. Forbes C. D., e.a.: Farbatlas der inneren Medizin, FischerVerlag, 2008, S.140, ISBN 3437412124, hier online
  2. Firth H. V., e.a.: Oxford desk reference: clinical genetics, Oxford University Press, 2005, S.138, ISBN 0192628968, hier online
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