Indigo-Unruhen

Indigo-Unruhen

Die Indigo-Unruhen waren die erste erfolgreiche Bauernbewegung gegen die ausbeuterischen Methoden von europäischen Pflanzern während der britischen Kolonialherrschaft in Bengalen 1859-62. Am Ende stand 1918 die endgültige Abschaffung der ausbeuterischen Anbaupflicht von Indigo für Landpächter.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Zur Mitte des 19. Jahrhundert hatten europäische Kapitalisten („Pflanzer“) damit begonnen, im Bereich des permanent settlement, von den örtlichen Großgrundbesitzern (Zamindar) Anbaurechte mittels sogenannter Tinkathia-Pachtverträge zu erwerben und die Anbauenden (raiyat) dazu zu verpflichten 3/20stel ihres besten Landes mit der Indigopflanze (Indigofera tinctoria) zu bebauen.

Die Bauern mussten für den Erwerb des Saatguts zu verzinsende Vorschüsse durch Mittelsmänner akzeptieren, wobei betrügerische Verträge und Zinssätze von 50-500 % üblich waren. Die Pächter erhielten jedoch keinen Garantiepreis, sondern einen zur Erntezeit festgesetzten, der unter dem Marktwert lag. Problematisch war auch, dass sich Indigo nicht in die reguläre Fruchtfolge einbinden ließ. Der Farbstoff wurde in örtlichen Fabriken weiterverarbeitet.

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde das natürlich gewonnene Indigo durch aus Teer hergestellten Küpenfarbstoff, meist deutscher Produktion, immer mehr vom Markt verdrängt. Als sich für die Pflanzer (thikadari) und ihre Mittelsmänner der Verkauf von Indigo nicht mehr rentierte, verlangten sie von den Bauern „Ablöse“ (tawan) und Pachtzuschläge (sharahbeshi).

Verlauf

Die Bauern wurden in den 1850ern durch von den Pflanzern angeheuerte, bewaffnete Schlägertrupps (lathiyals) eingeschüchtert, sich regender Widerstand gewaltsam gebrochen. Der Rechtsweg war effektiv verschlossen, da die Richter (magistrate) in der Region meist selbst Pflanzer waren (1857 ernannt: 29 Pflanzer, 1 Inder).

Erste Unruhen brachen 1859 aus, nachdem der stellvertretende Magistrate Hem Chandra Kar ein offizielles Schreiben missverstand. Er ließ verkünden, dass die Polizei in Streitfällen mit Raiyats nicht eingreifen würde und dass es den Bauern freistünde zu säen, was sie wollten.

Im Dorf Govindpur im Distrikt Nadia verweigerte man 1859 die Aussaat. Pflanzer sandten am 13. September eine 100köpfige Schlägertruppe in den Ort, gegen die sich die Bauern mit den zur Verfügung stehenden einfachen Waffen (Speere, Schlagstöcke, Töpfe) wehrten. Im folgenden Frühjahr breiteten sich derartige Aktionen über ganz Bengalen aus. Die Pflanzer, in ihrer Eigenschaft als Zamindar, versuchten nun, die Bauern per Zwangsräumung zu vertreiben. Daraufhin wurde weithin die Pachtzahlung verweigert, außerdem wurden Mittelsmänner in den Dörfern boykottiert und soziale Kontakte zu ihnen eingestellt. Bis Ende 1860 kam der Indigoanbau in Bengalen praktisch vollständig zum Erliegen.

Eine Untersuchungskommission deckte bis November 1860 die schlimmsten Missbräuche auf, die in der Folgezeit gemildert wurden. Die Anbaupflicht wurde formal abgeschafft. Wucherzinsen, überhöhte Pacht u.ä. blieben jedoch weiterhin. In den nächsten Jahren kam es dann in ganz Bengalen weiterhin zu Unruhen, da den Pächtern das Eigentum an dem von ihnen bebauten Land, das ihnen unter den Bestimmungen des Act X von 1859 zugestanden hätte, durch allerlei betrügerische Maßnahmen verweigert wurde (S 54ff[1]).

20. Jahrhundert

In den Jahren 1905-08 kam es in der Gegend um Motihari und Bettiah zu gewalttätigem Aufruhr. Der Fabrikleiter Bloomfield wurde getötet. Es gab in 57 Strafsachen 277 Verurteilungen. In den nächsten Jahren beschränkte sich der Protest, nun getragen von der unteren Mittelklasse, auf Eingaben und verweigerte Steuerzahlungen (S 156[2]).

Die letzten Reste des Tinkathia wurden erst 1917/18 nach der Champaran-Kampagne (nordöstliches Bihar) Mohandas Gandhis abgeschafft. Raj Kumar Shukla hatte 1916 bei der Jahrestagung des Congress um Unterstützung gebeten. Unmittelbar nach Gandhis Ankunft im Distrikt ordnete der örtliche Commissioner seine Ausweisung an. Gandhi weigerte sich, Folge zu leisten, man ließ ihn daraufhin gewähren. Zusammen mit einigen Helfern, u.a. Rajendra Prasad, Mahadev Desai und Nahari Parikh untersuchte er die Zustände in den Dörfern, wobei 8000 Bauern befragt wurden. Zeitgleich berief die Regierung eine Untersuchungskommission ein. Auf Gandhis Vorschlag wurde den Bauern ein Viertel der Ablösen zurückgezahlt und das Tinkathia-System abgeschafft. Selbst der geringe Teilbetrag war ausreichend für die Pflanzer den Indigoanbau endgültig unattraktiv zu machen. Zehn Jahre später hatten sämtliche Pflanzer die Region verlassen (S. 178[1]).

Literatur

  • Kling, Blair B.; The Blue Mutiny: The Indigo Disturbances in Bengal 1859-62; Philadelphia 1966
  • Mishra, G.; Agrarian Problems of Permanent Settlement: A Case Study of Champaran; New Delhi 1974
  • Mitra, Din Bandhu; Neel Darpan (Theaterstück)
  • Pouchepadass, Jacques; Local leaders and the Intelligentsia in the Champara Satyagraha 1917 …; in: Contributions to Indian Sociology 1978, Nr. 8

Einzelnachweise

  1. a b Chandra, Bipan et. al.; India's Struggle for Independence; New Delhi 1989; ISBN 0-14-010781-9
  2. Sarkar, Sumit;Modern India 1885-1947; New Delhi 1983; ISBN 0-333-90425-7

Weblinks



Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Поможем написать реферат

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Indigo (Begriffsklärung) — Mit Indigo werden bezeichnet: einen Farbstoff, siehe Indigo einen Farbton, siehe Indigo (Farbe) eine Pflanze, siehe Indigopflanze ein indischer Bauernaufstand, gegen den zwangsweisen Anbau der Pflanze, waren 1860 die Indigo Unruhen in Bengalen… …   Deutsch Wikipedia

  • Indigopflanze — Blütenstände und Laubblätter einer Indigopflanze (Indigofera tinctoria) Systematik Eurosiden I Ordnung …   Deutsch Wikipedia

  • Aufstände und Revolten gegen die britische Herrschaft in Indien — Hinrichtung zweier Rebellen, 1858 Diese Liste der Aufstände und Revolten gegen die britische Herrschaft in Indien gibt die wichtigsten derartigen Ereignisse. Allein zwischen 1763 und 1856 sollen vierzig bedeutende und über 100 kleinere Aufstände… …   Deutsch Wikipedia

  • Pabna-Initiative — Die Pabna Initiative, 1873 bis 1885 ausgehend vom gleichnamigen bengalischen Distrikt, war ein Kampf um die Sicherung von Besitzrechten an Grund und Boden für landwirtschaftliche Pächter (raiyat[1]). Die Unruhen waren insofern von Bedeutung, als… …   Deutsch Wikipedia

  • Indischer Aufstand von 1857 — Indischer Aufstand von 1857 …   Deutsch Wikipedia

  • Militärkampagnen im Nordwesten Britisch-Indiens — Diese Liste der Militärkampagnen in Nordwesten Britisch Indiens stellt die wichtigsten derartigen Ereignisse dar. Die Grenzregion von Britisch Indien zu Afghanistan war immer ein Unruheherd. Bei den erwähnten Expeditionen, die bis 1907 oft auf… …   Deutsch Wikipedia

  • Lakshmipur (Distrikt) — Lakshmipur (Bengalisch: লক্ষ্মীপুর জেলা, Lakṣmīpur jelā) ist ein Verwaltungsdistrikt im südöstlichen Bangladesch, der innerhalb der Division Chittagong, der übergeordneten Verwaltungseinheit liegt. Der 1455,96 km² Fläche umfassende Distrikt… …   Deutsch Wikipedia

  • Moplah-Aufstand — Der Moplah Aufstand war ein Aufstand keralesischer Muslime, die Moplah oder Mappila genannt werden, gegen die britische Kolonialmacht im heutigen indischen Bundesstaat Kerala, der 1921–22 blutig niedergeschlagen wurde. Der Moplah Aufstand war… …   Deutsch Wikipedia

  • Nadia (Distrikt) — Distrikt Nadia Bundesstaat: Westbengalen Verwaltungssitz: Krishnanagar Fläche …   Deutsch Wikipedia

  • Bhumkal — Der Bhumkal war die siebente und letzte Aufstandsbewegung gegen die britische Kolonialherrschaft in der Region des Fürstenstaates Bastar in den „Central Provinces“, der seit 1888 unter dem Court of Wards de facto unter direkter britischer… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”