Juristischer Aktivismus

Juristischer Aktivismus

Juristischer Aktivismus (engl. judicial activism) bezeichnet die Bereitschaft eines Gerichts, neue Richtlinien zu setzen. Dieser Aktivismus zeigt sich am deutlichsten in der Schaffung neuer Richtlinien über die Rechtsauslegung.[1] Der Begriff judicial activism wurde von Arthur M. Schlesinger, Jr. (1947) geprägt, wenngleich das dahinter stehende Konzept seit Anfang des 19. Jahrhunderts Teil der juristischen Kritik ist.[2] Das Gegenteil ist die juristische Selbstbeschränkung (judicial restraint).[3]

Der Begriff wird insbesondere in der politischen Diskussion in den Vereinigten Staaten seitens der Republikaner verwendet, um politische Einmischung in die Rechtsprechung durch weite Auslegung verfassungsrechtlicher Vorschriften abzulehnen.[4] Konservative Kritik richtet sich auch gegen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs der Vereinigten Staaten.[5] Nach Auffassung der Demokraten ist juristischer Aktivismus hingegen notwendig, um Minderheiten vor einer irrationalen und diskriminierenden Mehrheitsmoral zu schützen.[6]

Die westeuropäische Justiz wurde laut Wolfgang Ismayr seit den 1980er Jahren zunehmend durch richterlichen Aktivismus politisiert. Ein Indikator des juristischen Aktivismus sei die Zunahme gerichtlicher Überprüfungen des Regierungshandelns (judicial reviews) und nicht-parlamentarischer Untersuchungsausschüsse unter Vorsitz eines hochrangigen Richters (judicial inquiries).[7] Auch in Indien hat der juristische Aktivismus seit den 1980er Jahren zugenommen.[8]

Einzelnachweise

  1. Rainer Grote, Ines Härtel, Karl-E. Hain, Thorsten I. Schmidt, Thomas Schmitz (Hrsg.): Die Ordnung der Freiheit: Festschrift für Christian Starck zum siebzigsten Geburtstag. Mohr Siebeck, 2007, ISBN 978-3-16-149166-5, S. 1069.
  2. Roger Craig Green: An Intellectual History of Judicial Activism. August 2008.
  3. Wolfgang-Uwe Friedrich: Vereinigte Staaten von Amerika. Eine politische Landeskunde. Leske + Budrich Verlag, 2000, ISBN 3-8100-2743-X, S. 74.
  4. Jens Eisfeld: Liberalismus und Konservatismus. Die US-amerikanische Diskussion um die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen durch Gerichtsurteil. Mohr Siebeck, 2006, ISBN 3-16-148996-9, S. 149.
  5. Jens Eisfeld: Liberalismus und Konservatismus. Die US-amerikanische Diskussion um die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen durch Gerichtsurteil. Mohr Siebeck, 2006, ISBN 3-16-148996-9, S. 34.
  6. Jens Eisfeld: Liberalismus und Konservatismus. Die US-amerikanische Diskussion um die Legalisierung gleichgeschlechtlicher Ehen durch Gerichtsurteil. Mohr Siebeck, 2006, ISBN 3-16-148996-9, S. 140.
  7. Wolfgang Ismayr: Gesetzgebung in Westeuropa: EU-Staaten und Europäische Union. Vs Verlag, 2008, ISBN 978-3-8100-3466-3, S. 184
  8. Christian Wagner: Das politische System Indiens: Eine Einführung. Vs Verlag, 2006, ISBN 3-531-14002-7, S. 76.

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