Karlsruher 12-Schritte-Programm

Karlsruher 12-Schritte-Programm

Das Karlsruher 12-Schritte-Programm (KZSP) ist ein Lernprogramm für den ersten Alleingang als selbstständiger Fußgänger im Straßenverkehr. Es ist ein Produkt des Karlsruher Didaktikmodells Verkehrserziehung vom Kinde aus, das im Senatsauftrag der Pädagogischen Hochschule Karlsruhe von Siegbert A. Warwitz konzipiert und bei den umfangreichen Untersuchungen zu seiner Wirksamkeit durch Mittel des Landes Baden-Württemberg unterstützt wurde.[1]

Die Fähigkeit zum selbstständigen sicheren Bewegen im Nahbereich des Elternhauses gilt als Teil der Schulreife, die mit dem Schuleintritt erreicht sein sollte. Zielgruppen sind daher die Vorschüler, die Schulanfänger und ältere behinderte Kinder. Das Anfang der neunziger Jahre entstandene, nach den örtlichen Gegebenheiten flexibel modifizierbare Lernprogramm hat sich über den gesamten deutschen Sprachraum verbreitet.

Inhaltsverzeichnis

Konzeption

Das KZSP strebt einerseits die möglichst schnelle Verselbständigung des Kindes an als bestem Garanten für die Schulwegsicherheit. Andererseits will es die Vermeidung der gefährlichen Schul-Rushhour erreichen.[2] Aus diesem Grunde wird Elternaufklärung betrieben, werden mit den Gemeinden flankierende Maßnahmen wie Fahr- oder Halteverbote im Umkreis der Schulen angestrebt sowie Schülerlotsen und Verkehrshelfer ausgebildet.

Die Durchführung des Schnellkurses zu einer Erstsicherung des Kindes erfordert nur wenige Stunden Zeitaufwand. Sie wird den Eltern als Vorbereitung auf die Einschulung dringend empfohlen und notfalls während der ersten Schulwoche von den Lehrkräften nachgeholt.[3]

Das Lernprogramm umfasst zwölf Arbeitsschritte, die mit ein bis zwei Kindern unter Anleitung durch einen sachkundigen Erwachsenen absolviert werden. Kennzeichnend ist die Methode des entdeckenden Lernens, mit der die Kinder ihre Verkehrsumwelt in einem natürlichen Lernprozess weitestgehend in eigener Regie erkunden dürfen. Die Begleitperson beschränkt sich auf das Animieren, Beraten und Schützen. Die Aufgaben stellt die Verkehrsrealität. Übungsort ist die unmittelbare häusliche Umgebung mit den Wegen zum Bäcker, zum Kindergarten, zur Schule. Das Programm will helfen, die konkreten Gefahrenmomente zu erkennen, sichere Wege zu finden und geeignete Maßnahmen zur Selbstsicherung zu treffen. Dazu werden die kritischen Verkehrsstellen mit dem Kind abgegangen, Fragen gestellt, Verhaltensregeln entworfen, Probleme durchgespielt. Das Programm bietet Kind und Betreuer Anregungen für die Gestaltung des Lernprozesses mit bebilderten Beispielszenen, mit Fragen zum Entscheiden, mit Vorschlägen zu Verhaltensalternativen und Hinweisen, die das Wahrnehmungsvermögen und das Problembewusstsein schärfen sollen. Alle Lernschritte werden mehrfach geübt. Verführungen dienen als unmittelbare Lernkontrollen.[1]

Ablauf

  • Schritt 1: befasst sich mit dem Gefahrenpotenzial und der sicheren Nutzung des Gehwegs.
  • Schritt 2: behandelt das Begehen einer nicht durch einen Gehweg schützenden Landstraße.
  • Schritt 3: setzt sich mit dem Passieren einer Straße über eine Fußgängerbrücke und einen Fußgängertunnel auseinander.
  • Schritt 4: veranschaulicht das Überqueren einer Straße mit Hilfe eines Polizisten, eines Schülerlotsen oder eines Schulweghelfers.
  • Schritt 5: hilft bei der Bedienung einer Druckampel.
  • Schritt 6: unterstützt bei der Entdeckung und Nutzung der Übergangshilfe Zebrastreifen.
  • Schritt 7: schult das Straßequeren ohne Verkehrshilfen.
  • Schritt 8: vermittelt Gefahrenbewusstsein und die Technik des Straßequerens hinter Sichthindernissen.
  • Schritt 9: zeigt, wie man gefahrenträchtige Hindernisse (parkende Autos oder Baustellen) sicher passieren kann.
  • Schritt 10: erarbeitet den Umgang mit schwierigen Wegeverhältnissen wie Eisglätte, Schnee, Dunkelheit, Nebel oder Regen.
  • Schritt 11: bemüht sich um das richtige Verhalten in Notfällen wie einem Unfall oder beim Verirren in fremder Umgebung.
  • Schritt 12: schließlich übt das selbstständige Gehen der wichtigen Gehstrecken des Kindes. Er dient gleichzeitig als praktische Lernkontrolle.[1]

Beurteilung und Einordnung

Schulwegunfälle erfordern nach der Statistik des Bundesamtes der Bundesrepublik Deutschland[4] bei Kindern die meisten Opfer. Hiervon sind wiederum die Schulanfänger am schwersten betroffen.[5].[6][7] Dieser Tatsache trägt das KZSP Rechnung. Die zwischenzeitlich über fast zwei Jahrzehnte reichenden Erfahrungswerte mit dem Programm erweisen einen stetigen Rückgang der Unfallzahlen mit Kindern. Von den an den Langzeitstudien beteiligten, mit dem Programm arbeitenden Schulen wurden in dieser Zeit keine Todesfälle und keine nennenswerten Verletzungen während des Schulwegs bekannt.

Das KZSP ist als Einstieg in das didaktische Konzept Verkehrserziehung vom Kinde aus zu verstehen. Es schafft eine Leben und Gesundheit schützende Erstsicherung des Kindes und dient damit als Basis für eine Verkehrsteilnahme des Vorschulkindes und Schulanfängers. Es wurde mit mehreren tausend Kindern unter Mithilfe von Lehrern und Lehramtsanwärtern hinsichtlich seiner Wirksamkeit evaluiert.[3][8][9] Die Gesamtkonzeption sieht eine Weiterbegleitung der kindlichen Selbsterfahrungen in aufbauenden fächerübergreifenden Lernprojekten vor.[1]

Literatur

  • Haller, M.A. (2001): Verkehrserziehung im Vorschulalter als Vorbereitung auf den Schulweg nach dem Karlsruher 12-Schritte-Programm. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS. Karlsruhe
  • Limbourg, M. (2002): Kinder unterwegs im Verkehr. Risiken und Gefahren auf Kinderwegen. In: Sache-Wort-Zahl 47 S. 9-16
  • Schneider, C.(2002): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. Praktische Überprüfung einer Methode zum sicheren Fußgänger. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS. Karlsruhe
  • Schreiber, G.(2002): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. Ein Trainingsversuch mit Schulanfängern. Wiss. Staatsexamensarbeit GHS. Karlsruhe
  • Statistisches Bundesamt (Hrsg.)(2008): Verkehrsunfälle. Kinderunfälle im Straßenverkehr 2007. Wiesbaden
  • Warwitz, S./Rudolf, A. (1977): Das Fußgängerdiplom als Vorhaben in der Eingangsstufe. In: Dies.: Projektunterricht – Didaktische Grundlagen und Modelle. Schorndorf. S. 101-113
  • Warwitz, S. (2007): Kinder im Problemfeld Schul-Rushhour. In: Sache-Wort-Zahl 86 S. 52-60
  • Warwitz, S. (2009): Sind Verkehrsunfälle ‚tragische’ Zufälle ? In: Sache-Wort-Zahl 102 S. 42-50 und 64
  • Warwitz, S. (2009): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. In: Verkehrserziehung vom Kinde aus. Wahrnehmen-Spielen-Denken-Handeln. Baltmannsweiler (Schneider). 6. Auflage. S. 190 – 215

Einzelnachweise

  1. a b c d S. Warwitz (2009): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. In: Verkehrserziehung vom Kinde aus. S. 190-215
  2. Warwitz, S. (2007): Kinder im Problemfeld Schul-Rushhour. In: Sache-Wort-Zahl 86 S. 52-60
  3. a b M.A. Haller (2001): Verkehrserziehung im Vorschulalter als Vorbereitung auf den Schulweg nach dem Karlsruher 12-Schritte-Programm. Karlsruhe
  4. Statistisches Bundesamt(Hrsg.)(2008): Verkehrsunfälle. Kinderunfälle im Straßenverkehr 2007. S.4
  5. M. Limbourg (2002): Kinder unterwegs im Verkehr. Risiken und Gefahren auf Kinderwegen. S.9-16.
  6. S. Warwitz (2007): Kinder im Problemfeld Schul-Rushhour. S. 52-60.
  7. S. Warwitz (2009): Sind Verkehrsunfälle tragische Zufälle ? S. 42-50 und 64.
  8. C. Schneider(2002): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. Praktische Überprüfung einer Methode zum sicheren Fußgänger.
  9. G. Schreiber (2002): Das Karlsruher 12-Schritte-Programm. Ein Trainingsversuch mit Schulanfängern.

Siehe auch


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