- Kein Täter werden
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Das Projekt Kein Täter werden ist ein seit 2005 bestehendes Forschungsprojekt zur Prävention von sexuellem Kindesmissbrauch im Dunkelfeld an der Charité in Berlin. Es richtet sich an Menschen mit auf Kinder gerichteten Sexualphantasien, die befürchten, sexuelle Übergriffe zu begehen, und therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen möchten.
Inhaltsverzeichnis
Geschichte
Das Forschungsprojekt „Kein Täter werden“ wurde 2005 unter der Leitung von Klaus Michael Beier ins Leben gerufen. Im Gegensatz zu bestehenden Therapieangeboten für bereits straffällig gewordene Männer, sogenannte Hellfeldtäter, entstand mit dem Berliner Projekt weltweit erstmals ein Angebot, welches sich speziell an Männer richtete, die noch nicht straffällig wurden oder Männer, die zwar straffällig wurden, jedoch nicht justizbekannt sind, sogenannte Dunkelfeldtäter.[1] Finanziert wurde das Projekt in den ersten Jahren durch die Volkswagenstiftung Hannover und durch die Opferschutzorganisation Hänsel & Gretel, seit 2008 wird es anteilig durch das Bundesjustizministerium finanziert. 2005 erhielt das Projekt den Politikaward, 2006 den Bscher-Medienpreis und 2007 den Deutschen Förderpreis Kriminalprävention.[2][3]
Seit März 2009 existiert eine Ambulanz des Projektes am Institut für Sexualmedizin in Kiel unter der Leitung von Hartmut Bosinski, seit 2010 eine Ambulanz in Regensburg und seit 2011 eine vierte Anlaufstelle am Universitätsklinikum in Leipzig.[4] Seit 2009 existiert an der Berliner Charité unter dem Namen „Kein Täter werden. Auch nicht im Netz“ ein weiteres Projekt, welches sich speziell an Konsumenten kinderpornographischer Medien richtet.[5]
Therapeutische Ansätze
Das primäre Ziel einer Therapie besteht darin, sexuelle Handlungen an Kindern zu verhindern. In Einzel- und Gruppentherapien sollen die Patienten lernen, ihre Impulse zu kontrollieren und Verhaltensmuster, die den sexuellen Missbrauch begünstigen, zu vermeiden. Weitere Ziele sind die Aufdeckung von Wahrnehmungs- und Interpretationsfehlern des Verhaltens von Kindern sowie die Stärkung der Empathiefähigkeit.[6]
Neben dem psychotherapeutischen Angebot haben die Teilnehmer die Möglichkeit triebdämpfende Medikamente (Antiandrogene) sowie Medikamente zur Verbesserung der Impulskontrolle (Antidepressiva) zu bekommen.[7]
Bei dem für die Therapie verwendeten Therapiemanual handelt es sich um eine adaptierte Version des im Hellfeld verwendeten Sex Offender Treatment Programmes.
Die Therapie hat außerdem noch folgende besondere Bestandteile:
Ampelsystem
Die Patienten sollen ein sogenanntes situationsbezogenes kognitives Ampelsystem lernen:
- Rot = Gefahr (Kinder sind in Gefahr (zum Beispiel Alleinsein mit einem Kind))
- Gelb = Vorsicht (zum Beispiel die Suche nach Kontakten zu alleinerziehenden Müttern, mit der Absicht Kontakt zu Kindern zu bekommen)
- Grün = alles ok (Kein Kind in Gefahr – der Patient ist sich seiner Neigung bewusst, und kann Gefahrensituationen bewusst vermeiden)
Die Patienten sollen lernen Situationen zu erkennen in denen sie eine Gefahr für Kinder darstellen bzw. eine Gefahr für Kinder besteht. Es sollen Situationen richtig bewertet werden. Außerdem sollen die Patienten lernen ihr Verhalten zu reflektieren bzw. lernen zu erkennen, welches Verhalten dazu führt, dass Kinder in Gefahr geraten.
Soziale Kontrollen
Die Patienten sollen lernen soziale Kontrollen zu schaffen: Die Patienten sollen mit Freunden bzw. ihrem sozialem Netzwerk über ihre Neigung sprechen. Dabei ist auch wichtig, dass die Patienten lernen zu erkennen, welche Menschen in ihrem sozialen Netzwerk sexuellen Missbrauch billigen: Diese Menschen können keine Kontrollfunktion übernehmen.
Kognitive Verzerrungen
Da Wünsche und Triebe die Wahrnehmung und das Denken stark beeinflussen können, kann es zu so genannten kognitiven Verzerrungen kommen: Sucht ein Kind beispielsweise emotionale Nähe, wird dies vom Patienten falsch interpretiert bzw. verzerrt wahrgenommen: Die Patienten neigen dazu, ihre eigenen sexuellen Wünsche in die Situation hineinzuinterpretieren. Dies führt dazu, dass die Patienten denken Kinder wollen Sex. Ziel ist es, diese Interpretationsfehler aufzudecken, und dass die Patienten erkennen, dass es nur sie selbst sind, und nicht die Kinder, die Sex wollen. Die Korrektur von kognitiven Verzerrungen und Interpretationsfehlern kann durch die sokratische Methode (sokratisches Fragen) erfolgen, durch die der Patient sein Denken in Frage stellt.
Ein weiterer Grund für kognitive Verzerrungen sind außerdem biologische bzw. biochemische Defizite und Störungen im frontalen Cortex mit pathologischem Befund. Studien belegen, dass die kognitive Verhaltenstherapie sehr gut zur Korrektur von kognitiven Defiziten geeignet ist.
Empathietraining
Ziel dieses Therapieverfahrens ist die Schaffung von Opferempathie. Dabei sollen die Patienten in Rollenspielen versuchen die Perspektive von ihren Opfern zu übernehmen. Außerdem sollen die Patienten Briefe an ihre Opfer schreiben, in denen die Patienten beispielsweise ihr Verhalten erklären sollen. Die Briefe werden am Ende bewertet. Bewertet wird z.B. auch, ob die Patienten sich ihre Neigung eingestehen können. Die Briefe werden am Ende nicht abgeschickt.
Einzelnachweise
- ↑ http://www.kein-taeter-werden.de/dasprojekt.php
- ↑ Artikel in den Potsdamer Nachrichten
- ↑ Website der Opferschutzorganisation Hänsel & Gretel
- ↑ Artikel in der Augsburger Allgemeinen
- ↑ Prävention von Kinderpornografiekonsum im Dunkelfeld
- ↑ Website des Projektes „Kein Täter werden“ an der Berliner Charité
- ↑ Artikel auf Spiegel Online
Weblinks
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