Schenkelpolmaschine

Schenkelpolmaschine

Eine Schenkelpolmaschine ist eine Drehstromsynchronmaschine, die für niedrige Drehzahlen konstruiert ist. Auf Grund ihrer Bauart stellen Schenkelpolmaschinen eine kostengünstige Ausführung von Synchronmaschinen dar. Dieser Maschinentyp ist deshalb von allen Synchronmaschinen mit elektrischer Erregung am weitesten verbreitet.

Historische Schenkelpolmaschine mit 2 MW

Inhaltsverzeichnis

Aufbau

Außenpolmaschine. U, V, und W sind die um 120°/Polpaarzahl versetzten Wicklungsstränge.
Innenpolmaschine. U, V, und W sind die um 120°/Polpaarzahl versetzten Wicklungsstränge.

Bei den Schenkelpolmaschinen unterscheidet man, je nach Wicklungsanordnung, zwischen zwei Bauarten:

  • Außenpolmaschinen: Die Außenpolmaschine ist im Aufbau einer Gleichstrommaschine sehr ähnlich. Der Magnetpol für die Erregung der Maschine befindet sich im Stator. Somit befinden sich die ausgeprägten Pole mit der Gleichstromerregerwicklung im Stator, die Drehstromwicklung ist im Rotor untergebracht. Die Polwicklungen werden zur Erhöhung des Wirkungsgrades über den gesamten Umfang des Stators aufgeteilt. Der Rotor ist aus Dynamoblechen konstruiert. Die Beaufschlagung der Wicklungen mittels Drehstrom erfolgt über Schleifringe.[1]
  • Innenpolmaschinen: Bei der Innenpolmaschine ist der Stator genauso aufgebaut wie bei der Vollpolmaschine, die Drehstromwicklungen befinden sich im Stator. Der Magnetpol für die Erregung befindet sich bei der Innenpolmaschine im Rotor. Der Rotor ist aus massivem Stahl gebaut und hat ausgeprägte Pole, auf denen sich die Erregerwicklung befindet. Auf Grund der ausgeprägten Pole ist es möglich, besonders viele Polpaare einzubauen.[2] Die Rotoren von Schenkelpolmaschinen werden wegen ihrer Bauform auch als Schenkelpolläufer oder Polrad bezeichnet.[3] Eine besondere Bauform der Innenpolmaschine ist die in Kraftfahrzeugen als Lichtmaschine eingebaute Klauenpolmaschine.[4]
Rotor einer Klauenpolmaschine

Bei größeren Maschinen wird die Innenpolbauart verwendet, da die Drehstromabnahme über Schleifringe schwieriger zu beherrschen ist.

Damit die Maschinen niedrige Drehzahlen haben, besitzen Schenkelpolmaschinen eine der Drehzahl entsprechende große Anzahl an Polpaaren. Die Anzahl der Polpaare beträgt bei diesen Maschinen mindestens 3 und maximal 50. Diese Polpaare benötigen einen entsprechend großen Platz. Aus diesem Grund haben Schenkelpolmaschinen einen großen Läuferdurchmesser, der bis zu 16 Meter betragen kann. Da das Aktivvolumen der jeweiligen Maschine vorgegeben ist, kann die Läuferlänge relativ klein sein. Bedingt dadurch können Schenkelpolmaschinen mit senkrecht zum Boden positionierter Welle betrieben werden.

Drehzahlen

Schenkelpolmaschinen werden für Drehzahlen bis maximal 1000 min-1 gebaut. Die niedrigste Drehzahl, die mit Schenkelpolmaschinen erreicht wird, liegt bei 60 min-1. Entsprechend der Drehzahl werden die Schenkelpolmaschinen unterteilt in Langsamläufer mit Drehzahlen bis 125 min-1 und Schnellläufer mit Drehzahlen, die größer sind als 125 min-1. Bei Wasserkraftgeneratoren spricht man erst ab einer Drehzahl von 250 min-1 von Schnellläufern.

Rotordimensionierung

Berechnungsgrundlagen

Rotor einer 40-poligen Schenkelpolmaschine vom Hoover-Staudamm während einer Revision.

Bei der Konstruktion des Läufers wird ein ausgewogenes Verhältnis von Ankerlänge zu Polteilung angestrebt. Dieses Verhältnis liegt bei Schenkelpolmaschinen zwischen 3 und 4½. Rechnerisch ermittelt wird das Verhältnis gemäß der Formel:

\tau_\text{p} = \frac{d \, \mathrm \cdot p\cdot \pi}{\mathrm 2}

Der maximale Läuferdurchmesser wird begrenzt durch den Mindestwert für die Trägheitskonstante

H = \frac{W_\text{kin}}{S_\text{rG}}

Diese Trägheitskonstante liegt für Langsamläufer zwischen 1,5 und 3 Ws/VA[5]

Grenzen

Werden Schenkelpolmaschinen als Langsamläufer gebaut, sind auf Grund der niedrigen Drehzahlen Rotordurchmesser von über 20 m realisierbar. Allerdings ist der Rotordurchmesser bei Schenkelpolmaschinen begrenzt, da es bei großen Läuferdurchmessern (mehrere Meter) schwierig ist, die Materialdehnung zu beherrschen. Durch die begrenzte mechanische Festigkeit des Polrades wird die Läuferumfangsgeschwindigkeit auf 70 bis 90 m/s beschränkt. Außerdem können Maschinen dieser Größenordnung nur auf der Baustelle montiert werden, da der Transport im Ganzen unmöglich ist. Bei der Frage des Transports spielt insbesondere das Gewicht des Rotors und dessen Maße eine große Rolle. Das Gewicht des Rotors wie er in Wasserkraft-Generatoren verwendet wird kann ohne weiteres 500 t betragen.

Erregung

Die Erregung erfolgt in der Regel durch Gleichstrom, die Stromzufuhr für den Rotor erfolgt über Schleifringe. Bei einigen Maschinenbauarten wird das Magnetfeld durch Permanentmagnete erzeugt. Diese Art der Erregung findet bei Innenpolmaschinen Anwendung, wenn die Maschinen im Teillastbetrieb oder bei sehr niedrigen Drehzahlen betrieben werden.[6] Mit der Gleichstromerregung wird jedoch eine bessere Regelbarkeit erzielt.

Da Schenkelpolmaschinen in Folge der ausgeprägten Erregerpole keinen konstanten Luftspalt haben, kann bei diesen Maschinen die Erregerdurchflutung um 20 % bis 30 % erhöht werden. Diese hohe Erregerdurchflutung wirkt sich insbesondere bei Maschinen mit hoher Polpaarzahl aus, wodurch sich die Leistungsdichte der Maschine erhöht und der erforderliche Materialaufwand verringert wird.[7] Für große Maschinen ist ein Erregerausfallschutz unerlässlich.

Kühlung

Bei Schenkelpolmaschinen gibt es drei Möglichkeiten zur Kühlung:

  • Luftkühlung
  • Wasserkühlung
  • Kombinierte Luft-Wasserkühlung

Die reine Luftkühlung wird nur bei kleineren Maschinen angewendet. Bei großen Maschinen im Megawattbereich wird die reine Wasserkühlung oder die kombinierte Luft-Wasserkühlung verwendet.

Betriebsverhalten

Polschuh mit inhomogenem (grün) und homogenem (orange) Luftspalt

Je nach Polpaarzahl bilden sich entlang des mechanischen Umfangs des Läufers viele mechanische Nord- und Südpole aus. Jedoch weicht selbst bei idealer Wicklung die Feldverteilung stärker von der Sinusform ab, als dies bei Vollpolmaschinen der Fall ist.

Bedingt durch die ausgeprägten Pole hat die Maschine keinen konstanten Luftspalt zwischen Rotor und Stator, sondern der Luftspalt schwankt periodisch beim Wechsel zwischen Polschuh und Zwischenraum im gesamten Maschinenumfang. Die unterschiedlichen radialen Luftspaltabstände haben einen Einfluss auf die Drehdurchflutung.[8] Dieses macht sich dadurch bemerkbar, dass die Induktivität einer Wicklung Lq, die einer Pollücke gegenübersteht, deutlich kleiner ist als die Induktivität Ld einer Wicklung, die einem Pol gegenüber steht.[9]

Deshalb weist das Rotorfeld der Schenkelpolmaschine eine magnetische Unsymmetrie auf, welche sehr ausgeprägt ist. Insbesondere unter Last kommt es zur Zahn- und Rotorpolsättigung. Als Folge davon kommt es in den Drehstromwicklungen zu Verlusten. Diese Verluste werden als Löwenherzverluste (Längsfeld-Verluste) bezeichnet. Ursache für die Löwenherzverluste ist das Zahnentlastungsfeld. Außerdem tritt beim Wechsel vom Leerlauf zur Nutzlast eine starke Erhöhung der Induktion auf – allerdings nur an der Seite des Polschuhes, an welcher die Drehmomentbildende Kraft angreift. Durch asymmetrische Polschuhe wird die Induktion über den gesamten Polschuh gleichmäßig verteilt und die Verluste in den Drehstromwicklungen werden verringert.[10]

Ohne Gleichstromerregung entwickelt die Schenkelpolmaschine das Reaktionsmoment MR. Mit dem Reaktionsmoment, das etwa 25 % des Gesamtmoments der Maschine ausmacht, kann die Maschine als Motor belastet werden. Die Kenntnis dieses Moments nutzt man bei der Konstruktion von Reluktanzmotoren aus.[11]

Verwendung

Schenkelpolgeneratoren des Hoover-Staudamms

Schenkelpolmaschinen können als Motor und auch als Generator eingesetzt werden. Für den reinen Motorbetrieb werden nur kleine Maschinen verwendet. Bei einigen Einsatzbereichen wie z.B. in Pumpspeicherkraftwerken werden sie sowohl als Generator als auch als Motor für den Pumpbetrieb eingesetzt. Der häufigste Einsatz ist als Synchrongenerator mit niedertourigen Antriebsmaschinen.

Beispiele für Antriebsmaschinen:

  • Kolbenkraftmaschinen, wie z.B. Schiffsdiesel
  • Wasserturbinen
  • Windkrafträder

Der Polradwinkel, der etwas kleiner als bei Vollpolmaschinen ist, erreicht im Nennbetrieb einen Wert von 20° bis 25°.

Einheitenleistung

Die Leistung von Schenkelpolmaschinen hat sich innerhalb von 75 Jahren mehr als verhundertfacht. Während im Jahr 1903 die größte eingebaute Schenkelpolmaschine eine Leistung von 6,25 MVA hatte, beträgt die Leistung des Generators, der 1978 im Itaipú-Staudamm eingebaut wurde, 824 MVA. Nach 1978 wurden die Baugrößen bei Schenkelpolmaschinen nur noch unwesentlich erhöht.

Im Krafthaus Nr. 3 der Grand-Coulee-Talsperre am Columbia River ist zurzeit die größte Schenkelpolmaschine eingebaut. Sie hat eine Leistung von 825 MVA und eine Drehzahl von 85,71 min-1. In Pumpspeicherwerken haben die dort eingesetzten Motor-Generatoren maximal eine Leistung von 448 MVA. Bei den meisten Neuanlagen werden anstatt großer Einzelgeneratoren mehrere mittelgroße Generatoren mit Leistungen bis 300 MVA eingebaut.[12]

Einzelnachweise

  1. J. Podlewski: Angewandte Elektronik Teil6 Elektrische Maschinen. TFH Berlin
  2. Schenkelpol-Synchronmaschine
  3. A. Senner: Fachkunde Elektrotechnik. 4.Auflage. Verlag Europa-Lehrmittel, 1965
  4. Bosch Technische Unterrichtung Generatoren. 1. Ausgabe, Robert Bosch GmbH, Stuttgart, 1974, VDT-UBE 301/1 De (1.80)
  5. Universität Hannover: Elektrische Energieversorgung Skript Generatoren
  6. Eigenschaften PM-erregter Schenkelpol-Synchronmaschinen
  7. W.R. Canders: Betriebsverhalten der Schenkelpolmaschine
  8. Bernd Aschendorf: Elektrische Maschinen. Fachhochschule Dortmund
  9. Technische Universität Berlin: Fakultät IV- Elektrotechnik und Informatik. Skript zur Vorlesung Elektrische Maschinen.
  10. Patent DE10121022A1 07.11.2002: Schenkelpol-Synchronmaschine. Voith Siemens Hydro Power Generation GmbH & Co. KG
  11. G. Schenke: Elektrische Netze und Maschinen. 7. Synchronmaschinen FB Technik, Abt. E+I
  12. Ali Farschtschi: Elektromaschinen in Theorie und Praxis. 1. Auflage, VDE-Verlag GmbH, Berlin und Offenbach 2001, ISBN 3-8007-2563-0

Literatur

  • Detlev Roseburg: Elektrische Maschinen und Antriebe. 1. Auflage, Fachbuchverlag Leipzig im Carl Hanser Verlag, Wien 1999, ISBN 3-446-21004-0
  • Dierk Schröder: Elektrische Antriebe – Regelung von Antriebssystemen. 3. Auflage, Springerverlag, Berlin Heidelberg 2009, ISBN 3-540-89612-0

Weblinks


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