- Kleine Christliche Gemeinschaften
-
In der katholischen Kirche im deutschsprachigen Raum bezeichnet der Begriff Kleine Christliche Gemeinschaften (KCG) ein inhaltlich-pastorales und gleichzeitig strukturell-organisatorisches Modell von kirchlichem Leben in einer Pfarrei.
Was sind Kleine Christliche Gemeinschaften?
Dieses Modell versucht die Kirchenvision des II. Vatikanischen Konzils zu verwirklichen: Kirche ist Volk Gottes auf dem Weg, in dem jede(r) Getaufte und Gefirmte Träger des Heiligen Geistes und als Teil dieser Kirche berufen und begabt ist. Der Name Kleine Christliche Gemeinschaften rührt her von den für dieses Modell zentralen nachbarschaftlich organisierten Gruppen, die eine Substruktur der Pfarrei bilden. Diese neue Art Kirche zu sein hat folgende Elemente:
-
- Gemeinschaft: Regelmäßige Treffen, normalerweise in Privatwohnungen im Bereich der Nachbarschaft/des sozialen Nahraums/ der Siedlung/des Dorfes.
- Spiritualität: Gemeinsames Gebet und Bibel-Teilen als liturgische Feier der Gegenwart Jesu im Wort der Schrift und in der Gemeinschaft.
- Handeln: Soziales und kirchliches Handeln sind integriert; mit Hilfe des Wortes Gottes entdeckt die Gruppe ihre Sendung und nimmt Aufgaben wahr für ihren konkreten Lebensraum und für die Pfarrei, zu der sie gehört.
- Kirche: Vernetzung mit der Pfarrei und damit mit der gesamten Kirche: durch konkrete Vernetzungsstrukturen (Treffen der Gruppenleiter mit der Pfarreileitung) ist die Kleine Christliche Gemeinschaft mit der Kirche verbunden
- Leitung: Leitung wird sowohl in den Kleinen Christlichen Gemeinschaften als auch in der Pfarrei nicht dominierend, sondern partizipativ und die Menschen stärkend und inspirierend wahrgenommen.
Woher kommen Kleine Christliche Gemeinschaften?
Das pastorale Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften ist nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zeitgleich in Asien (besonders Philippinen), Afrika (Ostafrika und Südafrika) und in Lateinamerika entstanden. Die Gruppen werden dort auch Kirchliche Basisgemeinschaften genannt.
Kleine Christliche Gemeinschaften bzw. Kirchliche Basisgemeinschaften sind heute in der katholischen Kirche in fast allen Ländern der Welt verbreitet. Regional sind konzeptionelle Unterschiede vorhanden, die entwicklungs- und kulturbedingt sind.
Das sich in Deutschland seit ca. dem Jahr 2000 entwickelnde Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften ist stark geprägt von Entwicklungen und Erfahrungen in Asien sowie im südlichen und östlichen Afrika seit Beginn der 1970er Jahre. In Afrika wurde das Modell wesentlich vom Pastoralinstitut der südafrikanischen Bischofskonferenz in Lumko entwickelt und geprägt. In Asien wurde aus Erfahrungen z. B. in den Philippinen sowie mithilfe von Lumko ab 1990 im Auftrag der Föderation der asiatischen Bischofskonferenzen (FABC) der Asiatische Integrale Pastorale Ansatz (Asian Integral pastoral Approach – AsIPA) entwickelt. Beteiligt hieran waren das katholische Pastoralinstitut in Singapur sowie eine Reihe anderer katholischer Einrichtungen, Experten und Diözesen in Asien.
Die Vorbereitung dieses Kirchenmodells in Deutschland wurde stark gefördert durch das Internationale Katholische Missionswerk missio in Aachen und München, das die Entwicklung dieses pastoralen Ansatzes in Afrika und Asien seit über 30 Jahren finanziell unterstützt hatte.
Worin unterscheiden sich Kleine Christliche Gemeinschaften von geistlichen Bewegungen?
In der katholischen Kirche gibt es eine Vielzahl von geistlichen Bewegungen, die jeweils eine bestimmte Weise der Spiritualität pflegen. Die geistlichen Gemeinschaften sind überpfarrlich organisiert.
Kleine Christliche Gemeinschaften gehören nicht zu den Neuen Geistlichen Bewegungen in der katholischen Kirche. Sie sind eine Untergliederung der Ortspfarrei. Die Pfarrei ist in der katholischen Kirche ein geografischer, pastoraler Raum, der sich je nach Land oder Region unterschiedlich strukturiert und unterschiedlich groß sein kann. Im Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften treffen sich Mitglieder der Pfarrei in ihrem geografischen Nahraum (Nachbarschaft, Stadtteil, Siedlung. Dorf) regelmäßig in Privatwohnungen, um ihr liturgisches und gemeindliches Leben zu praktizieren. Dabei übernehmen sie Aufgaben im sozialen und im kirchlichen Bereich für ihren konkreten Raum.
Kleine Christliche Gemeinschaften folgen nicht einer spirituellen Grundrichtung wie geistliche Bewegungen, sondern bleiben pfarreibezogen und damit auch offen für alle Mitglieder der Pfarrei, in dem jeweils konkreten Teil der Pfarrei. Je nach Größe der Pfarrei kann es in ihr bis zu 300 Kleinen Christlichen Gemeinschaften in ihr geben. In Deutschland ist die Zahl der Kleinen Christlichen Gemeinschaften in den Pfarreien, die auf dem Weg dieses pastoralen Ansatzes sind, bisher geringer.
Welche Ziele verfolgen Kleine Christliche Gemeinschaften?
Hauptziel der Kleinen Christlichen Gemeinschaften ist die möglichst große Partizipation der Gläubigen am Vollzug des kirchlichen Lebens. Die Gläubigen sind die Subjekte des kirchlichen Lebens und können durch die Kleinen Christlichen Gemeinschaften intensiver und näher bei den Menschen als Kirche leben und ihre Sendung für diese Menschen entdecken und in soziale und kirchliche Handlungen umsetzen. Priester und Hauptamtliche in der Pfarrei unterstützen die Mitglieder der Kleinen Christlichen Gemeinschaften indem sie Leitung wahrnehmen als Dienst an der Einheit und Leiter und Mitglieder der Gruppen für ihren Dienst an den Menschen schulen.
Durch die Kleinen Christlichen Gemeinschaften soll die Kirche in den Nachbarschaften, Dörfern, Siedlungen und Quartieren lebendig sein und den Menschen, die dort leben, dienen.
Entwicklung der Kleinen Christlichen Gemeinschaften in Deutschland
Seit dem Jahr 2000 gibt es angestoßen und unterstützt vom internationalen katholischen Missionswerk Missio eine kontinuierliche Entwicklung des pastoralen Modells der Kleinen Christlichen Gemeinschaften in Deutschland. In verschiedenen deutschen Diözesen haben Pfarreien begonnen, im Sinne des Ansatzes der Kleinen Christlichen Gemeinschaften zu leben, solche Gruppen aufzubauen und so das Gemeindeleben lebendiger zu machen (z. B. die Diözesen Hildesheim, Hamburg, Osnabrück, Würzburg, Augsburg, Eichstätt, aber auch Zürich und Basel in der Schweiz). Fast überall befindet sich die Entwicklung von Kleinen Christlichen Gemeinschaften noch am Anfang. Es sind Pilotprojekte, die von den Ordinariaten und Seelsorgeämtern begleitet werden. Eine Delegation der Deutschen Bischofskonferenz hat im April 2009 eine Studienreise nach Südkorea unternommen, um dort das pastorale Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften näher kennenzulernen. Allein in der Erzdiözese Seoul existieren 20.000 Kleine Christliche Gemeinschaften mit ca. 250.000 Mitgliedern.
Seit 2004 haben sich Mitarbeitende an der Entwicklung von Kleinen Christlichen Gemeinschaften aus verschiedenen deutschen Diözesen vernetzt und es wurde das „Nationalteam Kleine Christliche Gemeinschaften in Deutschland“ gebildet, das die Entwicklung sowie Kurse und Veranstaltungen koordiniert. Neben jährlichen Vernetzungstreffen fanden bisher in 2006, 2008 und 2010 internationale wissenschaftliche Symposien statt, deren Ergebnisse zum Teil auch in Buchform vorliegen. Das Nationalteam gestaltet und pflegt als Informations- und Kommunikationsplattform die Webseite http://www.kcg-net.de.
Veröffentlichungen
- Oswald Hirmer, Georg Steins: Gemeinschaft im Wort. Werkbuch zum Bibel Teilen, München 1999
- Norbert Nagler: Spiritualität und Gemeindebildung – eine neue Art Kirche zu sein, In: “Lebendige Seelsorge“, Heft 4/2005
- Dieter Tewes: Kirche in der Nachbarschaft – Von AsIPA zu Kleinen Christlichen Gemeinschaften. In: „Lebendige Seelsorge“, Heft 4/2005
- Klaus Vellguth: Eine neue Art Kirche zu sein, Entstehung und Verbreitung der Kleinen Christlichen Gemeinschaften und des Bibel Teilens in Afrika und Asien, Freiburger Theologische Studien, Freiburg 2005
- Bernd Lutz: Kleine Christliche Gemeinschaften – ein weltweites aber sehr heterogenes Phänomen. In: Pastoraltheologische Informationen, Heft 1/2006
- Alexander Foitzik: Kirche in der Nachbarschaft. Weltkirchliche Impulse zur Gemeindeerneuerung. In: Herder Korrespondenz 9/2006
- Oswald Hirmer: Kleine Christliche Gemeinschaften – ein starkes Werkzeug zur inneren Reform der Kirche. In: Anzeiger für die Seelsorge, 9/2006
- Matthias Kaune/Christian Hennecke: Mehr als Bibel teilen. Auf dem Weg zu einer „Kirche in der Nachbarschaft“ im Bistum Hildesheim. In: Anzeiger für die Seelsorge 9/2006
- Simone Rappel: Eine neue Art Kirche zu sein, Pastoral aus Afrika und Asien – eine Inspiration für Deutschland? In: Anzeiger für die Seelsorge 9/2006
- Dieter Tewes: Damit die Kirche vor Ort lebendig bleibt. Kleine Christliche Gemeinschaften im Gemeindeverbund. In: Anzeiger für die Seelsorge, 9/2006
- Josef Schäfers: Kleine Christliche Gemeinschaften hierzulande. Berichte von einem Symposium. In: Diakonia 3/2007
- Bernhard Spielberg: Importware oder Impulsgeber? Was steckt hinter dem Asian Integral Pastoral Approach? In: Diakonia 3/2007
- Kleine Christliche Gemeinschaften – ein neuer Weg, Kirche mit den Menschen zu sein. Ziele – Entwicklungsstand – Grundsätze. Grundsatztexte zum pastoralen Modell der Kleinen Christlichen Gemeinschaften in Deutschland, hrsg. vom Nationalteam KCG Deutschland, 1. April 2008
- Christian Hennecke (Hg.): Kleine Christliche Gemeinschaften verstehen, Würzburg, 2009
- Alexander Foitzik: Neue Formen gemeindlichen Lebens – ein Gespräch mit Regens Christian Hennecke über Kirchenbilder. In: Herder Korrespondenz 4/2010
Weblinks
-
Wikimedia Foundation.