Martinskirche (Neckartailfingen)

Martinskirche (Neckartailfingen)
Außenansicht von Süden

Die Martinskirche in Neckartailfingen bei Nürtingen ist 900 Jahre alt und mit ihrem schiefen Turm das Wahrzeichen der Gemeinde.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Aus dem Patrozinium des heiligen Martin von Tours kann geschlossen werden, dass bereits seit dem 7. oder 8. Jahrhundert an der Stelle der heutigen Kirche ein Vorgängerbau stand. Erstmals urkundlich erwähnt wird die Kirche im codex hirsaugiensis, als um 1090 die Grafen Kuno und Liutold von Achalm die Hälfte der Kirche und weiteren Besitz in der Umgebung dem Kloster Hirsau schenkten. Die heutige Martinskirche wurde Anfang des 12. Jahrhunderts als romanische, dreischiffige Säulenbasilika unter dem Verwalter des geschenkten Guts, dem Hirsauer Abt Bruno gebaut.

Durch gründliche dendrochronologische Untersuchungen des Dachgebälks wurde 1996 festgestellt, dass das Holz im Winter 1110/11 und im Frühjahr 1111 gefällt und saftfrisch verbaut wurde.[1] Damit konnte die Fertigstellung zumindest des Rohbaus der Kirche eindeutig auf das Jahr 1111 bestimmt werden.

Baubeschreibung

Die romanische Säulenbasilika aus Stubensandstein ist die älteste Kirche in der Umgebung. Sie wird im Innern geprägt durch ein hohes, schmales Mittelschiff mit vier Langhausjochen aus schlichten, massiven Säulen, die auch durch die schlichten koppelschildbesetzten Würfelkapitelle den Einfluss der Hirsauer Bauschule verraten. Alle drei Apsiden im Osten haben einen tonnengewölbten Vorchor, der aber nach außen rechtwinklig abschließt. Im Westen war ursprüngliche eine Doppelturmfassade geplant und wohl auch gebaut, von der nur die Turmstümpfe und eine tonnengewölbte Vorhalle (Paradies) dazwischen erhalten sind. Der über 500 Jahre alte spätgotische Turm wurde später vor die ursprünglich offene Vorhalle gebaut. Er irritiert durch seine deutlich schiefe Stellung.

Der schiefe Turm von Neckartailfingen

Um 1470 erfolgte eine spätgotische Erneuerung des Portals am südlichen Seitenschiff, das eine Vorhalle erhielt und Vergrößerung der Fenster auf der Südseite.

Neben den Mauern und den Balken stammen auch große Teile der Dachziegel noch aus der Bauzeit von 1111. Daher sprechen die Gebäudeforscher Ulrich Knapp und Tilmann Marstaller vom "ältesten Dach Süddeutschlands".

Für das Jubiläumsjahr 2011 wurden die Außenseite und der Turm im Jahr 2009 gründlich renoviert. Dabei wurden sämtliche Bemalungsreste aus früheren Jahrhunderten restauratorisch gesichert.

Der Kirchturm

Der spätgotische Kirchturm wurde erst 1501 vor die Westfassade gestellt. Schon beim Bau des Turms begann er sich, wegen des Untergrunds aus Knollenmergel zu neigen. Auf halber Höhe richteten die Maurer die Steinreihen anders aus. Deshalb neigt sich der Turm in zwei Richtungen: 1,02 Meter nach Westen und 82 Zentimeter nach Süden. Die Ecke hängt sogar mehr als 1,30 Meter weit über. Durch aufwändige Messungen wird regelmäßig die Stabilität des Baus überprüft. Zwei Glocken des Turms stammen noch aus dessen Bauzeit (1503 und 1505).[2] Der stählerne Glockenstuhl von 1963 wurde 2009 durch einen eichenen ersetzt, zwei beschädigte Glocken wurden geschweißt, alle vier Glocken (e´ von 1503/g´ von 1505/a´ von 1953/c´´ von 1963) neu aufgehängt. Der Mittelteil des mittelalterlichen Glockenstuhls ist heute in der gotischen Turmhalle aufgestellt.

Fresken

In den Apsiden und in der Vorhalle finden sich mittelalterliche Wandmalereien aus den Jahren um 1300.

  • In der Hauptapsis: Christus Pantokrator mit Evangelisten, St. Martin, eine Schutzmantelmadonna, Seitenfries "Schöpfung, Fall und Erlösung", Anbetung der Weisen, Auferstehung.
  • In der Nikolauskapelle (stark umgebaut) im nördl. Seitenschiff: St. Nikolaus, Ausgießung des Hl. Geistes.
  • In der Maria-Magdalenen-Kapelle (Südchor): Himmelfahrt, Maria Magdalena salbt Jesus die Füße.
  • Auf dem Tympanon der Vorhalle: Der Weltenrichter zwischen Maria und Johannes, auf der Südseite der Vorhalle die Hölle, auf der Nordseite das himmlische Jerusalem mit dem Erzengel Michael und dem Kirchenpatron Martin.
  • Drei Stifter-Inschriften innen. Mehrere Begräbnisinschriften auf der Außenseite, da der Kirchhof bis Mitte des 19. Jahrhunderts auch Friedhof war.

Literatur

  • Ernst Adam: Baukunst der Stauferzeit, S. 148, ISBN 3-8112-0700-8
  • Albert Lauffer, Pfarrer: Die Martinskirche und die Gemeinde in Neckartailfingen, Neckartailfingen 1961
  • Christoph Drüppel und Anita Raith: Geschichte der Gemeinde Neckartailfingen. Neckartailfingen 2000, ISBN 3-00-006512-1
  • Gabriele Grassegger u.a.(Hg), Neue Natursteinrestaurierungsergebnisse und messtechnische Erfassungen 26.März 2010, S.105-118, ISBN 978-3-8167-8254-4
  • Arbeitskreis für Hausforschung, Regionalgruppe Ba-Wü, Dr.Stefan Uhl (Hg.), Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung, Bd.4/1999, S.19-42, ISBN 3-927714-41-0
  • Schnell, Kunstführer Nr. 2444: Martinskirche Neckartailfingen, ISBN 3-7954-6314-9

Weblinks

 Commons: Martinskirche (Neckartailfingen) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Hans-Jürgen Bleyer vom Arbeitskreis für Hausforschung in: Südwestdeutsche Beiträge zur historischen Bauforschung, Bd.4/1999, S.19-31
  2. http://www.morgenweb.de/service/archiv/artikel/683794983.html Joachim Rüeck im Mannheimer Morgen vom 11. September 2009
48.6127159.263652

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