Maya Nadig

Maya Nadig

Maya Nadig (* 1946 in der Schweiz) ist eine Schweizer Kulturanthropologin und Ethnopsychoanalytikerin. Sie ist seit 1991 Professorin für Ethnologie und Ethnopsychoanalyse an der Universität Bremen.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Nadig studierte zunächst Französisch, Deutsch und Geschichte in Lausanne, München und Zürich und beendete dieses Studium in Zürich als Sekundarlehrerin. Daran schloss sie ein Studium der klinischen Psychologie und Ethnologie an. Sie promovierte 1983 am Ethnologischen Institut in Zürich.

Sie war als Lehrbeauftragte und Assistentin am Ethnologischen Institut in Zürich und anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Soziologie der Universität Frankfurt tätig. Ihre psychoanalytische Ausbildung absolvierte sie am Psychoanalytischen Seminar Zürich und später in Bremen. Seit 2009 ist sie Mitglied der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung (dpv) und der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (ipv).

Arbeitsschwerpunkte

Die Forschungsarbeiten befassen sich mit Ethnopsychoanalyse, postkolonialen Kulturtheorien, Migration, Transkulturalität und Identitätsformationen im Kontext der Globalisierung. Sie entwickelte die ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt als Methode zur Auswertung in der Feldforschung gewonnener Daten. Die Art des Gesprächs, die in der Ethnopsychoanalyse eingesetzt wird, bezeichnet sie als „selbstreflexive Gespräche“.[1][2] Ihr Forschungsansatz basiert auf Arbeiten von Georges Devereux sowie von Paul Parin, Goldy Parin-Matthèy und Fritz Morgenthaler, welche als Begründer der Ethnopsychoanalyse gelten.[3] Nadigs Arbeit ist zugleich im Bereich der Ethnologie, der Psychoanalyse und der feministischen Sozialwissenschaft lokalisiert.[4][5] Der ethnopsychoanalytische Ansatz von Nadig ist dadurch geprägt, dass er die Subjektivität des Forschers ausdrücklich mit in die Untersuchungen einbezieht. Nadig entwickelte zur Auswertung der im Feld gewonnenen Daten die ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt. Die wichtigste Datenquelle des Materials aus der Feldforschung ist für Maya Nadig das eigene Erleben des Forschers, der den Forschungsprozess in teilnehmender Beobachtung betrachtet. Das Erleben des Forschers wird in Form von unveränderten Tagebucheinträgen und Aufzeichnungen von Gesprächen mit der psychoanalytischen Tiefenhermeneutik aufgrund der Analyse von Übertragung und Gegenübertragung analysiert und erst in einem zweiten Schritt mit den kulturellen und ökonomischen Lebensbedingungen der erforschten Personen in Bezug gebracht. Dadurch sind psychoanalytische Rückschlüsse auf das subjektive Erleben dieser Gegebenheiten und die Auswirkungen auf die Individuen möglich.

Ihre Arbeit konzentrieren sich vorrangig auf Kulturen in Mexiko, Italien, der Schweiz und Deutschland [6] und befasst sich insbesondere mit der Kultur und der Situation der Frau. Nadig führte zahlreiche vergleichende Studien zu bäuerlichen und industrialisierten Gesellschaften durch. Sie untersuchte unter Anderem die kulturelle Konstruktion des Mutterbildes bei den Mayas in Yukatan.

Durch vergleichende Feldforschung untersuchte sie die Lebensumstände und den kulturellen Raum von Frauen. Nadig stellt den Übergang zum Mutter-Sein in bäuerlichen Gesellschaften ein soziales Ereignis dar, das von Übergangsritualen begleitet ist und von dem der Vater nicht ausgeschlossen wird. Die Arbeit von Frauen finde in einer Subkultur mit eigenständigen Formen sozialer Kontrolle statt. Laut den Ergebnissen ihrer Studien vergrößert die Mutterschaft in ländlichen Gesellschaftsformen in Mexiko wie auch in der Schweiz den Bewegungsraum der Frau innerhalb der jeweiligen Subkultur. In industriellen Gesellschaften hingegen sieht Nadig diesen Übergang weitgehend als eine individuell zu erbringende Leistung der einzelnen Frau, wobei die Frau durch die Mutterschaft meist an Bewegungsraum verliere, stärker isoliert werde und sich in der Regel in Abhängigkeit des Ehemannes beziehungsweise des Vaters des Kindes begebe. Zugleich würden aber soziale Rollenvorgaben weniger stark eingefordert.[7][8]

Seit 2010 forscht Nadig zusammen mit Wolfgang Hekele bei den Mosou in China. Schwerpunkt der Untersuchung ist die Matrilinearität (verwandtschaftlichen Verhältnisse) dieser Kultur.

Literatur

  • Nadig, Maya: Die verborgene Kultur der Frau. Frankfurt/M.: Fischer 1986/1997)
  • Nadig, Maya: Interkulturalität im Prozess – Ethnopsychoanalyse und Feldforschung als methodischer und theoretischer Übergangsraum. In: Lahme-Gronostaj, H., Leuzinger-Bohleber, M. (Hg.): Identität und Differenz. Zur Psychoanalyse des Geschlechterverhältnisses in der Spätmoderne. Opladen: Westdeutscher Verlag, 2000, 87-101
  • Nadig, Maya: Transculturality in Process. Theoretical and Methodological Aspects drawn from Cultural Studies and Psychoanalysis. In: Sandkühler, Hans Jörg; Lim, Hong-Bin (eds.) Transculturality, Epistemology, Ethics, and Politics. Frankfurt am Main: Lang, 2004, S. 9-21.
  • Nadig, Maya: Einführung in eine ethnopsychoanalytische Deutungswerkstatt mit Beiträgen von vier Psychoanalytikern zu Kulturschock und Chaos. Tagungsband der Deutschen Psychoanalytischen Vereinigung zur Herbsttagung 2008 in Bad Homburg. Berlin: Deutsche Psychoanalytische Vereinigung, 2009 (Tagungsband, unveröffentlicht),

Weblinks

  • Maya Nadig. In: Psychoanalytikerinnen. Biografisches Lexikon
  • Maya Nadig im Interview mit Wolfgang Hegener. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Band 5, Nr. 3, Artikel 36. September 2004, abgerufen am 19. September 2009.
  • Maya Nadig: Körpererfahrung im Wahrnehmungsprozess: Transkulturelle (Re)Konstruktionen in Übergangsräumen. In: Judith Schlehe (Hrsg.), Zwischen den Kulturen - zwischen den Geschlechtern: Kulturkontakte und Genderkonstrukte, Waxmann, ISBN 3-89325-938-4, 2000, S. 37–51

Einzelnachweise

  1. Christina Kayales: Gottesbilder von Frauen auf den Philippinen: Die Bedeutung der Subjektivität für eine interkulturelle Hermeneutik, 1998, ISBN 3-8258-3700-9. S. 101
  2. Constanze Thierfelder: Durch den Spiegel der anderen: Wahrnehmung von Fremdheit und Differenz in Seelsorge und Beratung, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525-62394-7. S. 115
  3. Constanze Thierfelder: Durch den Spiegel der anderen: Wahrnehmung von Fremdheit und Differenz in Seelsorge und Beratung, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525-62394-7. S. 109
  4. Christina Kayales: Gottesbilder von Frauen auf den Philippinen: Die Bedeutung der Subjektivität für eine interkulturelle Hermeneutik, 1998, ISBN 3-8258-3700-9. S. 86 ff.
  5. Constanze Thierfelder: Durch den Spiegel der anderen: Wahrnehmung von Fremdheit und Differenz in Seelsorge und Beratung, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525-62394-7. S. 110
  6. Personen: Maya Nadig. Universität Bremen, Institut für Kulturwissenschaft, abgerufen am 19. September 2009.
  7. Leonie Herwartz-Emden: Mutterschaft und weibliches Selbstkonzept: Eine interkulturell vergleichende Untersuchung, Juventa, 1995, ISBN 3-7799-0875-1. S. 22
  8. Constanze Thierfelder: Durch den Spiegel der anderen: Wahrnehmung von Fremdheit und Differenz in Seelsorge und Beratung, Vandenhoeck & Ruprecht, ISBN 9783525-62394-7. S. 122 ff.

Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Nadig — ist der Familienname folgender Personen: Adolf Nadig (1877 1960), Schweizer Politiker (FDP), Unternehmer, Naturforscher und Naturschützer Friederike Nadig (1897–1970), deutsche Politikerin (SPD) und eine der vier „Mütter des Grundgesetzes“… …   Deutsch Wikipedia

  • George Devereux — (born Dobó György on 13 September 1908 mdash; 28 May 1985) was an ethnologist and psychoanalyst. He was one of the pioneers of ethnopsychoanalysis.BiographyDevereux was born Lugoj in the Banat, now in Romania and then part of Austria Hungary.… …   Wikipedia

  • Ethnopsychoanalyse — ist eine Wissenschaft, die Psychoanalyse und Ethnologie berücksichtigt und ergänzt. Durch die Auseinandersetzung des Ethnopsychoanalytikers mit zwei komplementären Disziplinen kann er sich in der Ausübung beider verbessern und tiefere Einblicke… …   Deutsch Wikipedia

  • Georges Devereux — (* 13. September 1908 in Lugos im Banat, in Rumänien als György Dobó; † 28. Mai 1985) war ein Ethnologe und Psychoanalytiker. Neben Fritz Morgenthaler ist Devereux einer der Pioniere der Ethnopsychoanalyse und Verfasser von über 400… …   Deutsch Wikipedia

  • Margarete Mitscherlich — Nielsen, geb. Nielsen (* 17. Juli 1917 in Gravenstein), ist eine Psychoanalytikerin, Medizinerin und die Autorin zahlreicher Bücher. Die Tochter eines dänischen Arztes und einer deutschen Lehrerin studierte nach dem Abitur in Flensburg Medizin… …   Deutsch Wikipedia

  • Paul Parin — (* 20. September 1916 in Polzela, Österreich Ungarn, heute Slowenien; † 18. Mai 2009 in Zürich) war ein Schweizer Psychoanalytiker, Ethnologe und Schriftsteller slowenischer Abstammung …   Deutsch Wikipedia

  • Psychoanalytisches Seminar Zürich — Das Psychoanalytische Seminar Zürich (PSZ) ist ein Ausbildungsinstitut für freudsche Psychoanalyse in der Schweiz und ist national und international anerkannt. Es bietet Ausbildungen an in Psychoanalyse für Erwachsene sowie für Kinder und… …   Deutsch Wikipedia

  • Georges Devereux — (1908 1985) est un psychanalyste et anthropologue franco américain, à l origine juif de Banat, en Roumanie, qui fut un des parents de l ethnopsychanalyse. Sommaire 1 Biographie 2 Influence …   Wikipédia en Français

  • List of Swiss people — This is a list of notable Swiss people. See also: Swiss (people)Architecture*Francesco Borromini (1599 1667), architect in Italy *Mario Botta (born 1943), architect *Le Corbusier ( Charles Edouard Jeanneret ), (1887 1965), architect *Albert Frey… …   Wikipedia

  • Liste der olympischen Medaillengewinner aus der Schweiz — SUI Zurück zu Olympische Geschichte der Schweiz Insgesamt haben 458 Sportler aus der Schweiz 308 Medaillen gewonnen (89 Gold, 108 Silber, 111 Bronze) …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”