Mesechtiu

Mesechtiu
Mesechtiu in Hieroglyphen
Altes Reich
F31 Aa1 G4 U21
[1]
Mittleres Reich
F31 Aa1 G4 U21

Neues Reich
F31 S29 Aa1
X1
F23

Mesechtiu
msḫtjw
Stierschenkel [2]
Mesechtiu2.PNG
Das Werkzeug Mesechtiu
(Mundöffnungsritual, Papyrus Hunnefer um 1290 v. Chr.)

Mesechtiu ist ursprünglich die altägyptische Bezeichnung eines Hakens beziehungsweise Dexels, der während des Mundöffnungsrituals benutzt wurde und einen Stierschenkel symbolisierte. Das zugehörige Determinativ des Werkzeugs wurde bis zum Ende des Mittleren Reiches benutzt.

In der neuägyptischen Sprache änderte sich die hieroglyphische Schreibung des Ausdrucks. Zusätzlich wurde im Neuen Reich in Verbindung mit dem altägyptischen Totenbuch der Begriff „Mesechtiu“ durch „Chepesch“ ersetzt.

Inhaltsverzeichnis

Mythologische Verbindungen

Im Mundöffnungsritual besteht zwischen dem Dexel als „Mesechtiu“ und dem Vorderbein des Stieres als „Chepesch“ eine mythologische Verbindung. Beide Objekte wurden in der altägyptischen Astronomie als „unvergängliche Sterne“ oder „unverwüstliche Sterne“ bezeichnet und mit dem Sternbild Großer Bär identifiziert, welches nach altägyptischen Vorstellungen die heilige Himmelsbarke beziehungsweise den „Stierschenkel des Apis“ darstellte.

Im Papyrus Jumilhac wird beschrieben, wie Horus das Vorderbein von Seth herausreißt und es anschließend in den Himmel verbannte, woraus sich wiederum der Name „Mesechtiu“ ableitete. Der „Stierschenkel“ steht zudem mit Osiris in Verbindung, da Osiris möglicherweise von Seth in der Gestalt des Himmelsstieres mit seinem Vorderschenkel als „Waffe des Seth“ ermordet wurde. Aus dieser mythologischen Verbindung ergibt sich die Deutung, dass der „Stierschenkel“ sowohl „neues Leben“ als auch „Tod“ für den Empfänger symbolisierte. Ergänzend existierten neben dem Begriff „Chepesch“ in seiner ursprünglichen Bedeutung für das „Vorderbein des Stieres“ die weiteren Chepesch-Varianten „starker Arm“, „Kraftarm“, „Krummsäbel“ und „Kriegsaxt“.[3]

Verwendungszweck des Dexels

Die Teti II.-Pyramide
Im Mundöffnungsritual deutet die besondere hieroglyphische Schreibung an, dass die Priester im Alten Reich das Werkzeug für vorbereitende Maßnahmen des Stieropfers nutzten. Dafür spricht der Umstand, dass in den Pyramidentexten von Teti II., Pepi I. und Merinre I. der Begriff „setep“
S29 X1
Q3
(„Schnitt/Abschneiden“) bezüglich der Beine/Arme
Aa1 Q3
N37
F23
F23
F23
mit dem Determinativ
U21
geschrieben wurde:

Horus schnitt ab die starken Arme/Hüften (Beine) deiner (Osiris) Feinde und Horus brachte sie abgeschnitten zu dir (Osiris).“

Pyramidentext 653a–b [4]

Eine weitere Szene ist aus der Zeit des Alten Reiches in Meidum belegt, wo nur die Hieroglyphe
U21
für den Begriff „Dexel“ über dem entsprechenden Opfer erscheint.

In dieser Art und Weise konnte der Dexel möglicherweise insbesondere zum Abtrennen der Gelenkknorpel sowie der Sehnen verwendet werden; zusätzlich vielleicht zum Freilegen des Knochenmarks, um möglichst ein magisch-machtvolles Speiseopfer zuzubereiten. Nach Analyse der Darstellungen des Mundöffnungsrituals auf Reliefs und einem hierfür durchgeführten Experiment bezüglich der Bestätigung hinsichtlich der Verwendung des Dexels, postulierten Andrew Hunt Gordon und Calvin Schwabe, dass der Dexel von den Priestern mit dem „Vorderbein des Stieres“ assoziiert beziehungsweise als Synonym verstanden wurde.[5]

Basierend auf den Untersuchungsergebnissen wurde der Dexel während der Zeremonie primär zum Stimulieren der Muskelkontraktionen, Sezieren und der Amputation des Vorderschenkels vom Stier verwendet. Den weiteren Darstellungen ist zu entnehmen, dass das erbrachte Stieropfer den „magischen Übertrag seines Lebens auf den Verstorbenen“ bewirken sollte. Im gesamten Vorgang ist als weiteres Element die mythologische Bedeutung der Schlange enthalten, die ebenfalls als „Lebenssymbol“ für diese Sequenz des Mundöffnungsrituals begleitend Berücksichtigung fand. Sie wurde dabei als „lebendige Wirbelsäule“ verstanden, in deren Knochenmark sich sowohl „der Tod“ als auch „das Leben“ herausbildete.[5]

Siehe auch

Literatur

  • Hans Bonnet: Mundöffnung, in: Lexikon der ägyptischen Religionsgeschichte, Hamburg 2000 ISBN 3-937872-08-6 S. 487-490.
  • Rainer Hannig: Großes Handwörterbuch Ägyptisch-Deutsch : (2800-950 v. Chr.). von Zabern, Mainz 2006, ISBN 3-8053-1771-9, S. 385−386.
  • Andrew Hunt Gordon, Calvin W. Schwabe: The Quick and the Dead: Biomedical Theory in ancient Egypt. Brill, Leiden 2004, ISBN 90-04-12391-1
  • Christian Leitz u.a.: LGG, Bd. 3: P-nbw (Schriftenreihe: Orientalia Lovaniensia analecta 112). Peeters, Leuven 2002, ISBN 90-429-1148-4, S. 398 und 441.
  • Eberhard Otto: ’’Das ägyptische Mundöffnungsritual’’, Teil I: Text/Teil II: Kommentar; Wiesbaden 1960, ISSN 0568-0476; 3,1 und 3,2;

Einzelnachweise

  1. Kurt Sethe: Pyramidentext 458c.
  2. Christian Leitz u.a.: LGG, Bd. 3, S. 398.
  3. Andrew Hunt Gordon, Calvin W. Schwabe: The Quick and the Dead: Biomedical Theory in ancient Egypt. S. 79; mit Verweis auf Raymond O. Faulkner: A concise Dictionary of Middle Egyptian. Oxford University Press, Oxford 1976, ISBN 0-900416-32-7, S. 190.
  4. Pyramidentext 653; Übersetzung „starke Arme“ gemäß Raymond O. Faulkner: The Ancient Egyptian Pyramid Texts 1910. Kessinger Publications 2004, ISBN 1-4179-7856-2, S. 123; Übersetzung „Hüften (Beine)“ gemäß Samuel Alfred Browne Mercer: The Pyramid Texts in Translation and Commentary. Longmans, Green & Co., New York 1952, S. 129.
  5. a b Andrew Hunt Gordon, Calvin W. Schwabe: The Quick and the Dead: Biomedical Theory in ancient Egypt. S. 79–80.

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