- Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum
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Das Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum (engl. Wolfgang Köhler Primate Research Center, WKPRC) in Leipzig erforscht Verhalten und Kognition (Wahrnehmungsfähigkeit) der vier Menschenaffenarten der Orang-Utans, Gorillas, Schimpansen und Bonobos. Es wurde in Anerkennung seines Werks über die mentalen Fähigkeiten der Menschenaffen nach dem Psychologen Wolfgang Köhler benannt.
Inhaltsverzeichnis
Aufbau
Das Forschungszentrum unter der Trägerschaft der Max-Planck-Gesellschaft (MPG) ist ein Projekt der Abteilung Vergleichende und Entwicklungspsychologie des Max-Planck-Instituts für evolutionäre Anthropologie, es ist in den Zoo Leipzig integriert, und die Zoobesucher haben die Möglichkeit, die Menschenaffen in den Außen- und Innengehegen der Anlage Pongoland (abgeleitet vom wissenschaftlichen Gattungsnamen Pongo der Orang-Utans) zu beobachten und sich über die Durchführung der wissenschaftlichen Studien zu informieren.
Mittelpunkt des Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrums ist eine 12 bis 19 Meter hohe und 1.600 m² große Tropenhalle mit einem ETFE-Foliendach als Warmhaus. Die Hauptnutzfläche des vom Architekten Herbert Kochta aus München entworfenen Gebäudes beträgt 2.900 m², der umbaute Raum 34.000 m³. Fünf naturnahe Anlagen sind jeweils in einen Innen- und Außenbereich gegliedert. Die Innenanlagen befinden sich im Warmhaus. Mit künstliche Felsen- und Uferlandschaften und einem tropischen Baumbestand wurden die Lebensbedingungen der Tiere nachgestaltet. Wasser- und Trockengräben sowie in Ausnahmefällen auch Panzerglas trennen die Menschenaffen von den Besuchern. Die Tiergehege des Pongolands umfassen 24.705 m² Außenflächen (12.210 m² Gehege, 4.645 m² Wassergräben mit 1,3 Meter Tiefe und bis zu 10 Metern Breite sowie 7.850 m² Besucherwege und Grünflächen). Die Gebäudefläche beträgt 3.255 m² (1.307 m² Gehege und Trockengräben, 581 m² Innenbegrünung und 1.250 m² Dachbegrünung). Die Forschungseinrichtung ist damit die weltweit größte Menschenaffenanlage. Die Planung der gesamten Anlage übernahm das Architekturbüro Raspach aus Oberhausen.
In der Einrichtung wird wissenschaftliche Forschung mit zeitgemäßer Tierhaltung und -präsentation verbunden, dieses Konzept stellte eine weltweite Neuerung dar. Für den Zoobesucher stellt sich Pongoland als Nachbildung eines Forschercamps an der Elfenbeinküste in einem Urwalddorf dar.
Der Forschungsgegenstand ist die reine passive verhaltenspsychologische Beobachtung, d. h. Tierexperimente und Tierversuche im herkömmlichen Sinne finden in der Forschungseinrichtung nicht statt, kein Forscher bedrängt oder berührt die Tiere, die Distanz zu ihnen bleibt immer gewahrt. Die Wissenschaftler spielen quasi mit den Menschenaffen und beobachten dabei ihr soziales und kulturelles Verhalten.
Die Forschungseinrichtung beschäftigt 9 Wissenschaftler und 14 Tierpfleger. Leiter des Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrums sind der amerikanische Anthropologe Michael Tomasello und der spanische Tierpsychologe Josep Call.
Geschichte
1997 suchte die Max-Planck-Gesellschaft eine namhafte Universitätsstadt in den neuen Bundesländern mit einem Zoo, der über Erfahrungen mit Menschenaffen verfügte, um dort eine Primaten-Forschungsstätte zu errichten.[1] Die Max-Planck-Gesellschaft entschied sich für Leipzig als Standort für eine Forschungseinrichtung nach dem Vorbild des Yerkes National Primate Research Center in Atlanta. Es wurde ein Grundstück innerhalb des Zoos zur Verfügung gestellt und der Max-Planck-Gesellschaft das Erbbaurecht gewährt, dort ein Forschungszentrum zu errichten.
Der Grundstein der Anlage wurde am 3. Mai 1999 gelegt. Die Baukosten betrugen rund 28 Millionen D-Mark.[2] Am 1. April 2001 fand in Anwesenheit des damaligen sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf die Eröffnung statt.[1]
Tiere
In der Anlage Pongoland des Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrums sind Sumatra-Orang-Utans, Westliche Flachland-Gorillas, Schimpansen, Bonobos und ein Gibbon-Weibchen beheimatet.[3] Neben der großen 18 Tiere umfassenden Schimpansengruppe wird noch eine zweite kleine Schimpansengruppe mit 6 Tieren gehalten.
Orang-Utans
Der überaus erfolgreich züchtenden Gruppe Sumatra-Orang-Utans steht eine Innenanlage von 185 m² und eine Außenfläche von 1870 m² zur Verfügung, ausgestattet mit zahlreichen Kletterbäumen und Seilen.
Der zehnköpfigen Orang-Utan-Gruppe leistet auf der Außenanlage die Gelbwangen-Gibbon-Dame Mini (* 1982 in Vietnam) Gesellschaft. Die Gruppe besteht aus den Männchen Bimbo (* 20. September 1980 in Duisburg), Suaq (* 15. Mai 2009, 1. Jungtier von Padana) und Batak (* 30. Oktober 2009 in Leipzig, 3. Jungtier von Pini), sowie den Weibchen Pini (* 30. Juni 1988 in Leipzig, 3. Jungtier von Dunja), Dokana (* 31. Januar 1989 in Dresden), Padana (* 18. November 1997 in Leipzig, 1. Jungtier von Pini), Kila (* 2. Juni 2000 in Leipzig, 5. Jungtier von Dunja), Raaja (* 26. September 2003 in Leipzig, 2. Jungtier von Pini), Maia (* 10. Dezember 2007 in Leipzig, 6. Jungtier von Dunja) und Tanah (* 18. Juni 2009 in Leipzig, 2. Jungtier von Dokana).
Am 27. Oktober 2009 verstarb die Stammmutter der Leipziger Gruppe, Dunja (* 19. April 1973 im Tierpark Berlin-Friedrichsfelde, seit 1976 in Leipzig) überraschend auf der Innenanlage des Pongolandes an einer Lungenentzündung.
Gorillas
In der Gorilla-Anlage leben der Silberrücken Gorgo (* 28. Juni 1981 in Krefeld) und die Damen Bebe (* Juni 1979 in der Wildnis) mit ihrer Tochter Louna (* 13. Juli 2006 in Leipzig) sowie Viringika (* 23. März 1995 in Zürich) mit ihren Töchtern Kibara (* 13. Januar 2004 in Leipzig) und Zola (* 16. April 2008 in Leipzig). Vater der Jungtiere ist Gorgo.
Den Gorillas steht eine Innenanlage von 246 m² und eine Außenanlage von über 2400 m² zur Verfügung, die den Tieren neben zahlreichen Klettermöglichkeiten auch die notwendige Möglichkeit bietet, sich dem Auge des Besuchers zu entziehen.
Schimpansen
Die Schimpansengruppen des Pongolandes zählen zu den größten Gruppen dieser Art in Europa. Der großen Gruppe aus Westafrikanischen Schimpansen und einer Hybridschimpansin mit Nachwuchs stehen in der Halle 417 m² zur Verfügung, die großflächige Außenanlage umfasst 4125 m² und bietet den Tieren Klettermöglichkeiten und zahlreiche Rückzugsräume.
Die große Gruppe umfasst derzeit sieben männliche und elf weibliche Tiere, wovon drei Weibchen Hybriden sind.
Die kleine Schimpansengruppe besteht aus Handaufzuchten und Jungerwachsenen, welche die Hauptgruppe verlassen mussten. Die Gruppe besteht derzeit aus sechs Tieren, wovon das einzige Männchen ein sterilisierter Unterart-Hybride ist. Den jungen Tieren stehen innen 177 m² und außen 1375 m² zur Verfügung.
Bonobos
Die neunköpfige Bonobogruppe bewohnt eine Innenanlage von 282 m², die den Tieren Klettermöglichkeiten in bis zu zehn Metern Höhe gewährt und mit einem Netz überdacht ist. Die großflächige Außenanlage, 2375 m² groß, erlaubt es den Tieren, bis zu 25 m hohe lebende alte Bäume zu beklettern.
Die Gruppe besteht aus den Männchen Joey (* 13. Dezember 1982 in Antwerpen, seit 2001 in Leipzig), Kuno (* 26. November 1996 in Stuttgart, seit 2001 in Leipzig), Jasongo (* 2. August 1990 in Wuppertal, seit 2011 in Leipzig) und Loto (* 2. September 2009 in Leipzig, 3. Jungtier von Ulindi) sowie den Weibchen Ulindi (* 10. Oktober 1993 in Frankfurt, seit 2001 in Leipzig), Luiza (* 27. Januar 2005 in Leipzig, 2. Jungtier von Ulindi), Yasa (* 27. August 1997 im Twycross Zoo/UK, seit 2004 in Leipzig), Bokela (* 14. Oktober 2003 im Twycross Zoo/UK, seit 2011 in Leipzig) und Fimi (* 28. Juli 2008 in Leipzig, 1. Jungtier von Yasa).
Bonobomännchen Limbuko (* 4. Oktober 1995 in Stuttgart, seit 2001 in Leipzig) wurde im Oktober 2010 an den Zoo Berlin abgegeben, um die dortige Zucht sicherzustellen.
Gibbon
Das Gelbwangen-Gibbon-Weibchen Mini (* 1983 in Vietnam in der Wildnis) teilt mit den Sumatra-Orang-Utans im Sommer das Außengehege.
Literatur
- Philip Bethge: Hütchenspiel in Pongoland. Der Spiegel Nr. 14 vom 2. April 2001, S. 200, ISSN 0038-7452
- Gunter Mann: Grünes Dach im Pongoland. Eine etwas andere Art von Dachbegrünung im Zoo Leipzig. Stadt und Grün/Das Gartenamt 53 (2004) H. 12, S. 51–53, ISSN 0948-9770
- Volker Sommer: Kein Wir-Gefühl im Pongoland. Frankfurter Rundschau vom 27. September 2009, ISSN 0940-6980
Radiosendung
- Planck in Pongoland. Primatenforschung im Leipziger Zoo. SWR 2, 15. April 2002 (Autor: Konrad Lindner, Redaktion: Detlef Clas)
Weblinks
Commons: Pongoland – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Homepage des Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrums
- Homepage des Zoos Leipzig
- Pongoland bei ZooLex
Einzelnachweise
- ↑ a b Mustafa Haikal, Jörg Junhold: Auf der Spur des Löwen. 125 Jahre Zoo Leipzig. Pro Leipzig, Leipzig 2003, S. 245 f., ISBN 3-936508-95-X
- ↑ Philip Bethge: Hütchenspiel in Pongoland. Der Spiegel Nr. 14 vom 2. April 2001, S. 200
- ↑ Wolfgang-Köhler-Primaten-Forschungszentrum: Steckbriefe
51.35319712.365645Koordinaten: 51° 21′ 12″ N, 12° 21′ 56″ OKategorien:- Zoo Leipzig
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- Künstliche Tierbehausung
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